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Ausländische Chefs und Kollegen: Für Journalistinnen und Journalisten oft unerwartet schwierig

Ausländische Chefs und Kollegen: Für Journalistinnen und Journalisten oft unerwartet schwierig Mediencoach Attila Albert

Wer als Medienprofi ins Ausland geht, für ein ausländisches Unternehmen oder in einem gemischten Team arbeitet, ist oft nicht darauf vorbereitet, wie unterschiedlich die Mentalitäten doch sein können. Mediencoach Attila Albert über kulturelle Herausforderungen im beruflichen Alltag.

Berlin – Eine deutsche Journalistin wechselte zu einem Schweizer Medienkonzern, von dem sie ein gutes Angebot erhalten hatte, obwohl sie das Land nicht kannte. Die Schweizer Mundart war ihr anfangs kaum verständlich und erschien ihr später provinziell und schwerfällig. Nie war sie ganz sicher, ob ihr Chefredaktor - mit „o“ – sie unverbindlich um etwas bat oder einen bindenden Arbeitsauftrag erteilte. Die Kollegen waren freundlich. Aber nie lud sie einer zu sich nach Hause oder auch nur ins Café ein. Geäußerte politische Ansichten schockierten sie teilweise. Das Land blieb ihr fremd, zwei Jahre später zog sie wieder zurück.

 

Eine PR-Managerin, bei einem internationalen Konzern in Deutschland tätig, bekam einen Engländer zum Abteilungsleiter. Bald stellte es sich als Problem heraus, wegen ihm nun alle Konferenzen und Präsentationen auf Englisch abzuhalten. Viele Kollegen stießen sprachlich an ihre Grenzen, sobald es inhaltlich komplexer und nuancierter wurde. Auch sie bemerkte, als sie nur noch auf Englisch schreiben durfte, doch feine Unsicherheiten bei der Grammatik und Zeichensetzung. Seinen Kommunikationsstil empfand sie als ausweichend („Sounds good“ hieß „Nein“) und passiv-aggressiv, er ihren wohl als übergriffig direkt und kalt.

 

Lange war die deutsche Medien- und Kommunikationsbranche weitgehend national oder sogar regional geprägt, sieht man von Ausnahmen (z. B. Bertelsmann, Condé Nast, Disney, Google) ab. Inzwischen sind heimische Unternehmen internationaler aktiv, umgekehrt ausländische mehr hier – mit dem entsprechenden personellen Austausch. Mancher Medienprofi findet sich in einem Team wieder, in dem Chefs oder Kollegen aus dem Ausland sind, und stellt fest, dass es für ihn unerwartet schwierig ist. Im Coaching kommt dieses Problem heute daher verstärkt zur Sprache.

 

Nur begrenzt darauf vorbereitet

Jeder hat von interkultureller Kompetenz gehört, kennt die Herkunftsländer vielleicht vom Erasmus-Programm, Gastsemester, Au-pair-Job oder von Reisen. Aber es ist ein großer Unterschied, ob man gern Urlaub in den USA macht oder einem vergleichsweise rüden Chef von dort ausgesetzt ist, der ignoriert, dass er deutsche Mitarbeiter nicht einfach „morgen rausschmeißen“ kann und Zoom-Calls ständig zwei Uhr morgens ansetzt, Zeitverschiebung egal. Oder man beim neuen Job im persönlichen Traumland Frankreich feststellt, dass Mittagessen wirklich zwei Stunden dauern, viel geredet und nichts entschieden wird.

 

Ein Klient in der Unternehmenskommunikation war, nach Übernahme seines Arbeitgebers, plötzlich einem chinesischen Management direkt unterstellt. Ihn traf nicht nur die traditionelle Top-Down-Struktur unerwartet, sondern auch das Unwohlsein, nun nur noch der Befehlsempfänger einer fernen Zentrale zu sein. Wer aus einer Kultur kommt, die selbst viel auf Fairness hält, stellt in anderen Weltregionen (z. B. Naher Osten, Asien, teilweise Osteuropa) fest, dass mehrere seiner Chefs nahe und entfernte Verwandte des Eigentümers sind, die trotz eindeutiger Inkompetenz versorgt werden mussten.

 

Besonders überrascht sind diejenigen, die in der Annahme gelebt haben, dass es gar keine abgegrenzten nationalen Identitäten und Mentalitäten gebe, wenn man von Sprache und Kulinarik absehe. Das stellt sich schon in der deutschsprachigen Schweiz als Irrtum heraus, die eben nicht Baden-Württemberg Süd ist, sondern ihr Eigenes. Wer sich immer als „eigentlich Europäer“ oder gleich „Weltbürger“ vorgestellt hat, muss schon im benachbarten Ausland – sei es Frankreich oder Polen – feststellen, dass er sich damit bereits als Deutscher (West) ausweist, und erntet z. B. in Asien nur ein ratloses Lächeln.

 

Klischees sind gelebte Erfahrung

Wer nie wirklich woanders (oder längere Zeit mit Ausländern) gelebt hat, tut die Unterschiede gern ab: Klischees, Stereotypen, Vorurteile. Tatsächlich gibt es überall natürlich eine Bandbreite an individuellen Ansichten und Verhaltensweisen, gleichzeitig aber auch Typisches. Eine lebenserfahrene Zeitungsredakteurin, die in vier Ländern gelebt und gearbeitet hat, meinte einmal zu mir: „Klischees sind gelebte Erfahrung.“ Manche blühen bei dieser Erfahrung auch auf: Sie sind unerwartet in einem Umfeld gelandet, das sie nicht gesucht hatten, das sich aber als kulturell passender als die eigene Herkunft herausstellte.

 

Die kulturelle Mobilität ist dabei leichter behauptet als erreicht, sobald es um mehr als Sprachbeherrschung und Ortskenntnis geht. Ich habe viele Auslandskorrespondenten getroffen, die sich - und das unabhängig vom Gastland – nach einigen Jahren eher fremder fühlten. Sich zum Beispiel bei privaten Gesprächen mit Nachbarn, dem Hausmeister oder im Sportstudio inzwischen sehr mit ihrer Meinung „als Deutscher“ zurückhielten, nachdem diese sich als das Gegenteil der mehrheitlichen Ansicht vor Ort herausgestellt hatte. So empfindet sich mancher gelegentlich eher wie ein Oppositionspolitiker als ein Berichterstatter.

 

Am besten scheint mir vorbereitet, wer kulturelle Unterschiedlichkeit erwartet und eine Vorstellung davon hat, was zu seinen eigenen Werten und Vorlieben passt. Sich darüber klar ist, dass Vielfalt (Diversity) gegenläufig zur stillschweigenden Einheit (Homogenität) ist, damit den Bedarf an Verständnis, Erklärung und Abstimmung erhöht. Dann kann solch eine Konstellation interessant, bereichernd, manchmal auch unfreiwillig komisch sein. Rein logisch lassen sich kulturelle Anziehung und Abstoßung, wie bei allen Beziehungen, nicht erklären. Aber eigene Klarheit hilft – und kann manchmal auch Anlass für einen gezielten Wechsel speziell aus diesem Grund sein.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Journalistinnen und Journalisten auf Social Media

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

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