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Drittes Jahr mit realen Lohnverlusten: So können Journalisten ihr Einkommen steigern

Drittes Jahr mit realen Lohnverlusten: So können Journalisten ihr Einkommen steigern Mediencoach Attila Albert

Selbst viele, die eine Gehaltserhöhung aushandeln konnten, verdienen seit 2020 real weniger. Grund sind die Preisanstiege in vielen Lebensbereichen. Wer sein verfügbares Einkommen halten oder gar steigern will, muss aktiver als bisher werden. Empfehlungen dazu von Mediencoach Attila Albert.

Berlin – Eine Redakteurin erzählte mir kürzlich, dass sie keine Brötchen zum Fertigbacken mehr kaufe. Sie wolle an den Stromkosten für ihren Backofen sparen. Eine andere, dass sie nicht mehr wie früher wöchentlich wasche – nur noch, wenn eine volle Trommel zusammenkäme. Der Redaktionsleiter einer Lokalzeitung ist inzwischen dafür bekannt, samstags mit einem Verkaufstisch vor einem Supermarkt zu stehen und dort Eier seiner Hühner und Gemüse aus dem eigenen Garten anzubieten, um etwa dazuzuverdienen. Bekannte Redakteure verfassen – ohne Autorenzeile – heimlich nebenbei PR-Texte. Geld wird auch für lange angestellte Medienprofis, die formal gut verdienen, zunehmend ein Thema.

 

Nach aktuellen Prognosen wird 2022 das dritte Jahr in Folge sein, in dem die Reallöhne in Deutschland sinken. Das bedeutet: Selbst eventuell ausgehandelte Gehaltserhöhungen und Bonuszahlungen genügten im Durchschnitt nicht, um den Preisanstieg (u.a. bei Strom, Kraftstoffen, Lebensmitteln, Mieten, Nebenkosten) auszugleichen. 2020 sind die Reallöhne um 1,1 Prozent gefallen, 2021 um 0,1 Prozent. Für den erwarteten Verlust 2022 gibt es noch keine Schätzung. Das klingt auf den ersten Blick nach winzigen Beträgen, addiert sich aber über die Zeit - und könnte noch mehrere Jahre so weitergehen.

 

Wie immer sind die Medienprofis sehr unterschiedlich betroffen. So teilte sich der vierköpfige Springer-Vorstand im vergangenen Jahr 88,8 Millionen Euro. Aber im Normalfall gilt: Wer sich nicht fortlaufend mehr einschränken will, muss sein Nettoeinkommen stärker als die Inflationsrate von aktuell ca. drei Prozent steigern. Das ist anspruchsvoll und erfordert gezielte Aktivitäten. Hier einige Empfehlungen, um Ihr Einkommen real zu erhöhen.

 

Überblick über die eigene Einkommensentwicklung

Verschaffen Sie sich zuerst einen Überblick: Wie hat sich Ihr Gehalt über die vergangenen mindestens fünf bis zehn Jahre entwickelt? Tragen Sie dafür Ihre Jahreseinkommen in eine Google- oder Excel-Tabelle ein. Dann können Sie sich die Entwicklung auch einmal optisch als Kurve darstellen lassen und die prozentuale Veränderung errechnen, wenn Sie wollen. Vergleichen Sie hier die Jahreseinkommen, brutto inklusive aller Extras. Sie finden diesen Wert in Ihren früheren Steuererklärungen und -bescheiden sowie in den jährlichen Verdienstbescheinigungen vom Arbeitgeber. Bei Bedarf hilft die Lohnbuchhaltung!

 

Tipp: Wenn Sie sich bereits an diesem Punkt eingestehen müssen, dass Sie es "nicht so mit Zahlen haben", ist das keine Schande. Sie sollten sich dann aber mehr mit Finanzfragen beschäftigen und beraten zu lassen, um Ihre Interessen besser wahrnehmen zu können.

 

Ausrechnen, wie viel Sie mehr verdienen müssten

Mit Ihrem Chef verhandeln Sie meist über die Erhöhung des monatlichen Bruttogehaltes, auch wenn Sie letztlich interessiert, was Sie netto mehr verdienen. Rechnen Sie deshalb vorher aus, wie viel Sie brutto mehr fordern müssen, damit netto mindestens drei Prozent mehr (Inflationsausgleich) bei Ihnen ankommen. Schritt 1: Das aktuelle monatliches Nettogehalt mit 1,03 multiplizieren - dann haben Sie Ihr Nettoziel (Minimum). Schritt 2: Erhöhen Sie bei einem Online-Nettorechner Ihr Bruttogehalt so lange, bis das errechnete Nettoziel erreicht ist. Dieses Bruttogehalt sollten Sie mindestens fordern.

 

Beispiel für einen Redakteur in Berlin, 35 Jahre alt (Steuerklasse 1, kinderlos, gesetzlich versichert, kein Kirchenmitglied): Er verdient monatlich 4.500 Euro brutto. Davon bleiben ihm netto rund 2800 Euro. Schon für den Inflationsausgleich müsste sein Nettoeinkommen um 84 Euro (drei Prozent) steigen – was brutto knapp 200 Euro mehr bedingt. Um sich real zu verbessern, müsste er mehr fordern, zum Beispiel brutto 250 oder 300 Euro mehr.

 

Tipp: Die meisten Online-Nettorechner haben viele Felder für individuelle Angaben. Tragen Sie ein, was Sie wissen, und lassen Sie alles andere frei. Es geht hier nicht um eine ganz präzise Berechnung, sondern um einen ungefähren Zielwert für das Gehaltsgespräch.

 

Verhandeln mit guten Argumenten und Plan B

Grundsätzlich lässt sich auch in einer Krisenzeit über ein höheres Gehalt verhandeln. Die allgemeine Verteuerung ist dabei allerdings kein erfolgversprechendes Argument, weil diese bereits für alle in den Verhandlungen für den Tarif- oder Haustarifvertrag berücksichtigt wird. Sie müssen also individuell argumentieren – und zwar, dass Sie für das Geleistete und Ihre Attraktivität im Arbeitsmarkt eigentlich unterbezahlt sind. Sie sprechen also eher von einer Gehaltsanpassung als von einer Erhöhung. Stellen Sie für das Gespräch zusammen, was Sie während der Coronakrise mehr als andere geleistet haben.

Tipp: Verschicken Sie vor wichtigen Gesprächen mit Ihrem Chef mindestens zwei bis drei Bewerbungen (Plan B). Das stärkt Ihre Wahrnehmung, nicht komplett auf den aktuellen Job angewiesen zu sein und lässt Sie selbstbewusster auftreten und verhandeln.

 

Prüfen, ob Sie etwas dazuverdienen können

Sollte Ihr Chef nicht willens oder in der Lage sein, Ihr Gehalt zu erhöhen, kann - zumindest zeitweise - ein Nebenerwerb Ihr Einkommen erhöhen. Naheliegende Möglichkeiten für Medienprofis: Beiträge für andere Medien oder die PR produzieren, Bücher, Vorträge oder eine Beratungs- oder Lehrtätigkeit. Aber natürlich ist auch jede branchenfremde Produkt- oder Dienstleistungsidee denkbar (z. B. Verkauf selbst hergestellter Produkte über einen Onlineshop). Da Ihre Zeit und Kraft begrenzt sind: Möglichst keine unbezahlten Überstunden und Gefälligkeitsleistungen mehr, das kostet Sie jetzt zu viel.

Tipp: Einige Arbeitgeber verbieten Nebentätigkeiten ganz oder machen sie praktisch fast unmöglich, weil jede einzeln beantragt und genehmigt werden muss. Lassen Sie in diesem Fall Ihren Vertrag einmal anwaltlich darauf prüfen, ob diese Regelungen zulässig sind.

 

Gezielt bewerben, um mehr zu verdienen

Grundsätzlich ist es schwierig, sich in einer unveränderten Position finanziell wesentlich zu verbessern. Nicht selten kommt es vor, dass Arbeitgeber sich tatsächlich so lange weigern, bis ihr Mitarbeiter kündigt - und dann erst dem geforderten Betrag zustimmen. Bewerben Sie sich daher gezielt intern und extern mit dem ausdrücklichen Ziel, Ihr Einkommen zu steigern. Oft sparen Sie sich und möglichen neuen Arbeitgebern viel Zeit, wenn Sie früh erfragen, „wie die Stelle dotiert“ ist. Liegen die Vorstellungen weit auseinander, besser die Bewerbung zurückzuziehen und sich auf andere Stellen konzentrieren.

 

Tipp: Informieren Sie sich vorher über realistische Gehälter bei Ihren Wunscharbeitgebern bzw. -branchen, indem Sie z. B. ehemalige Kollegen, die dorthin gewechselt sind, oder Branchenkenner fragen. So vermeiden Sie, dass Sie unrealistisch wenig oder viel fordern.

 

Jeder dieser Schritt erfordert eine gewisse Anstrengung. Verschieben Sie es jedoch nicht aktiv zu werden, weil es sich „wegen der paar Euro“ vermeintlich nicht lohnen würde. Bei zwölf Monatsgehältern plus eventuell Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Tantiemen kommt schnell ein vierstelliger Nettobetrag – zusätzlich auf Ihrem Konto – zusammen. Für Selbstständige gelten die Empfehlungen übrigens analog, nur dass es bei ihnen um den Jahresüberschuss (Reingewinn) geht. Ihnen helfen eine Angebots- und Kundenanalyse (Umsatz und Aufwand pro Kunde) und eventuell dort nötige Veränderungen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Politisch bedrängt

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

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