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Freie mit zu wenig Umsatz: Was tun, wenn die Selbstständigkeit nicht läuft?

Freie mit zu wenig Umsatz: Was tun, wenn die Selbstständigkeit nicht läuft? Attila Albert

Zu wenige Aufträge, schwierige Kunden, schlechte Zahlungsmoral: Viele freie Medienprofis leiden darunter. Wer erfolgreich sein will, muss trotz aller Frustration und Verärgerung die genauen Gründe dafür analysieren und entsprechend handeln. Mediencoach Attila Albert gibt Tipps.

Berlin – Mit großer Begeisterung hatte sich ein Magazinredakteur selbstständig gemacht. Nicht ganz freiwillig, er hatte seine vorherige Stelle nach einem Burnout gekündigt. Aber nun freute er sich auf den Neuanfang. Seine Freunde lobten seinen Newsletter, seine LinkedIn-Beiträge zu aktuellen Fragen fanden einige Resonanz. Nur kaum von Auftraggebern, die ihn doch als Texter buchen sollten. Kam doch einmal eine Anfrage, war das angebotene Honorar oft lächerlich niedrig oder gar nicht eingeplant. Er bekäme schließlich „mehr Sichtbarkeit”.

 

Wer mit freien Medienprofis spricht, hört oft ähnliche Klagen. Die Aufträge bleiben aus. Die Kunden zögern ihre Zusagen immer wieder heraus, ändern fortlaufend ihre Anforderungen. Manchmal stellt sich erst am Ende heraus, dass sie gar kein ausreichendes Budget haben. Rechnungen werden verspätet bezahlt, rückwirkend sucht mancher Kunde noch nach Vorwänden, um sie zu kürzen. Das ist mehr als nur frustrierend und ärgerlich. Zu wenig Umsatz und Gewinn sind bald existenzgefährdend, wenn man davon leben muss.

 

Frust und Wut verständlich, aber wenig hilfreich

Verständlich sind emotionale Reaktionen, etwa öffentlich auf LinkedIn darüber zu schimpfen und zu klagen, wie schwierig die Kunden und Projekte wären. Besonders klug ist das natürlich nicht, denn kriselnde Unternehmen – und darum handelt es sich auch beim einzelnen Freien – wirken auf potenzielle Kunden eher noch abschreckend. Bleibt der erhoffte Erfolg aus, empfiehlt es sich stattdessen, die Gründe dafür zu analysieren und entsprechend zu handeln. So kann der unternehmerische und finanzielle Neuanfang gelingen.

 

Das Problem beginnt oft damit, dass die Selbstständigkeit nicht völlig selbstgewählt war, sondern das Ergebnis einer erfolglosen Stellensuche. Wir sehen es bei Führungskräften, die „im gegenseitigen Einvernehmen” gegangen sind, dann als Autoren, Berater oder Coaches auftraten – und das sofort wieder aufgaben, sobald sie doch noch eine neue Stelle fanden. Reguläre Mitarbeiter haben ihre vorherige Festanstellung oft wegen Unzufriedenheit selbst gekündigt, ohne aber ihre Geschäftsidee gründlich genug vorzubereiten.

 

Entscheidend ist, was der Kunde kaufen möchte und kann

Bei solch einem Beginn kommt oft das entscheidende Umdenken zu kurz: Wer selbstständig arbeitet, muss vieles völlig anders angehen als ein Angestellter. Es gibt keinen Anspruch auf Kunden und Umsätze, Vertragsabschlüsse kommen grundsätzlich freiwillig zustande. Das eigene Angebot muss also in allen Aspekten überzeugen: Es muss ein relevantes Kundenproblem lösen, einen angemessen – nicht zwingend niedrigen – Preis haben und interessierten, zahlungsbereiten und -fähigen Kunden bekannt gemacht werden.

 

Unvorbereitete Selbstständige lernen auf schmerzhafte Weise, dass sich unternehmerischer Erfolg nicht in netten Kommentaren von Freunden und Verwandten, Social-Media-Likes oder Newsletter-Abos misst. Sondern in erteilten und bezahlten Aufträgen, die dem eigenen Aufwand entsprechen, die Kosten (Arbeitsraum, Bürogeräte, Telefon, Papier usw.) decken und einen Gewinn ergeben. Negativ-Beispiel: Ein deutscher Großverlag zahlt freien Autoren für drei Artikel pauschal 200 Euro. Das ist kein Geschäft, sondern ein Hobby.

 

So sollte Ihr Angebot nicht zuerst aus dem bestehen, was Sie selbst gern machen und wichtig finden. Auch die Meinungen von Familie, Freunden und Bekannten sind hier fast unwesentlich, soweit nicht Fachleute in Ihrem Geschäftsfeld darunter sind. Entscheidend ist, was Ihr Kunde so hilfreich und wichtig findet, dass er es bei Ihnen bucht und bezahlt. Idealerweise entspricht das dem, was Sie gern machen und schätzen. Aber Sie dürfen auch mit dem professionellen Arbeitsethos eines Handwerkers herangehen.

 

Manche Redaktion kann gar nichts ankaufen 

Bei der Frage des Preises haben ehemalige Angestellte oft die falsche Vorstellung, es gäbe einen „fairen” oder „angemessenen” Preis. Aber Preise haben nur wenig mit Aufwand und Qualität zu tun. Sie müssen nicht einmal immer kostendeckend sein, sondern ergeben sich aus vielen weiteren Kriterien. So, wie es T-Shirts für 5 Euro, für 500 und 2.500 Euro gibt, können Sie Ihre eigenen Angebote (z. B. Content-Produktion oder Beratung) so bepreisen, wie Sie es für richtig und bei Ihren Zielkunden für durchsetzbar halten.

 

Dieser Aspekt berührt einerseits die Gestaltung Ihres Angebotes, andererseits die Auswahl Ihrer Zielgruppe. Hier gilt es häufig, sich von Sehnsüchten und Illusionen zu verabschieden. Manche hoch angesehene Redaktion ist ein lausiger Kunde, manch vermeintlicher Interessent (z. B. Ressortleiter) in Wahrheit weder entschluss- noch zahlungsfähig, weil ihm Entscheidungskompetenz und Budget fehlen. Als Freier darf man sich darüber ärgern, sollte dann aber schnell eine andere, vielversprechendere Kundengruppe anpeilen.

 

Immer müssen dazu die eigenen Marketing-Maßnahmen (z. B. Webseite, Social Media, Newsletter) passen. Fehlen sie oder sind völlig veraltet, ist das ebenso problematisch, wie wenn sie unternehmerisch zu nichts führen. Beispiel: Alle loben Ihren Newsletter, verstricken Sie in spannende Gespräche darüber, kaufen nur nichts. Hier ist es wichtig, die eigene Geschäftsgrundlage nie zu vergessen. Wenn Sie als freier Autor redaktionelle Texte verkaufen wollen, profitieren Sie – anders als eine anzeigenfinanzierte Newsseite – nicht davon, dass andere lange auf Ihrer Webseite herumsurfen und hier und da klicken.

 

Hinter einem ziellosen, zögerlichen Vorgehen eines Selbstständigen verstecken sich oftmals innere Blockaden: Eigene Unklarheit, selbst nicht vom Angebot überzeugt sein, zu glauben, dass man potenzielle Kunden nervt, anstatt ihnen zu helfen. Man „möchte sich nicht verkaufen”, braucht jedoch mehr Umsatz. Vieles lässt sich durch Arbeit am Konzept und an sauberen Argumenten verbessern, professionelle Organisation und überzeugende Präsentation üben. Keiner wird als Unternehmer geboren, aber es lässt sich lernen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Mehr Unterstützung im neuen Job


Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.