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Heimliche Stellensuche: Wie realistisch ist es, dass der Chef nichts erfährt?

Heimliche Stellensuche: Wie realistisch ist es, dass der Chef nichts erfährt? Attila Albert

Viele Medienprofis, die den Job wechseln wollen, halten sich beim Netzwerken und bei Bewerbungen unnötig zurück. Sie fürchten Konsequenzen, falls ihr aktueller Arbeitgeber davon erfahren sollte. Karriere-Coach Attila Albert sagt, wie Sie das richtige Maß an Diskretion und Vorsicht finden.

Berlin – Eine Chefin vom Dienst war schon seit 15 Jahren beim selben Radiosender. Seit langem wollte sie bereits wechseln, wieder mehr inhaltlich statt organisatorisch arbeiten und auch mehr verdienen. Aber sie zögerten, sich woanders zu bewerben. Was, wenn ihr aktueller Vorgesetzter davon erfuhr oder sie gar zufällig von Kollegen gesehen wurde, wie sie zu einem Vorstellungsgespräch ging? Selbst bei der professionellen Überarbeitung ihres LinkedIn-Profils zögerte sie. Schließlich war sie dort mit Vorgesetzten und Mitgliedern ihres Teams verbunden, die das doch sofort als öffentliche Stellensuche einordnen würden.

 

Die Angst, bei der beruflichen Neuorientierung oder Stellensuche vom aktuellen Arbeitgeber sozusagen erwischt zu werden, hält viele Medienprofis unnötig zurück. Sie ist verständlich. Niemand möchte sich Illoyalität oder zumindest Undankbarkeit unterstellen lassen. Aber das darf nicht dazu führen, dass Sie trotz Unzufriedenheit im aktuellen Job – was der Grund dafür auch sein mag – nicht wagen, sich nach Alternativen umzusehen. Natürlich sollte die Stellensuche kein Dauerzustand sein. Aber wenn es Zeit für etwas Neues ist, dürfen Sie aktiv werden, ohne sich dabei grundlos selbst zu behindern.

 

Ganz normal, sich regelmäßig zu verändern

Zuerst einmal können Sie davon ausgehen, dass sich Ihre Vorgesetzten und Kollegen ebenso gelegentlich nach etwas Neuem umsehen, wenn auch nicht jeder gleich intensiv und ständig. Aber Wechsel gehören zu jeder Karriere, vom Herausgeber und Chefredakteur bis zum Redakteur und freien Mitarbeiter. Nach drei bis fünf Jahren im gleichen Job empfiehlt es sich, eine neue Stelle anzunehmen, wenn Sie sich weiterentwickeln und aufsteigen wollen. Eventuell spricht man Sie an. Häufiger aber müssen Sie andere wissen lassen, dass Sie ein interessanter Kandidat und generell wechselwillig sind.

 

Der typische Erstkontakt, den Sie bei der Stellensuche angehen würden, wäre ein kurzes Anschreiben per E-Mail an Ihren potenziellen neuen Chefredakteur oder Ressortleiter. Erwähnen Sie, warum Sie das Medium anspricht, ob es bereits einen Kontakt gab (z. B. eine frühere Zusammenarbeit oder Bewerbung), warum Sie sich initiativ bewerben und was Sie beitragen könnten. Enden Sie mit der klaren Bitte um einen Termin, damit Sie sich kennenlernen und vorstellen können. Kein verdruckstes „ich würde mich freuen …“ Dazu einen Lebenslauf nach heutigem Standard (3 Seiten) und eventuell Arbeitsproben.

 

Um Vertraulichkeit bitten ist möglich

Selbstverständlich setzen Sie sich damit einem gewissen Risiko aus. Die Medienbranche ist klein, und die meisten Medienprofis bleiben ihre ganze Karriere lang im selben Segment. So kann es durchaus sein, dass der Chefredakteur, den Sie interessiert anschreiben, einmal mit Ihrem aktuellen Vorgesetzten zusammengearbeitet hat oder ihn noch aus dem Volokurs kennt. Zwar können Sie im Anschreiben anmerken: „Ich bitte, meine Bewerbung vertraulich zu behandeln.“ Aber das ist nicht rechtsverbindlich für den Empfänger und wirkt, geht es nicht um eine heikle Top-Personalie, sehr ängstlich.

 

So sollten die Gefühle, die dabei bewegen, besser der Anlass für eine Selbstreflexion sein: Wovor fürchten Sie sich, was könnte passieren? Wenn Sie die Sorge umtreibt, dass Ihr aktueller Chef – sollte er von Ihrer Bewerbung anderswo erfahren – verletzt und enttäuscht sein könnte, zeigt das eventuell eine übergroße emotionale Bedürftigkeit Ihrerseits. Glauben Sie, dass es danach „nie mehr wie vorher“ sein könne, eventuell zu wenig innere Distanz zum Job. Fürchten Sie lautstarke Vorwürfe oder gar eine Entlassung aus Rache, würden Ihnen möglicherweise mehr innere Stärke und Konfrontationsfähigkeit helfen.

 

Nichts davon ist schlimm, sondern zeigt Ihnen, welche innere Hürden Sie – neben der praktischen Seite von Netzwerken und Bewerbungen – gleich mit angehen können. Denken Sie immer daran, dass selbst ein Entdecktwerden günstige Seiten haben kann. Ihr aktueller Arbeitgeber würde dann unzweifelhaft wissen, dass Sie sich weiterentwickeln wollen und nicht mehr alles hinnehmen, wie es ist. Schätzt er Sie, wird er sich um Sie bemühen, eventuell ein eigenes Angebot (Beförderung, neue Aufgaben, Gehaltserhöhung) machen. Wenn nicht, ist es für Sie sowieso Zeit, sich etwas Besseres zu suchen.

 

Treffen an einem neutralen Ort möglich

Sichtbarkeit kommt immer mit dem Preis, dass nicht alle davon begeistert sein werden, und das aus den unterschiedlichsten Gründen. Aber das sollte Sie nicht davon abhalten, sich um Ihre berufliche Zukunft und Weiterentwicklung zu kümmern. Diskretion und überlegtes Auftreten empfehlen sich selbstverständlich. Fürchten Sie sich aber nicht übermäßig davor, dass Ihre Bewerbung eventuell weitererzählt wird oder man Sie vielleicht mit Führungskräften konkurrierender Medienhäuser sehen könnte. Sie dürfen selbstbewusst sein: Als Profi sind Sie mit der Branche im Gespräch und auch anderswo gefragt.

 

Geht es um Führungspositionen, ist es nicht unüblich, sich in einem neutralen Café oder Restaurant statt im Firmenhauptsitz zu treffen. Aber selbst dort sieht einen nicht selten doch zufällig ein Branchenkollege. Im Normalfall werden potenzielle neue Arbeitgeber jedoch nicht diesen Aufwand treiben wollen, sondern eher Ihre Selbstsicherheit und Ernsthaftigkeit anzweifeln, wenn Sie gar zu verängstigt auftreten. Branchenevents wie der European Publishing Congress, Preisverleihungen, Konferenzen und Diskussionen sind unverfängliche alternative Gelegenheiten, neue Kontakte zu knüpfen und dezent das eigene Interesse an einem Wechsel („möchte mich weiterentwickeln“) zu platzieren.

 

Nutzen Sie professionelle Unterstützung, lassen Sie sich also von einem Berufsberater, Karriere-Coach oder Personalvermittler („Headhunter“) begleiten, können Sie sowieso von absoluter Verschwiegenheit ausgehen. Sie gilt bereits für den Erstkontakt per E-Mail oder Telefon und wird bei einer Zusammenarbeit typischerweise auch schriftlich im Vertrag zugesichert. Ansonsten gilt: Bewerben Sie sich selbst anderswo und suchen entsprechende Kontakte, ist es recht wahrscheinlich, dass Ihr Arbeitgeber nichts davon erfährt. Aber selbst wenn, sollte Sie das nicht davon abhalten. Haben Sie Mut, schließlich geht es um Ihre Zukunft.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Warum es so wichtig ist, immer wieder neu anfangen zu können

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.