Jobs
Newsroom

Keine Idee für die eigene Zukunft: Wenn Journalistinnen und Journalisten die Lebensträume ausgehen

Keine Idee für die eigene Zukunft: Wenn Journalistinnen und Journalisten die Lebensträume ausgehen Attila Albert

Unzufrieden, obwohl es insgesamt nicht schlecht läuft: Wer sich aus einer guten Position heraus verändern will, dem fehlt oft eine bessere Idee, ein konkreter Plan und die Konsequenz, ihn umzusetzen. Mediencoach Attila Albert sagt, wie Sie Bequemlichkeit und Risikoscheu überwinden.

Berlin – Eigentlich hatte die freiberufliche Fachredakteurin alles erreicht, was sie sich erträumt hatte. Seit mehr als 20 Jahren schrieb sie für verschiedene Magazine und fand ihre Themen noch immer interessant. Sie konnte sich ihre Arbeitszeit selbst zwischen ihrem Homeoffice und dem Coworking-Space einteilen, in dem sie sich gern mit einer befreundeten freien Autorin traf. Gelegentlich arbeitete sie sogar von Südfrankreich aus, wo sie sich dann eine kleine Ferienwohnung mietete. Das Problem war nur: Ihre Kosten stiegen ständig. Ihre Einnahmen dagegen sanken, u.a. durch immer mehr Pool-Redaktionen und gekürzte Budgets.

Gelegentlich sagen mir Coaching-Klienten im Vorgespräch, dass es ihnen fast peinlich sei, ihr Problem auszusprechen: Ihnen seien die Lebensträume ausgegangen. Nur selten heißt das allerdings, dass sie unter perfekten Umständen arbeiten und leben würden. Sondern meist: Sie sind in einer guten Position, wollen oder müssen sich aber verändern (z. B. wegen sinkender Umsätze, Mehrarbeit bei stagnierendem Gehalt, fehlender Perspektiven). Nur fällt ihnen nichts Besseres ein. Keine überzeugende Idee, kein konkreter Plan, keine Motivation, ihn umzusetzen. Was tun in dieser Lage?

Klären, wie zufrieden Sie wirklich sind
Wenn Sie ein vages Unwohlsein verspüren, obwohl es Ihnen „doch eigentlich sehr gut geht“, sollten Sie zunächst für sich klären: Welche Lebensbereiche (z. B. Beruf, Finanzen, Familie, Freunde, Gesundheit, Sinnhaftigkeit) sind bei Ihnen tatsächlich nahe am Ideal – und welche nicht? Wenn Sie ein Arbeitsblatt für diese Selbstreflektion möchten, sende ich es Ihnen auf Anfrage gerne. In der Lebenslage, um die es heute geht, ergibt sich dabei fast immer:

  • Sie sind entweder mit allen Lebensbereichen recht gleichmäßig zufrieden. Dann fehlt Ihnen generell eine neue Herausforderung, danach der Mut zu mehr (kalkuliertem) Risiko. Beispiel: Eine öde, perspektivlose Stelle aufzugeben.
  • Oder Sie sind wirklich nur in ein bis zwei Lebensbereichen unzufrieden. Dann fehlt Ihnen ein konkreter Lösungsplan dafür, anschließend die Konsequenz, ihn umzusetzen. Beispiel: Ein erschöpftes Geschäftsmodell erneuern oder aufgeben.


Das klingt logisch, nachvollziehbar und erfordert keine übermenschlichen Anstrengungen. Aber wem es insgesamt nicht schlecht geht, der ist ehrlicherweise oft ein wenig träge und risikoscheu geworden. Einen neuen Lebensentwurf mitsamt der damit verbundenen Mühen angehen, obwohl man nicht mehr ganz jung ist? Typische erste Ausflüchte sind Witzeleien: („Wer Visionen hat, soll doch zum Arzt gehen“), Verschleppen („Vielleicht später einmal, wenn die Kinder aus dem Haus sind…“) und die Hoffnung, dass sich doch noch alles von selbst lösen könnte („Ich warte erst einmal ab. Das muss noch in mir reifen.“)

Motiviert, noch einmal etwas zu wagen
All das ist verständlich und geht jedem so, der lange Zeit ein recht vorhersehbares Leben geführt hat. Man will etwas verändern, aber doch auch wieder nicht. Andere Ergebnisse, aber ohne Umbrüche. Der Ausweg: eine persönliche Zukunftsvision, die insgesamt aufregender, spannender und interessanter als die gegenwärtige Lage ist. Sie kann dazu motivieren, etwas aufzugeben und wieder zu riskieren, um sich weiterzuentwickeln. Der zweite Motivator, allerdings wesentlich unangenehmer: äußerer Druck, weil Sie z. B. finanziell gezwungen sind oder bestimmte berufliche Konflikte nicht mehr aushalten.

Sehr ermutigend ist es, mit anderen zu sprechen, die bereits etwas gewagt haben. Kollegen, die im mittleren Lebensalter noch einmal den Arbeitgeber gewechselt haben, obwohl sie die Miete zahlen und Kinder versorgen müssen. Andere, die sich selbstständig gemacht haben, obwohl sie keine einzigartige Geschäftsidee und große Ersparnisse hatten. Oder an einen Ort umgezogen sind, der ihnen bessere Arbeits- und Lebensbedingungen bot. Ignorieren Sie dabei die glatte Eigen-PR auf LinkedIn, Facebook und YouTube. Suchen Sie das persönliche Gespräch für nuancierte Eindrücke und detaillierte Informationen.

Gleichzeitig sollten Sie Vorbilder und Ratgeber meiden, deren Leben selbst durch Stagnation und Risikoscheu geprägt ist. Das können manchmal durchaus die eigenen Eltern oder gute Freunde sein – wohlmeinend, aber bei diesem Aspekt nicht hilfreich. Sie werden wenig konkrete Hilfen hören, sondern nur ängstliche Warnungen („Willst du wirklich alles aufgeben, was du dir aufgebaut hast?“, „Das würde ich mir noch mal überlegen …“). Es ist nicht ehrenrührig, jahrzehntelang im gleichen Job zu bleiben und ab Ende 40 zu hoffen, bis zum Vorruhestand durchzuhalten, kostet aber ebenso Lebensglück und Chancen.

Lieber nach eigenen Bedingungen
Wenn einem die Lebensträume ausgehen, dann ist das kein peinliches Eingeständnis oder gar ein Luxusproblem. Sondern zeigt, dass Sie sich auf hohem Niveau weiter verbessern wollen – damit zu Recht überlegen, wann die Chancen die Risiken aufwiegen. Es ist gut, dankbar für das Erreichte zu sein. Aber ebenso, sich danach neue Ziele zu setzen und wieder herauszufordern. Wer selbst zu lange damit wartet, erlebt meist, dass dann eben andere oder die Umstände das erzwingen (z. B. eine Umstrukturierung, neue Mitarbeiter bzw. Konkurrenten). Dann doch lieber selbstbestimmt und zu eigenen Bedingungen.

Im Rückblick relativiert sich der Blick sowieso oft. Die jetzige, angeblich perfekte Situation sieht, hat man erst einmal etwas Besseres erreicht, doch weniger rosig aus. Dann geht man vielleicht am Bürogebäude des ehemaligen Arbeitgebers vorbei und fragt sich: „Wieso habe ich damals nur so lange gezögert?“ Denkt an das frühere Geschäftsmodell und weiß: „Von manchem Kunden hätte ich mich schon viel früher abschieden müssen.“ Gehen Sie verantwortungsbewusst, geplant und entschlossen vor, müssen Sie wenig fürchten. Sie werden zwar nie genau wissen, was die Zukunft bringt, können aber sicher sein, damit umgehen zu können.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Glücklich sein, auch wenn die Zeiten schwierig sind

 

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

Top Meldungen aus Jobs