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Mobbing am Arbeitsplatz: Wie lange durchhalten, wann freiwillig gehen?

Mobbing am Arbeitsplatz: Wie lange durchhalten, wann freiwillig gehen? Attila Albert

Mancher Medienprofi entzieht sich Konflikten mit dem Vorgesetzten oder mit Kollegen durch möglichst viel Homeoffice, Urlaube und manchmal sogar durch monatelange Krankschreibung. Aber das ist keine Dauerlösung. Karrierecoach Attila Albert sagt, wann es Zeit für einen Wechsel ist.

Berlin – Als die ersten Unternehmen begannen, die Homeoffice-Regelungen aus den Corona-Jahren wieder zu reduzieren, war das für viele Medienprofis ärgerlich. Oft aus praktischen Gründen: Sie mussten wieder den täglichen Berufsweg auf sich nehmen und konnten nicht mehr so leicht eine private Erledigung dazwischenschieben. Doch einige, die vorher beruflich nicht glücklich waren, hatten dabei auch festgestellt: Sie mochten ihre Arbeit. Bestimmte Chefs oder Kollegen waren das Problem. Sahen sie diese nicht täglich, ging es ihnen besser.

 

Der enorme Anstieg von Krankmeldungen wegen psychischer Probleme zeigt, dass sich viele Berufstätige derart Konflikten am Arbeitsplatz entziehen. Aufschlussreich ist dazu eine Studie der Schweizer Versicherung Swica, die ergab: 85 Prozent aller Krankschreibungen wegen psychischer Probleme sind aus medizinischer Sicht leichte Fälle und betreffen nur die Arbeit mit keiner Beeinträchtigung anderer Lebensbereiche. 57 Prozent sind direkt „Konflikten, Kränkungen oder Frustrationen” am aktuellen Arbeitsplatz zuzurechnen.

 

So verständlich dieser Weg ist, löst er nicht das zugrunde liegende Problem. Stattdessen verursacht er unnötige Therapiekosten, die die Versicherten über ihre Beiträge indirekt doch selbst bezahlen. Zudem gehen oft Jahre verloren, in denen sich die Situation mit dem Arbeitgeber weiter verschlechtert, während man längst woanders besser aufgehoben sein könnte. Aber immer dabei stellt sich die Frage: Wann lohnt es sich, um die aktuelle Stelle zu kämpfen – und wann ist es sinnvoller, sich nach einem neuen Job umzusehen?

 

Neutrale Einschätzung einholen
Mobbing (englisch für: Zusammenrottung) steht für das wiederholte Schikanieren, Quälen und Verletzen eines Einzelnen durch eine Gruppe. Am Arbeitsplatz sind das typischerweise der direkte Vorgesetzte und Teamkollegen, die auf seiner Seite stehen. In einer Umfrage von Statista und YouGov gaben 29 Prozent an, schon selbst Mobbing erlebt zu haben. 17 Prozent hätten es bei Vorgesetzten oder Kollegen beobachtet. Dabei handelt es sich aber um Selbsteinschätzungen, also rein subjektiv und oft sehr emotional geprägt.

 

Für Außenstehende ist kaum zu beurteilen, was sich wirklich im Unternehmen abspielt. Daher sind Partner und Freunde hier, obwohl wohlmeinend, oft nur wenig hilfreich. Sie können zwar zuhören und trösten, kennen aber immer nur eine Seite und haben praktisch keinen Einfluss auf die Geschehnisse. Den Betroffenen, die sich meist sehr persönlich angegriffen, bedroht und verletzt fühlen, fällt die Unterscheidung schwer: Was ist noch ein schwieriger, aber nachvollziehbarer Konflikt – und was ist bereits Mobbing?

 

Gelegentlich helfen Notizen, um bestimmte Ereignisse, Abläufe und Gespräche festzuhalten und später noch einmal zu überdenken. Solche Gedankenprotokolle können auch helfen, falls man sich mit seinem Arbeitgeber einmal rechtlich auseinandersetzen muss. Vor allem aber sind neutrale, kompetente Gesprächspartner (z. B. Mentor, Anwalt, Coach) wichtig, idealerweise mit einer gewissen Branchenkenntnis. Manchmal lautet die Antwort dann: „Nein, es liegt nicht nur an den anderen. Du hast hier auch einen bestimmten Anteil.‟

 

Unterschiedlicher Umgang mit Konflikten
Gelegentlich liegt objektives Fehlverhalten auf einer oder beiden Seiten vor, häufiger aber: Es passt einfach nicht, sei es von den fachlichen oder persönlichen Erwartungen her oder kulturell. Dabei hängt es auch stark von der mentalen Verfassung ab, wie konstruktiv jemand mit Konflikten am Arbeitsplatz umgeht. Ob er sich aus Angst und Hilflosigkeit zurückzieht oder stattdessen einen gesunden Kampfgeist entwickelt und sich wehrt – oder vor allem ausweicht (Homeoffice, Urlaub, Krankschreibung), aber nichts wirklich ändert.

 

Wie lange sollte man bei Mobbing durchhalten? Hier könnten Betroffene zwei Ebenen unterscheiden. 1. Können Sie Ihre Arbeit noch ausreichend gut erledigen? Wenn nein, sollten Sie innerhalb von drei bis sechs Monaten wechseln, weil Sie Ihren Pflichten faktisch nicht mehr nachkommen können, wenn man Sie sabotiert oder von wichtigen Konferenzen ausschließt. 2. Sind Sie noch glücklich in diesem Job? Wenn nicht, sollten Sie noch maximal ein bis zwei Jahre bleiben. Hier geht es um Ihre Zufriedenheit und Lebensqualität.

 

Nur begrenzt warten, bis es sich selbst löst

Was andere denken, wenn sie etwa raten, „nicht aufzugeben, was du dir aufgebaut hast‟, sollte für Sie nachrangig sein. Sie müssen mit Ihrer Arbeit, dem Chef und den Kollegen leben, nicht andere. In einzelnen Fällen kann Abwarten sinnvoll sein, wenn nämlich ein Führungswechsel oder eine Umstrukturierung absehbar sind und Sie eventuell davon profitieren würden. Aber darauf sollten Sie nicht länger als sechs bis neun Monate warten, keinesfalls Jahre. Grund: Sie werden schwächer, und Ihre Chancen anderswo sinken.

 

Wie so oft empfiehlt es sich, bei Konflikten am Arbeitsplatz frühzeitig aktiv zu werden. Dann lässt sich eventuell noch eine Stimmungsumkehr erreichen, ist auch die eigene Verfassung noch besser. Haben sich die Fronten bereits verhärtet, bleibt oft nur noch, einen internen Wechsel oder eine Aufhebungsvereinbarung – idealerweise mit einer Abfindung – auszuhandeln. Das kann zwar erst einmal ein traumatisches Erlebnis sein, erlaubt aber, sich wieder zu sammeln und an passenderer Stelle neu anzufangen.

 

Im Rückblick ist man auch offener für eine tiefergehende Reflexion: Wie kam es wirklich zu diesem Konflikt – was hat man damals übersehen, was hätte man anders machen können? Das heißt nicht, ein Versagen einzuräumen, sondern häufig: Warnzeichen eher ernst zu nehmen, die es manchmal schon im Vorstellungsgespräch gab. Manchmal kann man dem verhassten Chef oder Kollegen dann sogar verzeihen und ohne weitere Reue seinen Berufs- und Lebensweg fortsetzen: Es passte nicht, aber das ist nun vorbei.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Streit mit Kollegen

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

 

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