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Realistisches Selbstbild: So erkennen Medienprofis ihre Stärken und ihr Potenzial

Realistisches Selbstbild: So erkennen Medienprofis ihre Stärken und ihr Potenzial Attila Albert

Wer weiß, wer er wirklich ist, kann seine Stärken gezielt zum eigenen Vorteil einsetzen und gleichzeitig sein Potenzial entwickeln, nämlich an erkannten Schwächen arbeiten. Mediencoach Attila Albert über Wege, sich selbst realistisch einzuschätzen und dadurch weiterzuentwickeln.

Berlin – Ein Ressortleiter kam irritiert aus einem Vorstellungsgespräch. Er hatte fachlich überzeugt und gute Ideen, das war ihm direkt bestätigt worden. Trotzdem bestanden Zweifel. „Sie sind ja sehr dynamisch”, sagte einer der Teilnehmer, aber es klang nicht wie ein Kompliment. „Auf das Team könnte das einschüchternd wirken.” Ein anderer fragte skeptisch: „Wollen Sie wirklich zu uns? Sie können hier nicht alles ändern.” Der Bewerber bestätigte eilig, sich auch einfügen zu können. Trotzdem kam eine Woche später eine Absage. Seitdem zweifelte der Ressortleiter an sich: Nahmen ihn andere als zu dominant, gar als übergriffig wahr?


Es schmerzt, sich von anderen falsch eingeschätzt und missverstanden zu fühlen, dadurch Chancen nicht nutzen zu können. Ein realistisches Selbstbild hilft Ihnen, Ihre erkannten Stärken zu Ihrem Vorteil einzusetzen und gleichzeitig Ihr Potenzial zu entwickeln, nämlich an erkannten Schwächen zu arbeiten. Das ist auf zweifache Weise günstig für die entscheidenden Momente des Lebens (im Beruf z. B. bei Bewerbungen, Präsentationen und Verhandlungen, im Privaten z. B. bei Lebensentscheidungen und beim Dating). Sie wählen sicherer aus, was wirklich zu Ihnen passt – und sind dadurch erfolgreicher.

 

Jedem wird es einleuchten, dass ein realistisches Selbstbild wertvoll ist. Trotzdem will mancher es lieber nicht so genau wissen: Welche Mängel kommen da möglicherweise zur Sprache, die man bisher (vermeintlich) gut verborgen hat? Doch die verständliche Sorge, durch unbedachte Kommentare noch weiter verletzt zu werden, sollte nicht dazu führen, lieber gar nicht nach Feedback zu fragen – oder nur noch Ja-Sager um sich zu scharen, wie es eigentlich ängstliche, unsichere Führungskräfte immer wieder tun.

 

Nicht Meinungen, sondern qualifiziertes Feedback
Für ein realistisches Selbstbild können Sie objektive Tests, etwa ein professionelles Persönlichkeits- und Verhaltensassessment, nutzen. Fragen Sie zusätzlich andere gelegentlich nach Feedback, wenn sie drei Bedingungen erfüllen: Kompetenz, keine Interessenkonflikte, Empathie. Es nützt Ihnen nichts, wenn Ihnen Ihr Partner bestätigt, dass Sie großartig sind und längst hätten befördert werden müssen. Er liebt sie, kennt aber die Branche möglicherweise gar nicht. Zweifelhaft ist auch das Feedback eines direkten Chefs, dem es eventuell nur darum geht, dass Sie mehr für das Unternehmen leisten.

 

Nicht zuletzt braucht es jemanden, der Ihnen zwar klar sagt, wie Sie wirken – aber so, dass Sie es annehmen können. Selbstverständlich hört es niemand gern, wenn ein anderer sagt, dass man an seiner Fachkompetenz oder am Auftreten arbeiten müsste. Kommt diese Rückmeldung aber von einer fachkundigen, empathischen Person, verständnisvoll und aufmunternd ausgedrückt, vielleicht sogar mit praktischen Tipps verbunden, können Sie damit arbeiten. Dann haben Sie Klarheit, wissen aber auch, wie es besser geht.

 

Sich selbst zu erkennen, hat viele Dimensionen: Wer sind Sie wirklich, was wollen und können Sie? Was sehen andere in Ihnen, erwarten oder erhoffen sich von Ihnen? Da es im Berufsleben aber nicht um philosophische Lebensfragen geht, empfiehlt sich für diesen Zweck eine pragmatische Aufgliederung: Wie steht es um Ihre Fachkompetenz, Ihre sozialen Fähigkeiten und Ihr allgemeines Auftreten?

 

Fachliche Kompetenz: Konkrete Erfolge auflisten
Fachliche Kompetenz misst sich langfristig nicht in Abschlüssen und Zertifikaten, auch wenn sie eine erste Grundlage der Beurteilung darstellen. Entscheidend sind nach einigen Berufsjahren die praktischen Ergebnisse, damit die Relevanz Ihrer Arbeit. Tragen Sie dazu bei, die Probleme Ihres Arbeit- bzw. Auftraggebers zu lösen? Könnten Sie – je nach Ihrer Tätigkeit – herausragende redaktionelle Beiträge, erfolgreich umgesetzte Projekte, bedeutsame Auszeichnungen, Auflagen-, Audience- oder Umsatzsteigerungen vorweisen? Schon für Ihren Lebenslauf und LinkedIn ist es sinnvoll, das einmal genau aufzulisten. Aber Sie haben damit auch objektive Kriterien für Ihre Selbsteinschätzung.

 

Soziale Fähigkeiten: Branchen-Netzwerk bewerten
Selbst die beste Fachkenntnis greift nicht, wenn Sie nicht mit anderen interagieren können, denn auf andere sind Sie immer angewiesen. Wie gut verstehen Sie sich mit Kollegen, Vorgesetzten, Geschäftspartnern und weiteren Kontaktpersonen? Kennt man Sie in anderen Medienhäusern, wie oft gehen Sie zu Branchen-Events? Auch hier können Sie auf objektive Kriterien zurückgreifen: Was Sie etwa in Mitarbeiter- und Prämien-Gesprächen hören, wie oft Sie Branchenkollegen im laufenden Jahr getroffen haben, ob man Sie auch einmal kontaktiert hat (z. B. als Veranstaltungsgast oder für ein Stellenangebot). Sieht es hier noch schwach aus, ist das kein Drama, sondern zeigt Ihnen ungenutzte Chancen.

 

Allgemeines Auftreten: Rückmeldung erfragen
So gerne man allein auf die inneren Werte schauen würde, ist das allgemeine Auftreten doch ebenso entscheidend. Werden Sie als professionell und angenehm, einnehmend und verbindlich wahrgenommen? Wirken Sie gepflegt, angemessen gekleidet und mit entsprechenden Manieren? Hier ist es wichtig, jemanden zu fragen, der Ihnen auch dezent sagen darf, was Sie eigentlich lieber nicht hören wollen: „Du drehst dich beim Reden immer vom Publikum weg”, „wenn du unsicher bist, sagst du ständig ,ich sag mal …’”, „du brauchst einen neuen Haarschnitt”, „für die Position wäre elegantere Kleidung angemessen”. All das sind Äußerlichkeiten, die andere aber als Ausdruck Ihres Wesens einordnen.

 

Gelegentlich wünschen sich Medienprofis, die sich umorientieren wollen, eigentlich eine klassische Berufsberatung. Sie wird z. B. auch von den Arbeitsagenturen angeboten, ist aber nur selten sinnvoll. Wer jahrelang gearbeitet hat, weiß meist bereits, welche Aspekte seiner bisherigen Tätigkeit (z. B. Recherchieren, Schreiben, Filmen) er weiterführen oder ausbauen möchte und welche nicht mehr. Ein realistisches Selbstbild kann hier helfen, die eigenen Fähigkeiten kritisch zu beurteilen – insbesondere, ob Sie ausreichende Kompetenzen, die Konsequenz und Disziplin für einen radikalen Wechsel hätten.

 

Es ist manchmal ernüchternd, wenn das eigene Selbstbild von anderen korrigiert wird, wenn auch hoffentlich auf behutsame, konstruktive Weise. Bei anderen Gelegenheiten werden Sie überrascht, sogar gerührt sein: Andere sehen mehr in Ihnen als Sie selbst. Wenn Sie wiederholt feststellen müssen, dass Sie Ihre Ideen und Projekte nicht umsetzen können oder unerwünschte Redaktionen anderer erleben, lohnt die Selbsterforschung: Woran liegt es, dass mich Sie so sehen, wie Sie sich selbst nicht wahrnehmen? Die Antwort wird Sie zuerst vielleicht überraschen oder nachdenklich machen, dann aber sehr weiterhelfen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Besser organisiert

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.