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Wichtiger Ausgleich zum Job: Freunde finden, auch wenn die Zeit knapp ist

Wichtiger Ausgleich zum Job: Freunde finden, auch wenn die Zeit knapp ist Attila Albert

Gerade Medienprofis im mittleren Lebensalter fehlen oft Zeit und Gelegenheiten für Freundschaften. Dabei sind sie wichtig für ein ganzheitliches Leben. Karrierecoach Attila Albert über die Gründe und Auswege.

Berlin – Im Zeitalter der pausenlosen Kommunikation, beruflich wie privat, ist es erstaunlich, wie viele Menschen sich einsam fühlen. Sie haben meist hunderte Kontakte in den sozialen Medien, sitzen in ihrer Freizeit aber oft mit ihrem Handy allein daheim. Doch Freunde sind – neben einer Partnerschaft und Familie – wichtig für ein ganzheitliches, gelungenes Leben. Freundschaften sind ein wichtiges Gegengewicht zu Beruf, Beziehung und Familie. Sie erlauben Auszeiten von diesen Lebensbereichen und tragen einen, wenn es da mal nicht so gut läuft. Deshalb sollte der eigene Freundeskreis auch nicht vor allem aus aktuellen Arbeitskollegen bestehen oder der Partner auch der einzige enge Freund sein.

 

Gute Freunde sind persönlich interessant, man lernt voneinander und gemeinsam, hat eine schöne Zeit und Spaß zusammen. Gleichzeitig brauchen sie Zeit und Aufmerksamkeit, die nach den Jugendjahren (Uni, Volontariat, Berufseinstieg) knapp wird, aber auch soziale Kompetenz, die durch die Digitalisierung von Beziehungen – E-Mails, Chats – heute weniger geübt ist. Manche Medienprofis schätzen auch privat den Austausch über Branchenthemen, andere wünschen sich für ihre Freizeit das exakte Gegenteil, also Freunde aus anderen Branchen. Wie aber welche finden und behalten, wenn man nicht mehr ganz jung und eigentlich schon voll ausgelastet ist? Dazu einige Anregungen.

 

Zu einer persönlichen Priorität machen
In der Kindheit und Jugend lernt man andere fast ohne eigene Mühe kennen und freundet sich miteinander an. Das ändert sich nach einigen Berufsjahren, typischerweise ab Anfang bis Mitte 30: Man kümmert sich nun vor allem um seine Karriere und zieht für einen guten Job vielleicht auch um, zieht mit jemandem zusammen, heiratet und gründet eine Familie. Die früheren Freunde geraten aus dem Blickfeld, die bisherigen Gelegenheiten, neue kennenzulernen (z. B. Sportverein, regelmäßig in Clubs oder Bars), entfallen. Wer nun Freunde finden und behalten möchte, muss das zu einer persönlichen Priorität machen: Sich bewusst dafür entscheiden und entsprechend handeln, wenn es passieren soll.

 

Feste Zeiten für Freunde einplanen
Die beruflichen und privaten Aufbaujahre sind ereignisreich und anstrengend. Da ist schnell immer etwas anderes wichtiger als die Freunde. Mal muss man noch dringend etwas für die Arbeit fertigmachen, mal ist das Kind krank, mal beklagt sich der Partner, dass man „nie Zeit für ihn‟ habe und man bleibt deswegen lieber daheim. Die regelmäßigen Treffen mit den Freunden werden seltener, die ausgetauschten Nachrichten oberflächlicher, weil man ja nichts mehr miteinander erlebt. Wer das anders will, muss das einplanen: Reservieren Sie in Ihrem Wochenplan konsequent feste Zeiten für vorhandene und neu zu findende Freunde (z. B. ein Abend, 19 bis 22 Uhr, pro Woche plus ein Samstag pro Monat).

(Selbstverständlich muss der Beruf einem Zeit für ein Privatleben lassen. Mehr zu diesem Thema in meinem aktuellen Ratgeber „Ich brauch keinen Purpose, sondern Geld‟).

 

Geteilte Interessen verbinden
Manche Freunde gehen einfach nur regelmäßig miteinander essen oder etwas trinken und unterhalten sich. Andere verabreden sich zum Sport, zu Museums- oder Konzertbesuchen, sehen sich im Verein, unternehmen Spaziergänge, lernen gemeinsam eine Fremdsprache oder arbeiten an einem Projekt, das beide interessiert. Geteilte Interessen sind der beste Weg, Freunde zu finden und zu halten. So können Sie mehrere Aktivitäten miteinander verbinden, sparen also Zeit, und haben immer etwas, mit dem Sie sich gemeinsam beschäftigen und worüber Sie reden können. Schauen Sie sich also vor allem dort nach neuen Freunden um, wo Sie sowieso gern sein wollen (z. B. Verein, Initiative, Hobby).

 

Ehrlich sein, Nähe zulassen
Bekannte können zu Freunden werden, wenn man sich gegenseitig Nähe erlaubt: Sich also zeigt, wie man wirklich ist, bei ihnen ausspricht, was einen tatsächlich beschäftigt und was man denkt. Beim ersten Kennenlernen wäre das unklug und auch ein wenig unhöflich, aber schrittweise sollte man es grundsätzlich bei ausgewählten Menschen wagen. Anfangs sind Gespräche immer oberflächlich („Smalltalk‟), sollten es aber nicht bleiben. Stellen Sie dafür offene, interessierte Fragen, verkneifen Sie sich ständige Urteile, sondern schauen Sie lieber, was Sie von anderen und deren Weltsicht lernen können. Achten Sie aber umgekehrt auch darauf, ob der andere auch nachfragt und damit ebenso Interesse zeigt.

 

Fragen Sie einen sympathischen Arbeitskollegen, mit dem Sie sich gern anfreunden würden, beispielsweise nicht immer wieder nur: „Wie war dein Wochenende?‟ Oder: „Wie geht’s?‟ Sondern hören Sie beim ersten Mal aufmerksam zu und stellen Sie danach darauf bezogene Nachfragen, die Sie tatsächlich interessieren. Er hat von seinem Garten erzählt? „Wie entwickeln sich denn deine Rosen? Ich wollte das auch mal auf dem Balkon probieren. Welche Sorte würdest du empfehlen?‟ Er ist ein Freizeitläufer? „Nutzt du eine Tracking-App? Ich habe auch schon überlegt, ob ein Laufplan sinnvoll wäre.‟ Schon sind Sie in einem echten, bald freundschaftlichen Gespräch und verabreden sich vielleicht sogar in der Freizeit.

 

Viele Gelegenheiten für Freundschaften
Ihr Angebot für eine Freundschaft ist zunächst einmal einseitig. Der andere kann es annehmen oder nicht, Sie können es nicht erzwingen. Vielleicht bleibt es bei einem lockeren Kontakt oder einer Bekanntschaft, vielleicht wird später mehr daraus. Wenn Sie in Ihrem Leben aber grundsätzlich wie oben beschrieben vorgehen, also eigene Interessen und Hobbys mit anderen pflegen, sich allzu viel Selbstdarstellung verkneifen und nicht nur über Banalitäten reden, werden sich immer wieder neue Gelegenheiten auftun. Nach einiger Zeit muss man sich dann auf ausgewählte Menschen konzentrieren: 3-4 enge Freunde sind realistisch, dazu ein weiterer Freundeskreis von etwa einem Dutzend.

 

Positive Gemeinsamkeiten pflegen
Es gibt auch Freundschaften, die auf negativen Aktivitäten beruhen: Sich etwa regelmäßig gemeinsam betrinken (eher ein Männerthema), zusammen über andere schimpfen oder lästern. Auch sie erfüllen bestimmte Bedürfnisse, sollten aber Anlass sein, dafür bessere Wege und damit eventuell auch andere Freunde zu finden. Hier hilft ebenso der Fokus auf Menschen, die positive eigene Interessen teilen. Beispiel: Ihre engsten Freunde sind bisher ebenfalls unzufriedene Kollegen, mit denen Sie sich regelmäßig nach der Arbeit in einer Kneipe darüber aufregen, was im Unternehmen alles falsch läuft. Konzentrieren Sie sich stattdessen z. B. auf eine Weiterbildung und freunden Sie sich dort mit Teilnehmern an, die sich ebenfalls weiterentwickeln wollen. Das bringt Sie dann auch persönlich weiter.

 

Zur vergangenen Kolumne: Neuer Job – So gelingt der Wechsel gegen alle Widerstände

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

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