Medien
kress.de / Attila Albert

Erfolgreich bewerben: Warum „viel Erfahrung‟ kein gutes Argument ist

Erfolgreich bewerben: Warum „viel Erfahrung‟ kein gutes Argument ist Mediencoach Attila Albert (Foto: Tyler Ramsey)

Medienprofis im mittleren Alter machen bei ihren Bewerbungen oft einen entscheidenden Fehler: Sie argumentieren mit ihrer großen Erfahrung. Nur ist das für viele Arbeitgeber heute gar nicht mehr wichtig oder sogar ein Nachteil. Karrierecoach Attila Albert über Gründe und Auswege.

Regelmäßig kommt es vor, dass mich Medienprofis bei der Neuorientierung bitten, einmal gemeinsam ihre Außendarstellung anzuschauen: Bewerbungsschreiben und Lebenslauf, LinkedIn-Profil, eventuell die persönliche Webseite. Dabei geht es um einen zeitgemäßen Aufbau und Stil, aber auch um die persönliche Positionierung: Warum sollte ein Arbeit- oder Auftraggeber bevorzugt mit Ihnen zusammenarbeiten wollen? Was sind Ihre konkreten Argumente, dass Sie besser als andere, häufig jüngere Bewerber passen würden?

Medienprofis ab dem mittleren Alter (ca. 40) machen hier oft einen entscheidenden Fehler: Sie stellen vor allem darauf ab, dass sie „viel Erfahrung‟ haben. Ihr Lebenslauf listet stolz berufliche Stationen und Aufgaben aus zwei oder drei Jahrzehnten auf. Das Anschreiben fasst sie noch einmal zusammen. Dann geht die Stelle aber an jemanden, der 15 Jahre jünger, damit unbestreitbar weniger erfahren ist. Das sorgt für Verärgerung und Frust bei der Stellensuche, schließlich für Resignation, wenn sich das ständig wiederholt.

 

Arbeitgeber haben heute andere Prioritäten

 

Für die Betroffenen ist es verständlicherweise ernüchternd und empörend, dass ihre Berufs- und Lebenserfahrung nicht mehr viel zählt. Typischer Fall: Ein Ressortleiter um die 50 geht. Die Stelle geht nicht an den 45-jährigen Bewerber, sondern an eine 35-jährige. Sie hat viel weniger Erfahrung, möglicherweise nur wenige Jahre nach einem ausgedehnten Studium, aber sie bekommt die Stelle. Darüber darf man sich anfangs ärgern und sich gelegentlich wünschen, dass es wieder wie früher sein sollte. Das allein ist aber zu wenig.

Ein Arbeitgeber sieht in solch einer „erfahrungsorientierten‟ Bewerbung vieles, das sich inhaltlich oder technologisch überholt hat. Manche frühere berufliche Station, die darin aufgeführt wird, hat längst ihr Prestige verloren oder existiert gar nicht mehr. Bald denkt der HR-Manager: Zu alt (dabei soll das Team jünger werden), zu teuer (dabei sollen die Kosten sinken), gedanklich festgefahren (dabei braucht es neue Ideen), gar störrisch (dabei will der Chef durchregieren). Der jüngere Bewerber wird sich schon einarbeiten.

 

Zeitgemäßes Profil statt Nostalgie

 

Die Medienprofis im mittleren und höheren Lebensalter sehen sich damit widersprüchlichen Anforderungen gegenüber. Der Gesetzgeber verschiebt die Lebensarbeitszeit in Richtung 70, während die Arbeitgeber die „Senior-Positionen‟ heute an Mittdreißiger vergeben – und sie stehen verloren in der Mitte. Was tun? Hier einige Anregungen.

 

  • Prüfen Sie, ob Ihr Verständnis des Arbeitsmarktes zeitgemäß ist, also den heutigen Realitäten entspricht. Fachkundiges Feedback zeigt Ihnen, ob es das, was Sie suchen, überhaupt noch gibt, Ihre Unterlagen und Aktivitäten passen.
  • Verbieten Sie sich nostalgische Sentimentalität („Ich weiß noch, wie wir das damals gemacht haben‟, „Das waren noch Zeiten‟). Gelegentliche Erinnerungen an früher dürfen sein, aber als Medienprofi müssen Sie im Heute verortet sein.
  • Erwähnen Sie „viel Erfahrung‟ nur für Positionen oder Aufgaben, bei denen das einen besonderen Vorteil darstellt und erkennbar gesucht wird. Beispiel: Sie gehen in die Krisenberatung, wo es hilft, alles schon einmal mitgemacht zu haben.
  • Leiten Sie aus Ihrer Erfahrung konkrete Vorteile ab, die heute relevant sind. Beispiel: Sie können auch Strategie- und Konzeptarbeiten übernehmen, sind routiniert und zuverlässig auch unter Stress, bringen ein starkes Netzwerk mit.
  • Streichen Sie aus Ihren Unterlagen, was heute keine Rolle mehr spielt oder Sie recht alt klingen lässt. Beispiel: Dass Sie vor 20 Jahren einen „Multimedia-Kurs‟ besucht haben. Da darf man heute spezialisiertere Kenntnisse erwarten.
  • Bei Jahresangaben dürfen Sie dezent abrunden. „Mehr als 15 Jahre in Regional- und Lokalredaktionen‟ klingt ein wenig frischer und ist immer noch korrekt, als wenn Sie direkt mitteilen, dass Sie z. B. schon 23 Jahre im gleichen Bereich sind. 
  • Überprüfen Sie gelegentlich auch Ihren Look: Haarschnitt, Styling, Kleidung und Accessoires. Vom Bewerbungsfoto bis zu Ihrem Outfit beim Bewerbungsgespräch sollte es nicht so aussehen, als wären Sie vor 20 Jahren stehengeblieben.

Wechsel auch im höheren Alter möglich

 

Aus der Erfahrung mit Klienten kann ich bestätigen, dass auch im mittleren und höheren Alter noch spannende Wechsel, neue Chancen und Aufstiege möglich sind. Aber sie sind anspruchsvoller, erfordern mehr Zielstrebigkeit, Flexibilität und Hartnäckigkeit. Auch hier muss die „lange Erfahrung‟ konkrete Vorteile zeigen, um einen Wert zu haben. Wer schon viel gesehen und bewältigt hat, sollte schlauer, zäher und entschlossener als in jungen Jahren sein. Dann hat man auch bei jüngerer Konkurrenz gute Chancen.

Keine Selbstdarstellung – Anschreiben, Lebenslauf, LinkedIn – kann Ihre Persönlichkeit und Ihren Lebensweg in allen Facetten abbilden. Das ist auch nicht ihr Zweck. Es geht nicht um Vollständigkeit, sondern um zielorientierte Relevanz: Sie wollen damit erst die Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen, dann die neue Stelle. Überlegen Sie also, welche schlüssige, interessante Geschichte Sie von sich erzählen können: Wer Sie heute sind, was Sie dahin geführt hat, was Sie vorhaben und anbieten können.

 

Zum Autor: 

 

Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org