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Anstrengende Chefs und Kollegen: So wehren Sie sich gegen Nervensägen im Job

Anstrengende Chefs und Kollegen: So wehren Sie sich gegen Nervensägen im Job Attila Albert

Jammerer, Rechthaber und Selbstdarsteller: Am Arbeitsplatz hat man immer auch mit Menschen zu tun, mit denen nicht so leicht auszukommen ist. In Krisenzeiten belasten sie einen noch zusätzlich. Mediencoach Attila Albert sagt, mit welchen Strategien Sie sich am besten wehren.

Berlin – Es gibt kein Medienhaus und keine Redaktion ohne einige Vorgesetzte und Kollegen, die man nur mit größter Geduld aushalten kann. Wo Menschen zusammenkommen, die sich privat nie gesucht hätten, sind gelegentliche Spannungen unvermeidlich. Ein Teammitglied jammert vielleicht ständig, drückt sich dabei aber regelmäßig vor der Arbeit. Ein Ressortleiter ist eventuell ein verbissener Rechthaber. Der Vorstand gibt sich auf LinkedIn weltverbesserisch, drückt aber intern die Gehälter und kürzt weiter Stellen.

 

An guten Tagen kann man großzügig sein, sich das schönreden und in den schlimmsten Nervensägen noch liebenswerte Originale sehen, die nur „nicht ganz einfach“ sind. An schlechten Tagen allerdings, wenn man selbst überfordert, zerfahren und müde ist, belasten sie zusätzlich. Während so viel zu erledigen wäre oder man sich einfach nur gern mehr ausruhen würde, soll man sich stattdessen in sie hineindenken, alles verstehen, bestätigen und sich nach ihnen ausrichten. Das braucht so viel Zeit und Kraft.

 

Die vergangenen Jahre waren für die meisten von uns davon geprägt, beruflich wie privat: Viele schwierige Verhaltensweisen bei anderen, erschöpfende Diskussionen, persönliche Konflikte (z. B. nach politischen Streitereien). Gesamtbilanz: Anstrengend. Aber natürlich kann man nicht ständig die Stelle oder den Arbeitgeber wechseln bzw. sich als Freiberufler nicht immer neue Kunden suchen. So gilt es, mit schwierigen Menschen umgehen zu lernen. Darum geht es in meinem neuen Buch „Sorry, ihr nervt mich jetzt alle!“

 

Enges Großraumbüro, höhere Anforderungen

Verändert haben sich schon die äußeren Umstände. Die Städte sind voller geworden, was jeder auf Wohnungssuche und im Berufsverkehr spürt. Man rückt zwangsweise näher zusammen. Gleichzeitig ist die Gesellschaft individualistischer geworden. Jeder erwartet persönliche Rücksichtnahmen, ist aber weniger gewillt, sie anderen zu gewähren. Statt im Zweier- oder Viererbüro arbeiten die meisten längst im engeren, lauteren Großraumbüro. Im Schnitt haben Büromitarbeiter heute 30 Prozent weniger Platz als vor 15 Jahren.

 

Dazu sind wir durch E-Mails und Chats ständig erreichbar, durch verdichtete Arbeitstage und immer höhere Ziele stärker belastet. All das führt dazu, dass wir schneller genervt sind. Im Umgang mit anderen sind dazu viele heute unbeholfener und erwarten gleichzeitig unrealistisch viel. Auch das nun übliche lange Alleinleben – damit ohne das soziale Korrektiv durch ein Gegenüber – und verstärkte digitale Kommunikation haben ihren Anteil. Der geringere Stellenwert von Höflichkeit, Respekt und Manieren fördert Konflikte zusätzlich.

 

Für jeden Nervensägen-Typ eine Strategie

Häufig nerven allerdings gar nicht unbedingt diejenigen am meisten, deren Werte, Überzeugungen und Gewohnheiten man nicht teilt, so erbittert manche Diskussionen von Coronapolitik bis Ukrainekrieg auch sein kann. Sondern eher diejenigen, deren Verhalten man negativ interpretiert, auch wenn es gar nicht so gemeint war. Beispiel: Ein besonders kritischer Chef zweifelt möglicherweise gar nicht an Ihren Fähigkeiten, obwohl Sie das annehmen, sondern hat vor allem Angst, dass für ihn etwas schiefläuft.

 

Ich habe sieben Nervensägen-Typen definiert, die jedem im Job begegnen: Jammer, Rechthaber, Zögerer, Helferseelen, Problemlöser, Weltverbesserer und -erklärer. Sie nerven auf unterschiedliche Weise, und es braucht entsprechende Strategien, um sich effektiv zu wehren. Beispiel: Einen Rechthaber „auf die Sachebene“ ziehen zu wollen, funktioniert nicht. Dafür ist er in dem Moment selbst zu aufgewühlt und hört nur halb zu. Laute Widerworte würden nur dazu führen, dass der Streit noch weiter eskaliert.

 

Ewige Jammerer sollten Sie stattdessen nicht mehr ständig trösten oder helfen. Gewöhnen Sie sich an, die Klagen zu überhören. Ermutigen Sie dazu, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und kleine, schrittweise Verbesserungen auszuprobieren. Verbissenen Rechthabern könnten Sie gelassen deren Ansichten bestätigen, ohne sie sich zu eigen zu machen. Konzentrieren Sie sich besser auf Ihre persönliche Unabhängigkeit (z. B. durch verstärkte Bewerbungen, Netzwerken), um selbstbestimmter auftreten zu können.

 

Von übermotivierten Problemlösern könnten Sie sich abschauen, was für Sie sinnvoll ist (z. B. bestimmte Arbeitsmethoden, Organisationstechniken, Werkzeuge). Teilen Sie aber gleichzeitig mit, was Sie derzeit nicht aufnehmen und verarbeiten können. Das wird auch verstanden werden. Selbstgerechte Weltverbesserer messen Sie am besten an den selbsterklärten hohen Ansprüchen und ziehen sie in die praktischen Schwierigkeiten und Folgen ihrer Ideen hinein. Das zwingt sie zu mehr Pragmatismus und Kompromissen.

 

Empathie, aber auch Grenzen setzen

Der langfristig beste Weg ist dabei immer, die Motive Ihres Gegenübers zu verstehen versuchen, auch wenn Sie wegen ihm gerade frustriert sind oder sich ärgern. Häufig geht es gar nicht um Sie, sondern Ihr Chef oder Kollege ist nur gedankenlos – oder hat eigene unerfüllte Bedürfnisse, etwa nach mehr Anerkennung und Bestätigung. Mit Empathie verstehen Sie ihn besser, auch wenn Sie selbst anders denken. Dann ärgern Sie sich nicht mehr unnötig über nerviges Verhalten, sondern gehen die tieferen Ursachen an.

 

Gelegentlich ist es unvermeidlich, Grenzen zu setzen: Wenn Ihre Werte und Wünsche dauerhaft verletzt werden und sich auch nach mehreren Gesprächen kein tragfähiger Kompromiss finden lässt. Nach ein bis zwei Jahren sollte klar sein, ob beide Seiten dazu willens und fähig sind. Die offene Konfrontation sollte aber die Ausnahme bleiben, wenn Sie nicht ständig wechseln und woanders von vorn anfangen wollen. Im besten Fall wird eine bisherige Nervensäge zum neuen Verbündeten, vielleicht sogar zum Freund.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Führen durch Lob

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.