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Führen durch Lob: Warum es so wichtig ist, die Leistung anderer anzuerkennen

Führen durch Lob: Warum es so wichtig ist, die Leistung anderer anzuerkennen Attila Albert

Nicht kritisiert ist genug gelobt: Viele Vorgesetzte und Mitarbeiter verfahren nach dieser Methode, machen es sich damit aber nur unnötig schwer. Mediencoach Attila Albert über Lob als Führungsinstrument.

Berlin – Schon in normalen Zeiten haben Journalisten immer etwas zu kritisieren, weil das zum Beruf gehört. Seit die Zeiten aber insgesamt und persönlich schwieriger geworden sind, scheint vielen gar nichts mehr recht: Sie kritisieren jeden und alles, klagen und schimpfen ständig. So gehört es zu den Widersprüchlichkeiten unserer Zeit, dass viele Erwachsene, die bei ihren Kindern jede Kleinigkeit in den höchsten Tönen loben, erstaunlich harsch und mitleidlos mit anderen Erwachsenen umgehen. Von „Achtsamkeit“ reden, das aber nur auf sich beziehen. Damit machen sie es sich und anderen jedoch unnötig schwer.

Tatsächlich haben viele Medienprofis harte Zeiten hinter sich oder sind gerade mittendrin. Man denke nur an den erneuten Stellenabbau vielerorts, bei der RTL-Gruppe in Hamburg und Köln besonders wahrgenommen. Für Freie bedeutet diese Entwicklung oft: Ewig nicht bestätigte oder wieder stornierte Aufträge, zu spät oder nicht bezahlte Rechnungen, keine Antwort auf E-Mails, barsche Abwehr bei erneuter Nachfrage. Aber vieles funktioniert eben auch gut oder zumindest ausreichend. Viele Branchenkollegen und Mitmenschen im weiteren Sinne sind trotzdem hilfreich, freundlich, erledigen ihre Arbeit und versuchen ihr Bestes. Das verdient Lob, und darum soll es heute einmal gehen.

Sozial wichtig und ein Führungsinstrument
Ehrlich gemeintes Lob – anerkennende Worte, ermunternder Zuspruch – hat viele positive Effekte. Es drückt Dankbarkeit aus, bestätigt Geleistetes und zeigt dem anderen, dass seine Bemühungen gesehen wurden. Wer umgekehrt gelobt wird, erkennt seine Stärken und versteht sich damit besser. Er versteht erwünschte Prioritäten und Standards und kann sich danach richten, um erfolgreicher zu sein. Lob ist im Beruflichen wie Privaten ein „sozialer Schmierstoff“, sorgt also für Leichtgängigkeit in Beziehungen. Gleichzeitig ist es ein Führungsinstrument: Ein Lob zeigt, was jemand wichtig findet und sich wünscht.

Dabei geht es nie darum, nur außergewöhnliche Leistungen anzuerkennen. Gerade das unspektakuläre Alltagsgeschäft verdient viel Lob: Etwas solide und zuverlässig erledigen, um das sich keiner reißt – Meldungen schreiben, Ratgeber- und Serviceseiten füllen, sich um die Praktikanten und Volontäre kümmern, Korrektur lesen. Man darf einer Kollegin ohne Anlass sagen: „Ich bin total froh, dass wir zusammenarbeiten.“ Sie weiß es wahrscheinlich auch so, freut sich aber doch, es ausgesprochen zu hören. Auch Chefs dürfen gelobt werden: „Ich bewundere, wie du das jeden Tag schaffst. Ich könnte das nicht.“

Auf Situation und Gegenüber achten
Lob umfasst eine große Bandbreite, kann sich also – je nach Situation und Gegenüber – sehr vielfältig ausdrücken. Nicht weiter begründen müssen Sie Komplimente („Deine Texte lese ich immer gerne“) oder Sympathiebekundungen („Schön, dass du in unserem Team bist“). Damit zeigen Sie einfach Aufmerksamkeit und eine generelle Zuneigung. Auch für einen Gesprächseinstieg ist ein Lob perfekt. Beispielsweise, wenn Sie einen bisher nicht persönlich bekannten Branchenkollegen zum Netzwerken ansprechen wollen, sowohl per E-Mail oder über LinkedIn oder bei einer Veranstaltung – loben Sie einfach etwas!

Jeder freut sich über Lob, wenn es erkennbar aufrichtig ist. Sprechen Sie also aus, was Ihnen an anderen bzw. an deren Leistung gefallen oder beeindruckt hat. „Eure letzte Titelgeschichte war wieder großartig! Wie kriegt Ihr das nur immer hin?“ Oder auch nur: „Ein schönes Event, oder?“ Schon sind Sie im Gespräch, und Ihr Gegenüber ist bereits positiv gestimmt. Klar ist, dass Sie bedenken sollten, ob das Lob angemessen ist. Beispiel: „Ein tolles Kleid hast du heute wieder an!“ Fast immer wird sich eine befreundete Kollegin darüber freuen. Bei klar romantischem Interesse, zu einer völlig Unbekannten oder gar einer Vorgesetzten wäre es dagegen zwar nicht unmöglich, aber heikel und gut zu überlegen.

Wer allein Perfektion als Maßstab nehmen will, hat praktisch nie einen Grund für Lob. In meinem Buch „Perfektionismus ist ein Arschloch“ habe ich ein ganzes Kapitel dazu geschrieben: „Wenn Perfektionismus sich äußert, dann mit einer ganz eigenen Sprache – derjenigen der ständigen Kritik. ,Wieso hast du nur wieder ...‘, ,Kannst du denn nicht einmal ...‘, ,Hast du überhaupt nicht daran gedacht, dass ...‘. So beginnen typische Sätze eines Perfektionisten. Sie klingen genervt, frustriert und erschöpft. ,Klappt denn hier gar nichts‘, ,Wieso läuft das schon wieder schief‘, ,Kannst du nichts richtig machen?‘“ Das ist der beste Weg, um sich selbst zu verausgaben und langfristig überall unbeliebt zu machen.

Loben lässt sich bei Bedarf üben
Im Mitarbeitergespräch erfordert Lob mehr Substanz, muss ausführlicher und faktisch begründet werden können. Als Vorgesetzter sollten Sie sich darauf vorbereiten, etwa einige Zahlen oder Anekdoten zur Erklärung bereit haben. So erlebte ich einmal einen Ressortleiter, der einem Redakteur für die Arbeit des vergangenen Jahres so dankte: „Ich finde ganz toll, was du immer ablieferst.“ Unerwartet fragte der Kollege nach, wirklich interessiert: „Was genau hat dir gefallen?“ Darauf war sein Chef nicht vorbereitet und kam ins Stammeln. Er hatte wohl nur den Gesamteindruck gemeint und wollte nett sein.

Manchen Chefs fällt es schwer, andere zu loben. Das kann unterschiedlichste Gründe haben. Sie betrachten das Geleistete als Selbstverständlichkeit, bereits durch das Gehalt anerkannt und abgegolten. Es muss damit, aus ihrer Sicht, nicht noch zusätzlich ausgesprochen werden („Nicht geschimpft ist genug gelobt“). Andere haben es selbst nie anders kennengelernt und wollen Gefühlsduselei vermeiden. Einigen ist die Vertrautheit unangenehm, die zwischen ihnen und dem gelobten Mitarbeiter entstehen und eventuell später ausgenutzt werden könnte. Sie loben also aus Angst vor Schwäche nicht.

Sollten Sie bei sich feststellen, dass Sie andere vor allem kritisieren, kann eine feste Regel helfen, das zu ändern. Nehmen Sie sich vor, dass auf eine Kritik zehn Lobe folgen müssen. Zählen Sie gedanklich mit. Das zwingt Sie dazu, verstärkt auf das zu achten, was um Sie herum durchaus gut läuft oder zumindest probiert wird. Bei dieser Reflexion überdenken Sie auch Ihr bisheriges Führungsverständnis, ob Sie nämlich eher durch Druck oder Vorbild führen. (Wohin Sie persönlich tendieren, sehen Sie in einer Stärke- und Potenzialanalyse sogar in Zahlenwerten. Es ist nicht nur ein subjektiver Eindruck.)

Nicht jeder Kollege braucht viel Lob
Auch Mitarbeiter haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen. Manche brauchen persönlich kein ausgesprochenes Lob, wenn sie nur gut bezahlt sind und ihrer Arbeit nachgehen können. Andere bevorzugen eine eher rustikale Atmosphäre, in der sich Lob vielleicht nur in einem Schulterklopfen oder einem gemeinsamen Bier nach Redaktionsschluss ausdrückt. Es wäre also falsch, eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre so zu verstehen, dass alle auf die gleiche Weise angesprochen werden wollten. Dieser Ansatz führt schnell zu einem formelhaften Loben, das aufgesetzt und unglaubwürdig wird. Umgekehrt kann fehlende Anerkennung der Grund für einen Jobwechsel sein.

Achten Sie also darauf, was sich die unterschiedlichen Menschen um Sie herum wünschen und was Ihnen guttut. Lob darf sich auch in handfesten Vorteilen ausdrücken, etwa einer Prämie, einem Geschenkgutschein oder einer Einladung. Es sollte nie ein Weg sein, um Kosten sparen zu wollen. Vermeiden sollten Sie auch den Missbrauch von Lob, um Kritik zu verpacken oder um sarkastische, angeblich witzig gemeinte Bemerkungen zu machen („Oh, schon wieder ein neues Handy? Na ja, manche können es sich eben leisten“). Man muss nicht alles, was einen ärgert, aussprechen und das für ehrlich halten.

Möglicherweise haben Sie bei manchen dieser Empfehlungen gedacht: „Das würde ich nie so sagen. Das wäre mir peinlich.“ Oder: „Das kann schon stimmen. Aber für mich wäre das nichts.“ Das ist möglich, kann dann aber ein Anlass zur Reflexion sein: Warum ist das so – und ist das vorteilhaft? Wer sehr leistungsstark ist, muss oft erst lernen, Lob auch einmal anzunehmen. Wer bisher sehr mit sich beschäftigt war, muss seinen Blick öffnen, um auch die Leistungen anderer zu sehen und anzuerkennen. Beides braucht man beruflich wie privat, an beidem wächst man, und beides lässt sich lernen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Wann Journalisten den Job wechseln sollten

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.