Vermischtes
Newsroom – Markus Wiegand

Ist NZZ-Chefredakteur Eric Gujer ein Tyrann?

Ist NZZ-Chefredakteur Eric Gujer ein Tyrann? Eric Guyer, „NZZ“-Chefredakteur, ist intern ziemlich unbeliebt

In Deutschland hat sich „NZZ“-Chef Eric Gujer in den vergangenen Jahren mit vielen pointierten Kommentaren als einer der Chefkritiker der Regierung Merkel profiliert. Was in der deutschen Medienszene dagegen ziemlich unbekannt ist: Gujer ist in den eigenen Reihen ungewöhnlich unbeliebt.

Zürich – Wer sich bei aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern des Hauses über den wortgewaltigen „NZZ“-Chefredakteur Eric Gujer erkundigt, hört reihenweise Kommentare, die das Führungsverhalten als sehr autoritär einstufen: „Ein Klima der Angst“ herrsche in der Redaktion, sagt etwa ein Mitarbeiter, der schon lange dabei ist. Auch gestandene Redakteure müssten damit rechnen, vom Chefredakteur abgekanzelt zu werden. Ein anderer sagt unter dem Siegel der Verschwiegenheit: Wer andere Meinungen vertrete als der Chef oder Direktiven nicht konsequent umsetze, bekomme Probleme bis hin zur Kündigung. „Die letzten fünf Jahre waren das Schlimmste, was ich bisher erleben musste“, sagt ein weiterer langjähriger Redakteur des Hauses. Mancher „NZZ“-Mitarbeiter will nur noch eines: sich bis zur eigenen Pensionierung durchhangeln. Jüngere müssen überwintern, bis Gujer (58) geht.

 

Das alles recherchierte der Autor dieser Zeilen vor wenigen Wochen für das newsroom.de-Partnermagazin „Schweizer Journalist:in“. Überraschend war, dass kaum jemand Gujer verteidigen mochte. Auch nicht Quellen, von denen man annehmen darf, dass der „NZZ“-Chef sie gefördert hat oder lange gut mit ihnen zusammenarbeitete.

 

Nachdem die Geschichte in der Schweiz erschienen war, gab es zwei Reaktionen. Eine Quelle aus Führungskreisen verteidigte Gujer energisch. Das beschriebene Verhalten entspreche nicht der Realität. Und die schlechte Stimmung bei Einzelnen resultiere aus dem strengen Transformationskurs, den Gujer dem Blatt verordnet habe. Die andere Reaktion: warmer Applaus. Die Schilderung sei keineswegs „bösartig, sondern zutreffend“. Eine weitere Zuschrift bot großzügig Hilfe an, sollte der „NZZ“-Chefredakteur gegen die Berichterstattung klagen. Dazu muss man wissen, dass etliche „NZZ“-Redakteure es problematisch finden, dass Gujers Ehefrau Claudia Schwartz als Redakteurin bei der „NZZ“ arbeitet, weil die beiden die Interessen nicht immer sauber trennen sollen. Gegen diese Schilderung ist das Ehepaar Gujer/Schwartz mehrfach vorgegangen und bestreitet den Vorwurf.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn man weiß, dass der Chefkritiker der deutschen Kanzlerin seinen eigenen Laden nicht so richtig im Griff hat, lesen sich die schmissigen Artikel irgendwie auch deutlich schlapper.

 

Der Text ist in der „kress pro“-Medienkolumne „Aus unseren Kreisen“ erschienen. Darin beschäftigt sich Chefredakteur Markus Wiegand auch mit diesen Fragen:

  • Neuer Polit-Riese: Was läuft da im Südwesten?
  • Was gibt es Neues von Holger Friedrich?

 

Titelgeschichte von „kress pro“ 2/2021:

  • Was jetzt beim „Spiegel“ läuft. Ende Januar probte rund ein Viertel der Mitarbeiter den Aufstand, obwohl das Haus nach dem Coronajahr wirtschaftlich solide dasteht und beim Verkauf von Digitalabos Rekordergebnisse meldet. Was ist da los? Wo sucht der Spiegel seine Zukunft?
  • Warum Axel Springer im Fall Reichelt so spät reagiert hat
  • Wer die wichtigsten Mediendesigner 2021 sind,
  • Wie Focus Online-Chef Florian Festl misst, ob seine Inhalte Lösungen bieten
  • Wie die Erfolgsaussichten der „NZZ“ in Deutschland sind.