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Beruflich weiterkommen: Warum ein niedriger Gehaltswunsch unvorteilhaft ist

Beruflich weiterkommen: Warum ein niedriger Gehaltswunsch unvorteilhaft ist Attila Albert

Viele Fach- und Führungskräfte, die sich verändern wollen, mehr Bewerber als offene Stellen. Karrierecoach Attila Albert sagt, wie die berufliche Entwicklung trotzdem nicht ewig stagniert.

Berlin – Schon im vergangenen Jahr spürten selbst Medienprofis mit einem gefragten Profil, etwa mit ausgewiesenen Digital-, Produktmanagement- oder Verkaufskompetenzen, dass sich der Stellenmarkt verändert hat: Weniger passende Ausschreibungen, mehr Ablehnungen schon nach einer Bewerbungsrunde, niedrigere Gehaltsangebote. Das hat sich angesichts der hartnäckigen Wirtschaftskrise – Deutschland geht ins dritten Jahr einer Rezession, ohne dass ein Ende absehbar wäre – noch einmal verschärft. Inzwischen bewegen sich Medienprofis, von Ausnahmen abgesehen, in einem Arbeitgebermarkt.

 

Von einem Arbeitgebermarkt spricht man, wenn der Arbeitsmarkt mit Fach- und Führungskräften sowie mit potentiellen Mitarbeitern übersättigt ist. Auf offene Stellen gibt es (zu) viele Bewerber. Arbeitgeber haben dadurch eine große Auswahl an geeigneten Kandidaten und sind in einer starken Verhandlungsposition, etwa bei Gehaltsdiskussionen. Arbeitnehmer mit Wechselwunsch haben dagegen mehr Mühe, überhaupt ein Angebot zu erhalten und ein überdurchschnittliches Gehalt auszuhandeln. Auch wenn jede Situation individuell geprüft werden muss: Wie sollten Stellensuchende darauf jetzt reagieren?


Bessere Chancen für Spezialisten

Grundsätzlich werden in einem Arbeitgebermarkt immer die persönliche Offenheit und Flexibilitätherausgefordert: Muss die nächste Stelle zwingend in Berlin oder Hamburg sein oder wäre auch Würzburg oder Cottbus eine Option? Wenn es mit dem klassischen Journalismus nicht klappen will: Wären verwandte Arbeitsgebiete wie Corporate Publishing oder Content Marketing denkbar? All das muss jeder für sich abwägen und entscheiden. Wer sich beweglich zeigt, hat die besten Chancen, zumal die Rückkehr an einen früheren Arbeitsort oder in den Journalismus durchaus wieder möglich ist.


Besonders vorteilhaft erscheint in einem schwierigen Arbeitsmarkt, als ein Generalist aufzutreten, der flexibel auf verschiedene Anforderungen und Ausschreibungen reagiert. Doch Generalisten sind leichter austauschbar, weil ihnen die fachliche Tiefe fehlt. Sie konkurrieren mit vielen anderen um ähnliche Stellen und müssen häufiger finanzielle Zugeständnisse machen. Das Profil eines Spezialisten passt zwar auf weniger Stellen, er hat dafür aber wesentlich weniger Konkurrenten und kann deshalb mehr fordern. Wer kein Berufsanfänger mehr ist, sollte sich spätestens ab Mitte 30 zum Spezialisten entwickeln.


Ein klassischer News- oder Politikredakteur ist zum Beispiel vielseitig im Newsroom einsetzbar und kann sich durch Schnelligkeit und Zuverlässigkeit profilieren. In den Ballungsräumen gibt es allerdings viele Kollegen mit ähnlichem Profil, meist auch mit denselben Ausbildungen (Germanistik, Kommunikations- oder Politikwissenschaften, Volontariat). Oft geben auch die Arbeitsproben wenige Unterschiede her, da die Beiträge solide, aber austauschbar sind. Bessere Chancen haben Redakteure, die sich auf ein Themengebiet und eine Methodik (z. B. Investigativ- oder Datenrecherche) spezialisieren.


Für redaktionelle Berufsanfänger empfiehlt es sich generell, ein Fachstudium abseits der genannten Bereiche zu wählen und sich journalistisch auf dasselbe Gebiet zu spezialisieren. Solche „internen Experten‟ erhalten, wenn ihr Themengebiet gerade im Fokus steht, oft sehr lukrative Angebote von Redaktionen, die ansonsten Stellen im Newsroom abbauen. Dort müssen die Generalisten meist zuerst gehen, weil der Eindruck besteht, dass ihre Arbeit – vielerlei Themen schnell, aber auch wenig tiefgründig recherchiert umzusetzen, Agenturmeldungen mit Zitaten anreichern usw. – andere ebenso erledigen könnten.


Niedriger Gehaltswunsch nicht vorteilhaft

Eine weitere Fehlannahme von Stellensuchenden ist, dass – weil viele Medienhäuser tatsächlich mit wirtschaftlichen Problemen kämpfen – niedrigere Gehaltsvorstellungen ihre Chancen erhöhen würden. Typischerweise haben ausgeschriebene Stellen aber einen Budgetrahmen. Wer sich mit seinen Gehaltsvorstellungen am unteren Rand oder sogar darunter bewegt, erntet eher Misstrauen: Weiß der Bewerber nicht, was üblich ist, kann er sich selbst nicht einschätzen? Eine Niedrigpreis-Taktik („Dumping‟) funktioniert am ehesten noch für Freiberufler, ist für diese aber ebenso nicht empfehlenswert.


Auch in einem Arbeitgebermarkt muss kein Bewerber besonders wenig fordern, sondern die marktüblichen Gehälter kennen und auf dieser Basis entscheiden, ob ein mögliches Angebot ungefähr in diesem Rahmen liegt und für ihn persönlich akzeptabel wäre. Eine deutlich überdurchschnittliche Gehaltsforderung muss überzeugend verargumentiert werden, typischerweise durch eine gefragte Spezialisierung (s.o.) oder auch weitere Vorteile für den neuen Arbeitgeber. Beispiel: Wer als bekannter Name ins Team kommt, bringt eine Werbewirkung für die Marke mit und kann deswegen finanziell mehr fordern.


Nicht nur abwarten und hoffen

Schon in wirtschaftlich günstigen Zeiten ist ein persönliches Branchennetzwerk vorteilhaft, um früh von geplanten Neueinstellungen sowie von Beförderungen zu erfahren, durch die interessante andere Stellen frei werden (Ringtausch). Der freundschaftliche direkte Kontakt zu Führungskräften hilft zudem, bei einer Bewerbung nicht allein auf das HR angewiesen zu sein, wo bei zwei- bis dreistelligen Bewerberzahlen auf eine Stelle häufig nach starren formalen Kriterien vorsortiert wird. Suchen Sie also den digitalen und persönlichen Kontakt zu Führungskräften – und nicht erst, wenn Sie etwas brauchen.


Schwierige Zeiten dürfen nicht zu Passivität führen, also zu einem Abwarten und Hoffen auf bessere Zeiten. Zum einen ist unklar, ob und wann sie sich einstellen, zum anderen wird man selbst älter, während fortlaufend jüngere Kollegen nachrücken. Auch in einem Arbeitgebermarkt muss man keine Wunder vollbringen, aber als gut positionierter Spezialist auftreten und in eigener Sache effektiv kommunizieren. Dafür braucht es professionelle Bewerbungsunterlagen (Anschreiben, Lebenslauf), digitale Visitenkarten (LinkedIn-Profil, Webseite) sowie Präsenz bei Konferenzen und externen Veranstaltungen.


All das erfordert regelmäßige Investitionen in die eigene berufliche Attraktivität, vor allem für Allein- und Hauptverdiener. Empfehlung hier: Nutzen Sie fortlaufend fünf Prozent Ihres erzielten Einkommens, um Ihren beruflichen Marktwert zu erhalten oder sogar zu steigern. Bei einem Jahresgehalt von 60 000 Euro wären das 3000 Euro jährlich für Karriereberatung, Weiterbildungen, Besuche von Branchenveranstaltungen oder andere Reisen (Netzwerken, Vorstellungsgespräche). Diese beruflich bedingten Ausgaben können steuerlich abgesetzt werden, wodurch sie effektiv entsprechend weniger zahlen.

 

Zur vergangenen Kolumne: Wieder Positives finden

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

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