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Warum Langzeit-Angestellte den Wechsel scheuen

Warum Langzeit-Angestellte den Wechsel scheuen Attila Albert

Festgehalten durch zu hohe Lebenshaltungskosten, kaum Kontakte in andere Medienhäuser, Angst vor Risiken: Es gibt viele Gründe, warum langjährig angestellte Medienprofis eine Veränderung scheuen. Karrierecoach Attila Albert über typische Fallen und wie Sie sie umgehen können.

Berlin –  Wer schon viele Jahre angestellt ist, eventuell sogar noch immer beim selben Arbeitgeber, ist gerade in unruhigen Zeiten dankbar für die relative Sicherheit. Man kennt seinen Chef und die Kollegen; die Aufgaben sind überschaubar und das Gehalt kommt zuverlässig. Will man da wirklich eine Veränderung riskieren? Diese Einstellung ist verständlich, hat aber auch ihre Kosten: Man kann Chancen anderswo nicht nutzen, beispielsweise sein Gehalt steigern, fachliche Kompetenzen dazugewinnen, neue Bereiche kennenlernen. Hier einige häufige Fallen für Langzeit-Angestellte und wie Sie sie umgehen können.

 

Festgehalten durch zu hohe Lebenshaltungskosten
Die meisten Medienprofis haben sich zwar im Laufe ihrer Karriere immer wieder einmal finanziell verbessert, aber ihre persönlichen Ansprüche (z. B. regelmäßige aufwendige Urlaube) und damit Lebenshaltungskosten sind ebenso gestiegen. So kommen sie zwar finanziell klar, haben aber wenig Spielräume und wollen auch nichts riskieren. Damit sind viele Chancen anderswo versperrt, die eine Vorab-Investition erfordern würden. Tipp: Investieren Sie regelmäßig in Ihre berufliche Attraktivität und damit Zukunft (z. B. aktuelle Bewerbungsfotos, eigene Internetseite, Besuch von Branchenevents, Karriereberatung, Weiterbildung). Gerade Haupt- und Alleinverdiener sollten unbedingt darauf achten, ein gefragtes Profil zu behalten. Sparen Sie dafür ein wenig bei den Konsumausgaben.

 

Schleichender realer Einkommensverlust
Allein in den vergangenen fünf Jahren sind die Lebenshaltungskosten in der Summe um durchschnittlich 21,5 Prozent gestiegen. Wer sein Gehalt in diesem Zeitraum nicht mindestens in dieser Größenordnung steigern konnte, verdient real weniger. Entsprechend ist bei vielen Medienprofis das Geld knapper geworden, auch wenn sie formal weiterhin dasselbe verdienen. Allerdings gilt es oft noch als Tabu, einen höheren Verdienst als wichtigstes Ziel einer beruflichen Veränderung zu benennen.Tipp: Genieren Sie sich nicht dafür, wenn ein höheres Einkommen zu Ihren jetzigen Prioritäten zählt. Sie müssen sich dafür nicht rechtfertigen, allerdings entsprechend handeln. Dazu zählt, eine Branche, ein Berufsbild und einen Arbeitgeber anzupeilen, wo der Verdienst tatsächlich höher wäre.

 

Krankmeldungen und Urlaube statt echter Lösung
Die Zahl der Krankmeldungen aus psychischen Gründen steigt seit Jahren auf immer neue Rekordwerte. Konflikte am Arbeitsplatz sind dafür die weit überwiegende Ursache. Schon zuvor flüchteten viele Medienprofis, die beruflich nicht mehr zufrieden sind, von einer Urlaubsreise in die nächste, in Sabbaticals und Elternzeiten. Das löst allerdings das zugrunde liegende Problem nicht, sondern verschleppt es nur. Tipp: Nehmen Sie es ernst, wenn Sie ständig nach Wegen suchen, nicht mehr zur Arbeit gehen zu müssen, oder sich deswegen sogar schon krank fühlen. Das heisst nicht, dass Sie unüberlegt kündigen sollten, weil Sie es „nicht mehr aushalten‟. Erarbeiten Sie sich stattdessen, eventuell mit professioneller Hilfe, eine tragfähige „Exit-Strategie‟ für die nächsten 6-9 Monate.

 

Zu geringer Anspruch bei Weiterbildungen
Praktisch jedes größere Medienhaus bietet eine Vielzahl von internen Weiterbildungen an und fördert zusätzlich externe Angebote. Allerdings sind viele dieser Kurse eher kurz und damit oberflächlich (z. B. zweistündiges Seminar zu KI, in dem aber nur die Grundfunktionen von ChatGPT vorgestellt werden). Damit sammelt man zwar Zertifikate, die aber im Lebenslauf und bei einer späteren Bewerbung wenig Eindruck machen. „Ich finde das Thema einfach interessant‟, ist für einen Profi als Begründung zu wenig. Tipp: Verlieren Sie keine Zeit mit Weiterbildungen, die eher eine nette Belohnung oder eine angenehme Auszeit vom Job darstellen. Definieren Sie Ihr Ziel und entscheiden Sie sich dann für ein Angebot mit Tiefe (z. B. ein berufsbegleitendes MAS- oder CAS-Programm über 3-5 Monate).

 

Zu wenig Branchenerfahrung und -kontakte
Wer jahrelang bei einem Arbeitgeber bleibt, bekommt durchaus viele Entwicklungen der Branche mit, aber eben immer nur begrenzt (umso stärker, wer immer im selben Team geblieben ist). Woanders werden eventuell längst modernere Konzepte, Arbeitsformen und Technologien angewendet, und Sie wissen es noch nicht einmal. Das führt zu Betriebsblindheit, Sie bleiben trotz langer Betriebszugehörigkeit („viel Erfahrung‟) fachlich zurück, und auch ihr Netzwerk über den eigenen Arbeitgeber hinaus verkümmert. Tipp: Sorgen Sie dafür, dass Sie mindestens alle 3-5 Jahre in einem neuen Umfeld arbeiten, und wenn es ein neues Aufgabengebiet oder ein interner Teamwechsel ist. Pflegen Sie darüber hinaus den regelmäßigen Kontakt zu Branchenkollegen in anderen Unternehmen.

 

Maximalforderungen bei der Jobsuche
Jeder stellt sich gelegentlich vor, dass der nächste Job nun endlich alle Träume erfüllt. Seite-3-Autor bei der „Süddeutschen‟, Auslandskorrespondent in New York, London oder Paris, Interviews für die „Zeit‟ – solche Ziele nennen Medienprofis, die sich umorientieren wollen, häufig. Das entspricht allerdings nicht den Angeboten auf dem Arbeitsmarkt und verklärt auch die Realität der genannten Stellen. Manche Medienprofis belassen es aber dabei und lehnen alles andere rundweg ab. Tipp: Nehmen Sie sich vor, mindestens 4-6 Bewerbungen pro Monat zu verschicken, wenn Sie sich beruflich verändern wollen. Das zwingt Sie dazu, verschiedene Optionen zunächst erst einmal offen zu erkunden und erst danach zu entscheiden. Damit weitet sich Ihr Blick, Ihre Chance auf Erfolg steigt.

 

Bequem werden und sich zu häufig ablenken
In guten Zeiten wollen sich viele Berufstätige nicht mit ihrer Zukunft beschäftigen („Es läuft ja, das will ich erst einmal genießen‟), und in schwierigen Zeiten werden sie ängstlich („Jetzt riskiere ich lieber nichts‟). Das führt auf Dauer dazu, dass nie der passende Zeitpunkt dafür da ist, sich um Bewerbungen und Branchenkontakte zu kümmern, einmal das eigene Kompetenzprofil und die Wirkung auf andere zu überprüfen und eventuell zu korrigieren. Tipp: Sehen Sie Ihre Weiterentwicklung als fortlaufende Aufgabe, so lange Sie berufstätig sein werden. Widmen Sie Ihr daher regelmäßig ein wenig Zeit, dann braucht es später auch keine „Hauruck-Aktionen‟. Reservieren Sie sich dafür am besten ein festes Zeitfenster (z. B. 1-2 Stunden am Freitagnachmittag), dann geht es nicht ständig unter.

 

Angst, überhaupt noch Risiken einzugehen
Wer sich jahrelang in einem vertrauten Umfeld bewegt, in dem es Veränderungen immer nur in einem überschaubaren Rahmen gibt, wird mit der Zeit risikoscheu und auch ein wenig ängstlich. Jede echte Veränderung, etwa ein beruflicher Wechsel, erscheint dann irgendwann als kaum mehr vertretbares Risiko. Mit dieser Einstellung muss man aber bei seinem aktuellen Arbeitgeber alles hinnehmen (z. B. immer mehr Arbeit, aber keine Gehaltserhöhung oder Beförderung). Tipp: Pflegen Sie das regelmäßige Gespräch mit inspirierenden, mutigen Menschen (z. B. Aufsteigern der Branche, Gründern). Sie regen Sie dazu an, Risiken als normalen Teil jeder Chance zu sehen. Sie sind nie ganz vermeidbar, wenn man nicht ewig stagnieren soll, sondern sollten erkannt und begrenzt werden.

 

Zur vergangenen Kolumne: Wie Medienprofis die Führung übernehmen

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

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