Journalismus
KNA / Jana Ballweber

Haarsträubend naiv oder mit Absicht böse: Der Google-Deal in Kalifornien wird den Journalismus nicht retten

Ein paar Millionen US-Dollar knöpft die kalifornische Regierung Google in den nächsten Jahren ab, um lokalen Journalismus zu fördern. Wie der Deal einzuordnen ist, erklärt KNA-Redakteurin Jana Ballweber.

Sacramento (KNA) - In den frühen Tages des kommerziellen Internets verpasste sich der Konzern Google mal das Motto „Don't be evil“. Der Spruch konnte helfen, in Zeiten, in denen viele Fragen rund um die Technik noch nicht geklärt waren. Er schien auch als grobe Leitplanke zu dienen, um mit der neu entstandenen Macht keinen groben Unfug anzurichten.

 

Dass Google sich irgendwann aktiv entschieden hat, das Motto und damit offenbar auch alle moralischen Ansprüche abzustreifen wie eine Schlangenhaut, die ihrem Bewohner zu klein geworden ist, ist fast schon zu plakativ. Unter dem neuen Motto „Do the right thing“, also „Tue das Richtige“, marodiert der Konzern nun seit einigen Jahren durch das Netz und durch die vielen Märkte, die Google mit seiner Rücksichtslosigkeit zerstört.

 

Märkte, wie beispielsweise den Anzeigenmarkt, auf dem Journalismus und Medienhäuser in Deutschland wie in den USA seit rund 100 Jahren ihr Geschäftsmodell aufbauen. Ein immer größerer Anteil des Geldes, das mit Werbung umgesetzt wird, fließt an Google. Und nicht mehr an Verlage, die mit diesem Geld den gesellschaftlich so wünschenswerten Journalismus mitfinanzieren.

 

Kein Mittel gegen Monopole

Der Konzern hat es sich gemütlich gemacht im Online-Ökosystem, fungiert gleichzeitig als Anbieter von Werbeplätzen und als Vermittler von Werbeanzeigen. Ein glasklarer Interessenskonflikt, ein Marktmissbrauch, für den Google in der Vergangenheit immer mal wieder Millionenstrafen zahlen musste.

 

Nun sind Millionenstrafen für einen Konzern wie Google angesichts gigantischer Umsätze in der Werbebranche kaum als Strafen zu bezeichnen. Und so hat sich seit Jahren auch kaum etwas Substanzielles an Googles Gebaren verändert. Die Politik und die Wettbewerbsbehörden haben den Konzern viel zu lange gewähren lassen - und haben nun kein Mittel in der Hand, um das Monopol wieder aufzubrechen, das sich Google geschaffen hat. Alle Regulierungsversuche wirken daher eher wie kosmetische Schönheitskorrekturen an einem im tiefsten Herzen hässlichen System.

 

Neuester Interpret dieser politischen Hilflosigkeit ist der US-Bundesstaat Kalifornien. Dort hatten Politiker über Jahre für ein Gesetz gekämpft, das Google und andere Digitalkonzerne gezwungen hätte, den Journalismus an seinen Werbegewinnen zu beteiligen. Die Initiative stieß auf erbitterten Widerstand der Internetriesen. Wie so oft, wenn diese ihre Lobbymaschinerie in Gang setzten, hieß es am Ende auch in Kalifornien wieder einmal: Dann eben kein Gesetz.

 

Das Sterben des Lokaljournalismus

Stattdessen einigte sich die Politik mit Google auf einen Deal, bei dem das Unternehmen ab 2025 über fünf Jahre hinweg Millionenbeträge in einen Fonds einzahlt, mit dem vor allem der Lokaljournalismus im Bundesstaat unterstützt werden soll. In den vergangenen zehn Jahren hat Kalifornien über 100 Zeitungen verloren. Zeitungen, die vor allem wegen der Rücksichtslosigkeit der Digitalkonzerne nicht mehr überleben konnten. Und die verbliebenen Redaktionen schrumpfen immer weiter.

 

Es ist ja nicht nur das Abfluss der Werbegelder an sich: Plattformen wie Google, Facebook oder Instagram drehen immer mehr an technischen Stellschrauben, die verhindern, dass Menschen überhaupt noch ihre Webseiten verlassen und Klicks und Views anderswo verteilten - zum Beispiel bei Angeboten von Medienhäusern im Internet, die oft so dringend auf Werbeerlöse angewiesen wären. Doch Beiträge in sozialen Netzwerken, die Links zu anderen Angeboten enthalten, erzielen eine immer geringere Reichweite auf den großen Plattformen.

 

Google nutzt immer mehr Künstliche Intelligenz, um Inhalte anderer Anbieter gleich in den Suchergebnissen seiner Suchmaschine zusammenzufassen. Frei nach dem Motto: Bleiben Sie ruhig hier, woanders gibt es auch nicht mehr zu sehen. (Dass Google Nutzerinnen und Nutzern in diesen KI-generierten Zusammenfassungen auch gerne mal den Konsum von Klebstoff empfiehlt oder sich eine ärztliche Empfehlung von zwei bis drei Zigaretten täglich in der Schwangerschaft zusammenfantasiert, weil die neue Technik nicht so richtig gut funktioniert, sei hier nur am Rande erwähnt.)

 

Alles Handeln der Plattformen ist darauf ausgerichtet, möglichst viel Geld und Macht bei sich zu vereinen. Und Google strebt danach, sich auch für künftige technische Entwicklungen die besten Ausgangspositionen zu verschaffen. „Do the right thing“ beinhaltet ja noch nicht, für wen das eigene Handeln richtig sein soll - die Gesellschaft oder die Firmenbilanz.

 

Haarsträubend naiv

Deals, wie sie jetzt Kalifornien mit Google abgeschlossen hat, können nur als Komplizenschaft in diesem abgekarteten Spiel angesehen werden. Wer ernsthaft glaubt, mit dieser Kosmetik den Journalismus zu retten, ist entweder haarsträubend naiv oder, naja, eben „evil“. Die Kleckerbeträge verzögern den Niedergang des Journalismus vielleicht um ein paar Jahre und verhindern die ein oder die andere Kündigung in den Redaktionen. Um die Branche aber nachhaltig gesund aufzustellen, wäre es notwendig, die Verhältnisse grundlegend wieder geradezurücken.

 

Eine zeitweise Umverteilung von ein paar Millionen in die Taschen der Verleger, die auch nicht immer nach bestem Wissen und Gewissen für den Journalismus handeln, sondern eigene Profitinteressen verfolgen, hilft jedenfalls nicht. Stattdessen braucht es eine dauerhafte Umverteilung von Macht. Weg von der privaten Internetwirtschaft, hin zu demokratisch gewählten Regierungen und der Zivilgesellschaft. Eine Firma wie Google - beziehungsweise der dahinter stehende Mutterkonzern Alphabet - kann nicht parallel mit einem gesunden Journalismus existieren. Denn der kann und lässt sich nicht mit der Monopolstellung eines Konzerns arrangieren. Und das Google ein solches Monopol darstellt, hat vor kurzem ja auch zum ersten Mal ein US-amerikanisches Gericht bestätigt - bislang folgenlos.

 

Der Fall Kalifornien, wo sich nun Politiker wie der Konzern feiern lassen, als hätten sie den Journalismus gerettet, muss allen Medien- und Digitalpolitikern ein Fanal sein - auch in Deutschland. Das Zeitungssterben, substanziell von Google verschuldet, ist schlecht für die PR. Programme wie die Google News Initiative, mit der der Konzern sich an Redaktionen und Medienwissenschaft ranwanzt, sie von seinem Geld und seinen Produkten abhängig macht und mit Soft-Power Einfluss auf Berichterstattung und Forschung nimmt, sind nichts anderes als ein geschickter Versuch der Image-Politur. Auf den Medienhäuser wie Regulierer aber leider immer wieder hereinfallen.