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Christian Jakubetz über das veränderte Berufsbild der Journalisten

Journalisten müssen künftig nicht mehr arbeiten. Nur anders. Und sie brauchen eine völlig neue Kernkompetenz: Sie müssen wissen, in welcher Situation ihr User gerade welchen Inhalt konsumiert. Von Christian Jakubetz.

München - Soll es die ganz harte Paywall sein oder gibt es weiterhin alles geschenkt im Netz? Ist die Webseite weiterhin das zentrale Organ von allem publizistischen Schaffen oder macht man sie besser doch demnächst zu? Baut man Videos und engagiert sich wirklich intensiv in sozialen Netzwerke oder ist das nur Kram, der von der eigentlichen journalistischen Kernkompetenz ablenkt?

Man kann mühelos stundenlang heftig über die richtigen Strategien und die zur erwartende Zukunft von Medien im digitalen Zeitalter diskutieren – ohne dabei auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

 

Christian Jakubetz ist Journalist, Dozent und Buchautor. Jakubetz ist Mit-Herausgeber von "Universalcode: Das Buch zum digitalen Journalismus". Dieser Beitrag ist zuerst auf seinem Blog erschienen. Foto: Heike Rost

 

Man kann für nahezu jede Idee ein gutes Argument finden und ein mindestens genauso plausibles dagegen. Man findet großartige Beispiele für einen funktionierenden Paid Content, um im selben Zug wieder von Zeitungen zu hören, die ihr Experiment gerade abgebrochen und reumütig zur früheren Version zurückgekehrt sind. Das macht die ganze Angelegenheit ja so spannend – und so komplex zugleich.

Eine Strategie passt nicht für alle

Die Debatten um den Medienwandel kranken häufig an einem: Man geht davon aus, dass es immer noch “den” Leser, “den” Zuschauer, “den” Nutzer gibt. Dabei hat der SZ-Digitalstratege Stefan Plöchinger unlängst einen ebenso einfachen wie erkenntnisreichen Satz gesagt: “Machen Sie sich klar, dass es den Leser nicht gibt.” Was erstmal als banale Erkenntnis daher kommt, ist tatsächlich der Grund dafür, warum wir es auch nicht mehr bei einem Produkt, bei einem Kanal belassen können. Und warum die eine Strategie, die alle glücklich macht, naturgemäß nicht mehr existieren kann.

Die SZ trägt dem mit ihrer künftigen Digitalstrategie Rechnung – und folgt dabei vor allem einer Idee: Man versucht Inhalte für Nutzer in allen denkbaren Situationen zu schaffen. Dazu gehört der ausgeruhte, konservative Zeitungsleser ebenso wie der smarte Manager, der auf seinem Smartphone die Nachrichtenlage checkt. Beide gehören zur Zielgruppe der SZ (oder sonstwem). Es ist also mittlerweile nicht mehr getan damit (und auch gar nicht mehr so einfach), mal eben die Zielgruppen zu analysieren und daran orientiert sein Angebot zu machen. Mindestens genauso wichtig es es, die Situationen zu berücksichtigen, in denen jemand eine Inhalt nutzen könnte. Wenn man das berücksichtigt, dann weiß man, warum das Jahrzehnte alte Prinzip “One size fits all” plötzlich nicht mehr funktioniert. Und warum es deshalb unsinnig ist, den Nutzer vor die Entweder-Oder-Wahl zu stellen.

Diese Fragmentieren der Märkte trifft uns inzwischen bei nahezu jedem Thema, seien es Inhalte, seien es die Finanzierungsmodelle.

Welcher Inhalt in welcher Situation?

Journalisten standen bis vor wenigen Jahren hauptsächlich vor einer Aufgabe: Sie mussten Informationen beschaffen und sie aufbereiten. Für eine Plattform. Heute besteht die Kunst des Journalismus nicht nur aus der Aufbereitung von Information. Sondern auch darin, darüber nachzudenken, in welcher Situation sich sein potenzieller Nutzer gerade befinden könnte und an welcher Stelle seines transmedialen Erzählstrangs der Journalist sich selber gerade befindet. Das klingt trocken und theoretisch, ist aber trotzdem einer der Gründe dafür, warum sich Journalisten mit diesem ganzen Transmedia- und Storytelling-Gedöns oft so schwer tun. Der Gedanke daran, wo sich der Nutzer gerade befindet und welche Besonderheit der gerade gewählte Kanal hat, spielt häufig eine untergeordnete Rolle. Weil es natürlich ein Unterschied ist, ob man gerade eine Homepage bespielt oder Twitter, funktioniert auch dieses lieblose Copy&Paste nicht, das man immer noch an viele Stellen antrifft.

Was wiederum bedeutet, dass Journalisten nicht nur wissen müssen, dass es Twitter, Facebook und all die anderen gibt. Sondern auch, dass sie sich Gedanken machen müssen, wie ein solcher Kanal funktioniert und wer ihn wohl wann in welcher Situation nutzen könnte. Wer einfach nur Inhalte multipliziert, darf sich am Ende nicht wundern, wenn es sich dabei um vergebliche Liebesmüh handelt.

Das ist tatsächlich ein nicht zu unterschätzendes Problem, weil es sich dabei um eine Wechselwirkung handelt: Laut Social-Media-Trendmonitor 2014 sind über die Hälfte der deutschen Journalisten mit ihrer Arbeit in sozialen Netzwerken unzufrieden. Hauptsächliche Begründung: zu wenig Ertrag für zuviel Arbeit. Nachvollziehbar, das. Aber eben auch vermeidbar: Wer einfach nur gedankenlos mit der Gieskanne irgendwelchen Content in die Kanäle schüttet, ist zwar am Ende des Tages erschöpft, hat aber immer noch nicht wirklich was erreicht.

Es ist also gar nicht mal so sehr die Debatte darum, ob Twitter und all die anderen jetzt gut oder böse sind. Entscheidend ist die Antwort auf die Frage, wie unser Berufsbild als Journalist künftig aussehen soll. Weil es tatsächlich ein völlig neues Berufsbild erfordert, wenn man diesem neuen Verständnis von Inhalten und ihrer Verbreitung folgen will. Es geht dabei übrigens auch nicht – im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Missverständnis – um mehr Arbeit. Sondern um eine andere Verteilung der Arbeit, die sich Journalisten machen.

Christian Jakubetz

 

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