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Daniel Moßbrucker: Youtube kein Heilsbringer für deutsche Tageszeitungen

Bewegtbild ist nicht gleich Youtube. Ein Einwurf von Daniel Moßbrucker.

Köln - Die Video-Aktivitäten der Zeitungen allein anhand ihrer Youtube-Zahlen zu messen, missachtet eine spannende Entwicklung: Zwar nutzen viele Blätter Youtube als kostenlosen Videohoster, doch noch mehr nehmen bereits eigene Dienstleister in Anspruch. Youtube mag praktisch sein, aber der Heilsbringer beim Übergang ins Digitale ist es nicht.

Spätestens seit der Geschichte vom kleinen David weiß jeder, dass ein verwackelter Youtube-Clip auch richtig Geld bringen kann.

Ein Vater filmte 2009 seinen Sohn nach einem Zahnarztbesuch, der benebelt von der Narkose auf der Rückbank des Autos wirres Zeug redete. Ein Youtube-Hit, der mittlerweile schon über 120 Millionen Mal geklickt wurde.

Den Eltern überwies Youtube über 100.000 Dollar für die Werbeeinnahmen - wohlhabend dank Youtube.

Zeitungen sind keine Youtube-Topverdiener

Mittlerweile werben Youtuber mit ihren Videos regelmäßig hunderttausende Klicks ein und leben davon. Theoretisch kann das jeder, praktisch sind es in Deutschland aber nur wenige Dutzend.

Wer mit Youtube Kasse machen will, braucht Erfolg: viele Views in möglichst kurzer Zeit mit Werbung für eine besonders wertvolle, sprich junge Zielgruppe.

Da wird deutlich, warum vor allem regionale Tageszeitungen nicht zu den Youtube-Topverdienern gehören: Sie generieren meistens nur wenige tausend Klicks, ihre Videos dümpeln vor sich hin und selbstvermarktete Pre Roll-Spots oder Affiliate-Links schalten die allerwenigsten. Bei einem Tausender-Kontakt-Preis, der meistens bei wenigen Euros liegt, wird ein Video mit YouTube normalerweise nicht refinanziert. Sollte das aber nicht (zumindest langfristig) eigentlich das Ziel sein?

Youtube ist kinderleicht

Der Grund für den hohen Zeitungseinsatz von Youtube sind nicht die Monetarisierungs-Möglichkeiten, nicht die unbestreitbaren Vorteile in puncto Community-Tools und auch nicht die Aussicht auf viele junge Channel-Abonnenten. Zeitungen nutzen Youtube, weil es kostenlos und kinderleicht ist. Upload, Embed-Code einfügen, Videogröße anpassen – schon ist der Clip auf der eigenen Website im Artikel eingebaut.

Ganz easy.

Aber sind die niedrigen Abrufzahlen vielleicht ein Hinweis darauf, dass kinderleicht in diesem Fall nicht gleich gut ist?

 

Unser Gastautor Daniel Moßbrucker ist Journalistik-Student an der TU Dortmund.

 

Es gibt logischerweise zwei Wege, den Erfolg von Zeitungsvideos zu verbessern. Entweder der Inhalt passt sich dem an, was auf Youtube, Twitter und Facebook viral geht.

Oder Zeitungen schaffen sich für ihren Inhalt ihr eigenes Umfeld, schärfen ihre Bewegtbild-Identität und bauen sich damit einen Nutzerkreis auf, der sich an das Videoangebot des Blattes gewöhnt – und damit die eigene Werbung schaut.

Viralität ist nicht planbar

Zur ersten Möglichkeit: Was zeichnet Clips aus, die viral gehen? Sie sind emotional, authentisch, lustig, schockierend. Vor allem sind sie selten planbar. Letzteres verträgt sich so gar nicht mit dem Wunsch nach planbarem Erfolg. Wie schwierig es klassische Infovideos im Netz haben, verdeutlicht der YouTube-Channel der Tagesschau.

Die bekannteste Fernsehsendung Deutschlands hat eine durchschnittliche TV-Quote von über fünf Millionen (ohne Dritte Programme) – auf Youtube erreicht die 20 Uhr-Ausgabe häufig nicht einmal 2000 Views. Als Zeitung auf virale Videos und damit auf Einnahmen zu hoffen ist – sagen wir mal – mutig.

Die User scheinen (noch) nicht bei Youtube zu suchen, wenn sie Journalismus im Bewegtbild rezipieren wollen. Vermutlich erwarten sie das auch gar nicht von einem Youtube-Channel. Das Umfeld wirkt nicht journalistisch. Wenn Youtube als populäre Plattform – monatlich über eine Milliarde Besucher - die Videos aber nicht pushed, warum sie dann langfristig als Hoster nutzen?

Die Methode mag kostenlos sein, aber nicht kostendeckend. Darüber hinaus bieten die „Free Youtube-Converter“ Jedermann die Möglichkeit, die Videos zu downloaden. Das kann nicht im Interesse der Produzenten sein.

Großteil setzt schon auf eigene Dienstleister

Zur zweiten Möglichkeit: Klar ist, dass ein Video nicht automatisch mehr geklickt wird, nur weil es durch das eigene CMS eingebunden wird und es eine Mediathek gibt. Aber es ist schon auffällig, dass immer mehr Zeitungen den Schritt gehen und sich einen eigenen Hoster suchen. Marktführer „Brightcove“ teilt auf Anfrage mit, dass er in Deutschland mittlerweile über 170 Tageszeitungen als Kunden hat – verglichen mit den Newsroom.de-Ergebnissen also schon mehr als redaktionelle Youtube-Accounts von Tageszeitungen.

Vor allem mittelgroße und große Verlage, die eigene Videoredaktionen aufgebaut haben, setzen immer häufiger auf eigene Dienstleister.

Vor allem, um höhere Preise für die Werbung generieren zu können. Die Logik ist simpel: Wenn die eigenen Videos keine Klick-Monster sind (und ein gewöhnliches Video mit Lokalbezug wird es wohl auch nie werden), dann muss eben der Werbepreis steigen, um mit weniger Klicks mehr Geld zu verdienen. Videojournalisten verschiedener Verlagshäuser berichten, dass ihr TKP im eigenen CMS um ein Vielfaches über den Youtube-Konditionen liegt. Manche Redaktionen arbeiten mittlerweile kostendeckend.

Marketingexperten vermuten, dass in der Bewegtbildwerbung die wohl größte Chance besteht, Onlinejournalismus flächendeckend profitabel zu machen. Das Beispiel eines Global Players mag diese These stützen: Die New York Times weichte 2013 ihre Paywall auf, indem Videos nun wieder kostenlos aufrufbar sind. Die Werbeindustrie wollte keine Banner-, sondern Bewegtbildwerbung schalten. Dem lukrativen Trend konnte sich die NYT nicht verschließen. Warum machen es noch so viele (vor allem regionale) Tageszeitungen?

 

Unser Gastautor: Daniel Moßbrucker, Journalistik-Student an der TU Dortmund, aktuell im integrierten Volontariat beim Hessischen Rundfunk. Zuvor Freie Mitarbeit bei verschiedenen Tageszeitungen, seit 2011 auch als Videoreporter und Videocutter.

 

Kurioser Status quo

Es ist nun sechs Jahre her, dass Nikon mit der D90 die erste filmfähige Spiegelreflexkamera auf den Markt brachte und die Videoproduktion abseits der Rundfunkanstalten richtig Fahrt aufnahm.

Da ist es schon kurios, dass immer noch so viele Zeitungen ausgerechnet ihr technisch aufwändigstes, exklusivstes und zukunftsfähigstes Produkt mit einem Embed-Code nur in Artikeln vergraben und sich mit Einnahmen von wenigen Euros zufrieden geben.

Youtube muss gar nicht verteufelt werden, denn die angesprochenen Vorteile behält es und es wäre wunderbar, wenn Verlage sie mehr für sich nutzen würden. Nichts spricht dagegen, die Eigenproduktionen auch auf YouTube hochzuladen.

Aber wer wirklich an die Zukunft des Bewegtbildes glaubt, bindet sie nicht bloß als Add on ein, sondern präsentiert und vermarktet sie selbstbewusst im eigenen Angebot.

Daniel Moßbrucker

Was halten Sie von Youtube? Ihre Einschätzung gerne per Email an redaktion@newsroom.de.