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Freischreiber-Vorsitzender Benno Stieber wirft David Schraven schlechten Stil vor: "Es grenzt an Rufmord"

Die überstürzte „Zeit-Online“-Trennung vom freien Russland-Korrespondenten Moritz Gathmann sorgt weiterhin für viele Diskussionen. Jetzt erwartet Benno Stieber, Vorsitzender von „Freischreiber“, eine Entschuldigung von David Schraven.

Berlin - David Schraven, Ressortleiter Investigative Recherche bei der Funke Mediengruppe in Essen, hatte Moritz Gathmann auf Twitter und Facebook massiv kritisiert, weil er neben seiner Arbeit als Korrespondent zusätzlich für „Russland Heute“ tätig war: „Das bei einem Freiberufler zu tun, grenzt schon an Rufmord“, so Benno Stieber.

Die Chefredaktion von "Zeit Online" hatte die Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Journalisten am Wochenende kurzfristig aufgelöst.

 

Ausriss aus der Website des Moskauer Korrespondenten Moritz Gathmann: Auftraggeber und Karriereweg sind vorbildlich aufgeführt. Weil die Chefredaktion von "Zeit Online" behauptet, sie habe von seiner Tätigkeit als Gastredakteur von "Russland Heute" nichts gewusst, hat sie sich von dem erfahrenen Journalisten am Wochenende getrennt. Foto: www.moritzgathmann.de

 

Markus Horeld, stellvertretender Chefredakteur von „Zeit Online“, erklärte gegenüber Newsroom.de, dass es „unseren internen Grundsätzen“ widerspricht, „dass Autoren, die in Journalismus nahen Bereichen wie Marketing oder PR arbeiten, für uns über dieselben Themenbereiche schreiben. Wir haben diese Zusammenarbeit im Vorfeld nicht ausreichend geprüft, das müssen wir uns nun vorwerfen. Wir kritisieren uns selbst und nicht etwa die Tatsache, dass Moritz Gathmann für "Russland Heute“ arbeitet“.

Zwar betonte Horeld gegenüber Newsroom.de, dass "Zeit Online" mit den Beiträgen von Moritz Gathmann sehr zufrieden gewesen sei. Dennoch hat die Redaktion unter allen Gathmann-Artikeln inzwischen folgende Information veröffentlicht: "Offenlegung: Der Autor arbeitet für die vom russischen Staat mitfinanzierte Zeitungsbeilage Russland heute. Dies entspricht nicht unseren Grundsätzen. Wir entschuldigen uns dafür."

Klare Richtlinien bei der "Zeit" - Zwei Jahre Sperre

Wer bei der „Zeit“ über einen festen Vertrag verfügt, ob als Redakteur oder Pauschalist, darf sein Gehalt nicht mit Beiträgen für Veröffentlichungen von „Tempus Corporate“, der Corporate-Publishing-Tochter des „Zeit“-Verlages, aufbessern.

Aber auch für freie Journalisten gelten die hausinternen Regelungen, betont Manuel J. Hartung, Geschäftsführer der „Zeit“-Tochter „Tempus Corporate“: „Freie Mitarbeiter der Zeit und andere freie Autoren dürfen für Corporate-Publishing-Produkte als Autoren schreiben, sind jedoch für das Thema und angrenzende Themenfelder in der Zeit für zwei Jahre ab Erscheinen des Magazins gesperrt“, so Hartung gegenüber Newsroom.de.

Radau auf Twitter und Facebook

Auf Twitter wies David Schraven, Recherche-Chef der Essener Funke Mediengruppe, „Zeit-Online“-Chefredakteur Jochen Wegner öffentlich darauf hin, dass Moritz Gathmann für die von der russischen Regierung mitfinanzierte Beilage „Russland Heute“ arbeitet. Der reagierte - obwohl er in den USA weilte - sofort, die Causa Gathmann war innerhalb von zwei Stunden gelöst, öffentlich teilte Wegner mit, dass "Zeit Online" sich von dem Autoren getrennt habe, wofür sich David Schraven bedankte.

Schraven betrachtet gegenüber Newsroom.de Gathmanns Arbeit für "Russland Heute" als „einen echten Interessenkonflikt, der schwer mit unabhängiger Arbeit in Einklang zu bringen ist“.

Die Reaktion von „Zeit Online“, aber auch David Schravens Aktionen in den sozialen Netzwerken sorgen für massive Kritik.

Solidarität mit Moritz Gathmann

So nimmt unter anderem die freie Journalistin Gemma Pörzgen Moritz Gathmann auf Facebook in Schutz: „Ich möchte mit diesem Eintrag für kollegiale Unterstützung für unseren Kollegen Moritz Gathmann werben. Er berichtet als engagierter, freier Journalist seit Monaten für deutschsprachige Medien aus der Ukraine. Zuvor hat er mehrere Jahre in Moskau als freier Korrespondent gearbeitet und ist ein ausgezeichneter Osteuropa-Kenner, der mit großem Engagement und guter Schreibe ein großer Gewinn für die Berichterstattung vieler deutscher Medien ist. In den letzten Tagen gab es eine böswillige Kampagne von Kollegen gegen ihn, die unter anderem per Twitter und Facebook lief“, so Gemma Pörzgen.

Pörzgen, selbst ausgewiesene Kennerin von Osteuropa, betrachtet die Vorwürfe, dass Moritz Gathmann "Kremlpropaganda" betreibe, als unfair, sie seien ein gezielter Versuch, „einen Journalisten zu verleumden, dessen Darstellung einem nicht passt. Zeit Online hat nun die Zusammenarbeit mit Moritz Gathmann aufgekündigt, obwohl er noch in der Ukraine ist. Ich finde das im Umgang mit einem freien Kollegen indiskutabel und für ein Medium wie die "Zeit" unverzeihlich“, so Gemma Pörzgen.

Andere russlanderfahrene Kollegen "gratulieren" "Zeit Online", weil sie sich mit der Trennung von Moritz Gathmann selbst schwächen würden.

Ohne PR-Aufträge können sich immer weniger Freie finanzieren

Die Debatte um Moritz Gathmann führt aber auch wieder zu einer notwendigen Diskussion um die Bezahlung von freien Journalisten.

Wie die „Freischreiber“ kritisiert der Deutsche Journalisten-Verband die Situation von freien Journalisten: „Es gibt durchaus nach wie vor zahlreiche freie Journalisten, die von ihrer Tätigkeit gut leben können, ohne PR-Aufträge annehmen zu müssen. Aber der Trend weist leider in eine andere Richtung: Die Honorare steigen nicht, die Aufträge von Redaktionen an Freie auch nicht. Da bleibt einer wachsenden Zahl freier Journalisten nur die Möglichkeit, zusätzlich in der Öffentlichkeitsarbeit aktiv zu werden.“

„Die freien Journalisten, die nicht als Starautoren bezahlt werden, oder regelmäßig Redaktionsdienste absolvieren oder als Pauschalisten bezahlt werden - also die Allermeisten - können ohne PR-Aufträge nicht mehr vernünftig leben“, stellt Benno Stieber, Vorsitzender von „Freischreiber“, fest.

Nicht verstehen kann Benno Stieber die Äußerungen von David Schraven, Recherche-Chef der NRW-Tageszeitungen der Funke Mediengruppe ("Westdeutsche Allgemeine Zeitung", "Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung") in Essen.

„Von David Schraven als Vorstandsmitglied von Netzwerk Recherche ist es kein guter Stil, über soziale Netzwerke Moritz Gathmanns Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen, allein aufgrund der Tatsache, dass er auch für "Russland Heute" gearbeitet hat. Da hätte etwas mehr Recherche über das unbestrittene Renommee Gathmanns dem Kollegen Schraven gut angestanden. Das bei einem Freiberufler zu tun, grenzt schon an Rufmord. Ich hoffe, er entschuldigt sich“, so Benno Stieber.

Gegenüber Newsroom.de hatte Moritz Gathmann deutlich gemacht, warum er als Gastredakteur für die vom Kreml finanzierte Beilage der „Süddeutschen Zeitung“ tätig war: „In gewisser Weise hat die Redakteursarbeit für Russland Heute mir auch erlaubt, mich in der übrigen Zeit mit "reinem", aber schlecht bezahltem Journalismus zu beschäftigen“, so Moritz Gathmann, der inzwischen von sich aus die Arbeit für "Russland Heute" beendet hat.

Bülend Ürük

Was sagen Sie zu dem Fall Moritz Gathmann? Schreiben Sie mir: chefredaktion@newsroom.de.

 

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