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Kriegsreporter Martin Lejeune in Gaza: „Wir kämpfen um unser Überleben“

„ Es gibt keinen Schutz, keine Luftschutzkeller, keine Bunker. Es gibt keinen sicheren Ort in Gaza“, sagt Kriegsreporter Martin Lejeune, der direkt aus Gaza über das Leid der Palästinenser berichtet. Von Bülend Ürük.

Berlin - Gegenüber NEWSROOM sagt Martin Lejeune: „Wenn eine Bombe fällt ist der Schrecken erstmal groß. Einmal ist die Bombe eines Kampfjets 50 Meter von mir entfernt eingeschlagen und ich habe Staub gefressen. Herumfliegende Trümmerteile haben mich nur knapp verfehlt.“

„Ich habe Staub gefressen“

Herr Lejeune, Gaza ist unter Beschuss. Sie sind vor Ort. Was passiert da genau?

 

Martin Lejeune berichtet aus Gaza. Zu NEWSROOM sagt er: "Wir kämpfen ums Überleben."

 

Martin Lejeune: Seit dem 8. Juli werden - teilweise im 30-Sekunden-Takt - die Menschen im Gazastreifen bombardiert, zu Luft, zu Land und zu See. Eine halbe Million von 1,8 Millionen Einwohnern Gazas sind auf der Flucht. Die Krankenhäuser haben keine Medizin mehr. Weite Teile des Gazastreifens liegen in Trümmern. Das sehen Sie in den Videos, die ich auf meinem YouTubeKanal hochlade und noch hochladen werde. Alle meine Videos sind auch auf meinem Tumblr Blog, auf meinem Facebook- und auf meinem GooglePlus Profil verlinkt. Ich publiziere beinahe nur noch auf Social Media Plattformen. Gedruckt werde ich nur von der taz. Und manchmal ruft der WDR an. Ein toller Sender.

Sie leben in Gaza bei einer Familie. Wie sieht der Alltag im Moment aus?

Martin Lejeune: Wir kämpfen sehr um unser Überleben, das heißt, nicht nur vorsichtig sein und möglichst nicht bei Dunkelheit aus dem Haus gehen, denn nachts gehören die Straßen den Kämpfern und man würde sofort ein potentielles Ziel der Drohnen sein, wenn man nachts mit dem Auto durch den Gazastreifen fährt. Der Reproduktionsprozess gestaltet sich zunehmen schwieriger. Es gibt kein Brot mehr zu kaufen. Wir müssen es selber backen. Es gibt kein Strom mehr in unserem Haus, seitdem vor einer Woche das einzige Elektrizitätskraftwerk des Gazastreifens bombardiert wurde. Wir mussten uns einen Generator organisieren. Weil es keine mehr zu kaufen gab, mussten wir einen kaputten Generator reparieren. Jetzt haben wir auch Benzin besorgt, um abends ein paar Stunden Licht zu haben. Wir haben auch kein Wasser mehr aus der Leitung und waschen uns mit Wasser aus Brunnen.

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Martin Lejeune veröffentlicht seine Berichte inzwischen vor allem über die sozialen Medien: Auf seinem Tumblr-Blog Martin Lejeune hat er seine weiteren sozialen Netzwerke verlinkt. 

 

Martin Lejeune: Es gibt keinen Schutz, keine Luftschutzkeller, keine Bunker. Es gibt keinen sicheren Ort in Gaza. Ich habe auch immer noch keine schusssichere Weste und noch keinen Helm, aber die würden auch nicht helfen, wenn man von den Raketen der F16-Mehrkampffleugzeuge getroffen wird.

Deutsche Medien verzichten auf eigene Korrespondenten in Gaza. Wie erleben Sie die deutsche Berichterstattung über den Konflikt?

Martin Lejeune: Ich selber habe keinen Strom, kein Internet zu Hause und auch keine Zeit die Berichterstattung zu verfolgen. Manchmal gehe ich in das Journalisten-Hotel, in dem die Korrespondenten von BBC, Al Jazeera, CBC, etcc sind und lade dort meine E-Mails herunter. In den Mails schreiben mir Leute aus Deutschland, das es keine angemessen genaue und wahrhaftige Berichterstattung gebe mit Ausnahme der beiden linken Zeitungen „Junge Welt“ und „Neues Deutschland“. Diese beiden Blätter, so schreiben mir die Leute, sind die einzigen Medien in Deutschland, die wirklichkeitsgetreu und ohne Angst gegen die Staatsräson zu verstoßen über Gaza berichten.

Können Sie sich in Gaza frei bewegen? Wie funktioniert journalistische Arbeit, wenn eine Bombe fällt?

Martin Lejeune: Wenn eine Bombe fällt ist der Schrecken erstmal groß. Einmal ist die Bombe eines Kampfjets 50 Meter von mir entfernt eingeschlagen und ich habe Staub gefressen. Herumfliegende Trümmerteile haben mich nur knapp verfehlt. Trotzdem habe ich sofort meinen mit Schuttstaub bedeckten Fotoapparat genommen und Fotos in Mitten der Schuttstaubwolke gemacht. Allerdings sind die Fotos unterbelichtet. Später stellte sich heraus, dass eine Familie in diesem zerbombten Wohnhaus gegenüber zu Schaden kam. in dem Haus gab es keine Kämpfer und keine Abschussrampe für Raketen oder Waffenverstecke.

Mit dem Kriegsreporter Martin Lejeune, zurzeit in Gaza, sprach Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük.

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