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dpa – Anna Ringle

Mächtiger Verleger im Stillen − Dieter von Holtzbrinck wird 80

Seit Jahrzehnten prägt der einflussreiche Unternehmer Dieter von Holtzbrinck, der jetzt 80 Jahre alt wird, die Verlagslandschaft in Deutschland. Und ist dabei fast nie zu sehen.

Stuttgart (dpa) − „Die Zeit“, „Der Tagesspiegel“, das „Handelsblatt“ − hinter diesen Zeitungen steht der Name Dieter von Holtzbrinck. Der einflussreiche Verleger prägt seit Jahrzehnten die Medienbranche in Deutschland. In Stuttgart baute er aus den Verlagsgeschäften seines Vaters einen Global Player auf − von Regionalzeitungen bis Buchverlagen. Sein wohl auffälligstes Merkmal: Von Holtzbrinck ist fast nie zu sehen. Der Verleger wird am Mittwoch 80 Jahre alt.

 

Er repräsentiert einen Verleger- und Unternehmertyp, der im Stillen agiert. Das Schrille, das Laute ist nicht sein Ding. Damit erfüllt er auch ein wenig das Klischee des schwäbischen Unternehmers − von Holtzbrinck wurde am 29. September 1941 in Stuttgart geboren und hat noch heute seinen Firmensitz dort. Sich selbst bezeichnete er einmal in einer Rede zur 70-Jahres-Feier des „Handelsblatt“ im Jahr 2016 als „eitel“. „Aber ich habe stets versucht, diese Eitelkeit zu verbergen. Zumindest in der Öffentlichkeit.»

 

Von Holtzbrinck ist kein Dauergast auf Medienkongressen. Eine Webseite seiner Medienholding DvH Medien GmbH existiert nicht. Interviews gibt er sehr selten. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb 2010 über ihn, dass er in der Vergangenheit schon einmal so begrüßt worden sei: „Ich dachte, Sie sind ein Phantom!»

 

Von Holtzbrinck gehört eines der großen Verlagsportfolios in Deutschland. Der im Bundesanzeiger ausgewiesene Jahresumsatz der Medienholding, die an mehreren Zeitungen Anteile hält, belief sich im Jahr 2019 auf gut eine halbe Milliarde Euro und stieg im Vergleich zum Vorjahr leicht.

 

Einer, der von Holtzbrinck kennt und eng mit ihm zusammenarbeitet, ist Rainer Esser, der Geschäftsführer der Zeit Verlagsgruppe. Auf die Frage, ob es ein Ereignis oder eine Anekdote gebe, die beide besonders verbinde, teilte Esser der Deutschen Presse-Agentur mit: „Über 20 Jahre hat er sich, schließlich erfolgreich, bemüht, von Gerd Bucerius „Die Zeit“ zu erwerben. 1996 gelang ihm auch dieser Coup. Im darauf folgenden Jahr lud er nach Würzburg ein zur jährlichen Verlagsgruppentagung. Im Weinkeller unter der Residenz saß ich ihm gegenüber und bewunderte die Engelsgeduld, mit der er stundenlang, sehr zugewandt und charmant, mit der schwerhörigen Gräfin Dönhoff über die Zukunft der Zeitung sprach.»

 

Beruflich wie privat habe er von dem Verleger dies gelernt: „Dieter von Holtzbrinck hat einen ungeheuren Mut für unternehmerische Entscheidungen.“ Er glaube an Marken, er vertraue Menschen. „Er nimmt gelegentliche Rückschläge mit großer Gelassenheit und schaut immer nach vorne. Ein echter Unternehmer mit Visionen, Vertrauen und Mut. Sein Optimismus, sein Mut und sein Vertrauen haben auch mich angesteckt und haben mir geholfen in entscheidenden Situationen“, betonte Esser.

 

In einem seiner wenigen Interviews sagte von Holtzbrinck 2016 der „Zeit“: „Meine Geschwister und ich sind Verleger geworden, weil wir große Freude an der intellektuellen Herausforderung haben, die das Publizieren von Qualitätszeitungen und anspruchsvollen Buchprogrammen mit sich bringt. Dabei achten wir durchaus auf die finanzielle Stabilität der einzelnen Unternehmen, verfolgen aber keine Gewinnmaximierung, sondern eine langfristige Ausbaustrategie.»

 

Von Holtzbrinck gilt auch als anpackender Sanierer. Bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ läuft es gerade gut. Der Verlag mit Sitz in Hamburg vermeldet steigende Auflagenzahlen. Dort spricht man von einer Rekordauflage von annähernd 600 000 Exemplaren. Das war mal anders. Beim „Handelsblatt“ wiederum gab es in den vergangenen Monaten viele personelle Umwälzungen in den Chefetagen. In der Handelsblatt Media Group in Düsseldorf wurde zudem 2020 ein Stellenabbau von 80 Jobs angekündigt, laut Unternehmen ein Anteil von unter 10 Prozent der gesamten Mitarbeiterzahl.

 

Trotz der spärlichen Präsenz in der Öffentlichkeit gab es Momente, in denen sich die Aufmerksamkeit auf den Verleger richtete. Spektakulär war etwa im Jahre 2009 seine Rückkehr ins Zeitungsgeschäft, nachdem er sich ab 2006 aus dem Familienkonzern der Holtzbrinck-Gruppe eigentlich schon zurückgezogen hatte. Von diesem Konzern nahm er schließlich Zeitungstitel in die gegründete Gesellschaft Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH (DvH Medien), dazu zählen die überregionale Titel „Handelsblatt“, „Tagesspiegel“ und „Die Zeit“ (mit einer Beteiligung von 50 Prozent).

 

Von Holtzbrinck war bis 2006 mit seinen Geschwistern, darunter dem jüngeren Halbbruder Stefan, Miteigentümer des vom Vater Georg (1909-1983) aufgebauten Verlagshauses gewesen. Dort war er lange auch im Operativen tätig. Stefan von Holtzbrinck leitet die Holding-Gesellschaft, die heute „Holtzbrinck Publishing Group“ heißt. Zu dem Portfolio gehören zum Beispiel renommierte Buchverlagshäuser wie Rowohlt oder S. Fischer ebenso wie Wissenschafts- und Fachpublikationen (Springer Nature) und die andere Hälfte der „Zeit“-Verlagsgruppe.

 

Aufsehen erregte zudem im Jahr 2018, als sich Verleger Dieter von Holtzbrinck und „Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart beruflich trennten. Er hatte den damaligen Chefredakteur Steingart Jahre davor zum Miteigner der „Handelsblatt“-Gruppe gemacht. Dieser erhielt viele Freiheiten bei der Gestaltung des Blattes. Dem überraschenden Abgang von Steingart ging dessen scharfe Kritik am damaligen SPD-Parteichef Martin Schulz voraus.

 

2016 gab von Holtzbrinck den Posten als Aufsichtsratschef seiner DvH Medien GmbH mit seinem 75. Geburtstag ab. „Die drei Verlage mit ihren großen Titeln sind in einer so ausgezeichneten Verfassung, dass ich mit bestem Gewissen die Nachfolgeregelung in Kraft setze“, erklärte von Holtzbrinck damals in einer Mitteilung. Er freue sich auf seine künftige Rolle „als nicht operativer Verleger“.