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Forscher findet: Polizei sollte Herkunft von Verdächtigen nicht nennen

Die Herkunft von Tatverdächtigen ist ein Zankapfel. Politiker fordern die Polizei in den Ländern auf, sie nun zu nennen. Ein Medienforscher warnt eindringlich davor.

Hamburg (KNA) Die Herkunft von Tatverdächtigen hat aus Sicht des Journalismusforschers Thomas Hestermann in Pressemitteilungen der Polizei nichts zu suchen. „Ich kenne keine ernstzunehmende Studie, die Kriminalität mit der Nationalität erklärt. Die Polizei muss nicht der drängenden Neugier bestimmter Kreise nachgeben, sondern sagen, was relevant ist“, sagte der in Hamburg lehrende Medienexperte im Interview des „Spiegels“ (Samstag).

Zuletzt hatte das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen Pläne vorgelegt, wonach die Nationalität eines Tatverdächtigen standardmäßig in Pressemitteilungen der Polizei genannt werden solle. Damit solle mehr Transparenz geschaffen werden. Auch auf Bundesebene hatten Politiker mehrerer Parteien gefordert, die Herkunftsnennung in Polizeimitteilungen bundesweit festzuschreiben.

Knackpunkt Transparenz
Mit der Nennung der Nationalität werde aber nicht mehr Transparenz geschaffen, kritisierte Hestermann. „Transparenz im kriminologischen Sinne wären Angaben über Gewalterfahrungen in der Kindheit, Wohnverhältnisse, die Bleibeperspektive, den Bildungsstand. Das alles hat einen Einfluss darauf, ob jemand straffällig wird, nicht die Nationalität.“ In der tagesaktuellen Berichterstattung sei diese Form der Transparenz aber unmöglich zu erreichen.

Zudem warnte Hestermann, dass dadurch die Gefahr einer Vorverurteilung steige, da in Polizeimitteilungen zunächst Tatverdächtige, aber keine Verurteilten genannt würden. „Die Wirkung einer Pressemitteilung über einen zu Unrecht Beschuldigten, die kann niemand zurückholen.“

Aktuell zeige sich bereits, dass in Polizeimeldungen die Herkunft bei Deutschen selten, bei Ausländern jedoch überproportional genannt werde. Auch überregionale Medien richteten inzwischen „ihr Brennglas auf Verdächtige ohne deutschen Pass“, mahnte Hestermann. „Diese Verzerrung ist der Alltag, nicht das Verschweigen. Die Berichterstattung ist bisweilen weit entfernt von der Statistik.“