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Wie Medienprofis eigene Grenzen und Schwächen erkennen und respektieren

Wie Medienprofis eigene Grenzen und Schwächen erkennen und respektieren Attila Albert (Foto: T. Ramsey)

Es ist vielfach empfehlenswert, sich beruflich oder privat zu verändern, um erfolgreicher zu werden. Aber manche eigene Unzulänglichkeit nimmt man besser einfach hin und gestaltet sein Leben entsprechend. Karrierecoach Attila Albert sagt, wie man erkennt, wann welcher Weg sinnvoller ist.

Wer sich fragt, warum er beruflich bisher nicht so weit gekommen ist, wie er sich das einmal vorgestellt hatte, stößt häufig auf sehr konkrete Hürden: „Ich müsste in den Konferenzen mehr sagen, aber ich trau’ mich nicht“, beispielsweise. Oder: "Ein eigenes Projekt wäre gut, um gesehen zu werden, aber mir fällt nichts ein", vielleicht auch: „Ich sollte mehr für mich einstehen, mache aber doch immer wieder, was mein Chef will.“ All das sind Grenzen und Schwächen, die den persönlichen Erfolg enorm beeinträchtigen können – und zwar nachhaltig über Jahre hinweg, übrigens ebenso im Privatleben (z. B. beim Dating).

 

Rein intellektuell weiß man meist selbst, was zu tun wäre, eventuell auch, wie man vorgehen müsste. Doch man zögert und wartet ab, als wäre man innerlich blockiert, oder gibt schon nach wenigen Versuchen wieder auf: „Das klappt ja sowieso nicht“, „Vielleicht bin ich einfach nicht der Typ dafür“. Doch der Preis dafür ist zu hoch, um es dabei zu belassen. Gezielte neue Anläufe, mit bescheidenen Zielen, dafür ausdauernd und eventuell mit professioneller Hilfe können deutliche Veränderungen bewirken. Gleichzeitig gibt es eigene Grenzen und Schwächen, die man – einmal erkannt – respektieren sollte: „So bin ich eben.“

 

Was funktioniert, genügt schon

Ein Kriterium für die Unterscheidung könnte sein, ob Ihr Leben auch so ausreichend gut funktioniert. Vielleicht nicht „optimal“, aber gut genug. Beispiel: Sie fühlen sich unwohl, wenn Sie vor einer Gruppe sprechen müssen. Aber das spielt in Ihrem beruflichen Alltag kaum eine Rolle, also können Sie es auch dabei belassen. Suchen Sie dagegen eine neue Stelle (Vorstellungsgespräche) oder wollen sich eine Selbstständigkeit aufbauen (Präsentationen, Verkauf), wird das zum Hindernis. Dann gehen Sie es besser an – und werden wegen der praktischen Vorteile (z. B. neuer Job, höheres Einkommen) auch dazu motiviert sein.

 

Grundsätzlich hat jeder seine Grenzen und Schwächen, das ist nur menschlich. Sie sollten weder dazu führen, sich selbst herabsetzen und zu verurteilen („Ich kriege einfach nichts hin“), noch dazu, sie zu verleugnen oder schönzureden („Ich bin einfach besonders, das verstehen die anderen nur nicht“). Ein Mittelweg ist ein realistischer, aber empathischer Blick auf sich selbst, um erkannte persönliche Stärken zu würdigen, einige ausgewählte Schwächen gezielt anzugehen und andere anzunehmen, so lange sie eben nicht zu gravierenden Nachteilen für Sie oder Ihr direktes Umfeld (Kollegen, Familie) führen. (Falls Abgrenzen im Job eine Herausforderung für Sie ist: Über Nähe und Distanz am Arbeitsplatz habe ich kürzlich ausführlich im Podcast von WDR 1 Live gesprochen.)

 

Positives Vorbild für sich selbst

Hilfreich ist dabei, sich eine Zukunftsvision für sich selbst zu entwerfen: Ein gedankliches Bild davon, wer und wie Sie in zwei bis fünf Jahren sein wollen. Das motiviert und klärt, was Sie angehen müssten und was bleiben kann, wie es ist. Beispiel: Sie sind derzeit eine junge Redakteurin, die sich unsicher fühlt, zudem manchmal auch noch etwas unbeholfen auftritt. Aber Sie wollen eine Teamleiterin werden, die selbstbewusst ist, von den anderen anerkannt und respektiert wird. Das geht über den Stellentitel und die Aufgabe hinaus und erweitert den Fokus auf soziale Kompetenzen, das Auftreten und Verhalten im Team.

 

Wie schwierig es ist, sich zu verändern, wird fast immer unterschätzt (daher konzentrieren sich die meisten auch lieber darauf, dass sich die anderen ändern sollten). Schon eine kleine Selbstüberwindung oder Verbesserung des eigenen Verhaltens braucht viel Zeit, Geduld und einzelne Anläufe. Beispiel: Sie lästern häufig über andere Kollegen, was inzwischen Ihrem eigenen Ruf schadet. Hier könnten Sie ergründen, was Sie eigentlich wirklich frustriert, mehr Empathie mit schwierigen Mitmenschen üben, in entscheidenden Momenten einen vorbereiteten Standardsatz statt neuer verletzender Kritik äußern.

 

Langfristig passendes Umfeld suchen

Persönliche Grenzen und Schwächen stehen allerdings nie losgelöst für sich, sondern sind in ihrer Wirkung vom Umfeld abhängig. Was an einer Stelle hinderlich ist, das ist an anderer vielleicht sogar vorteilhaft. Im obigen Beispiel: In einem Unternehmen, das eine ehrgeizige, fast aggressive Kultur hat, wird man Ihnen offene Kritik gar nicht übelnehmen, sondern als Lernmöglichkeit sehen. Das gilt auch für Arbeitsorte. In einem niederländischen Unternehmen sind offene, fast scharfe Worte normal, in einem Schweizer Unternehmen, in dem Subtilität und Konsens zählen, würden man sich eventuell bald von Ihnen trennen.

 

Langfristig ist es daher sinnvoll, sich nicht komplett ändern zu wollen, sondern sich ein passendes Lebensmodell und entsprechendes Umfeld zu suchen. Auch hierzu ein Beispiel: Sie arbeiten ungern im Team, haben sich aber immer wieder dazu gezwungen, weil Ihnen das als normales, einzig akzeptables Arbeitsmodell galt. Nun wechseln Sie lieber in die Selbstständigkeit oder projektbezogene Mitarbeit, haben dadurch wechselnde Phasen von Team- und Einzelarbeit. Ersteres verschafft Ihnen soziale Kontakte, nun aber begrenzt, zweiteres die nötigen Ruhezeiten. Sie leben und arbeiten damit so, wie es zu Ihnen passt.

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.