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Künstliche Intelligenz und menschlicher Journalismus vereint – Kann das klappen?

Künstliche Intelligenz und menschlicher Journalismus vereint – Kann das klappen? Patrick Swanson (Foto: Verso)

„Eine Redaktion, die tollen Journalismus macht, aber neue Technologie nicht nützt, bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück“, sagt Patrick Swanson. Der Journalist und Berater zeigt, wie die KI zu einem „menschlichen Journalismus“ verhelfen kann, ohne dass Arbeitsplätze verloren gehen.

San Francisco – „Wer das beste Produkt machen will, setzt auf Co-Intelligenz“, sagt Patrick Swanson im „medium magazin“-Interview mit Köksal Baltaci. Mit seinem US- amerikanischen KI- Beratungslabor Verso will der frühere Head of Social Media bei der „Zeit im Bild“ des ORF zeigen, wie die KI zu einem „menschlichen Journalismus“ verhelfen kann.  

 

Welche Rolle wird KI künftig in den Medien spielen?

Patrick Swanson: Wir stehen vor einer großen Veränderung, die sowohl die Arbeit von Journalisten als auch das Nutzungsverhalten des Publikums betrifft. Wir können Inhalte personalisieren und für jede Leserin maßschneidern. Aus einem Artikel können wir in Sekunden einen Podcast, Newsletter oder ein Tiktok-Skript erstellen. Das ist keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Ein Beispiel: Wir haben bei Verso eine Daten-Pipeline entwickelt, die täglich die neuesten Research-Paper zu KI analysiert, die spannendsten auswählt, ein Podcast- Skript erstellt, es mit KI-Stimmen vertont und uns morgens den Podcast und die Papers als Newsletter schickt. In der Recherche können wir jetzt schnell mit großen Datensätzen in allen Sprachen arbeiten. Tools wie NotebookLM von Google bieten spannende neue Möglichkeiten für den Investigativjournalismus. Und: Unmögliche Dinge werden möglich. Mit Tools wie Cursor können jetzt auch Nicht-Programmierer eigene Software entwickeln. Das kann den Onlinejournalismus, die Geschäftsentwicklung und Innovation völlig verändern – wenn man weiß, wie man diese Skills richtig einsetzt. Zudem will ich noch mit einem Vorurteil aufräumen: Wer bei KI nur an Effizienz und Personalkosten denkt, der hat die Technologie noch nicht verstanden. Ja, wir können manches automatisieren – aber die echte Revolution sind die neuen Möglichkeiten für Kreativität, Storytelling und Interaktion. Das Ziel sind eben nicht Roboter. Das Ziel ist menschlicher Journalismus, unterstützt von Technologie.

 

 

Das Ziel sind nicht Roboter, sagten Sie. Das Ziel ist menschlicher Journalismus, unterstützt von Technologie. Können Sie dazu Beispiele nennen? Das frage ich deshalb, weil erste Zeitungen damit anfangen, das Lektorat abzuschaffen und durch KI zu ersetzen. Die Angst, dass die KI Jobs kosten wird, ist also sehr wohl vorhanden.

Das ist der wichtigste Punkt. Für jede einzelne Idee, die ich hier nenne, braucht es menschliche Journalisten. Die KI kann Headline-Ideen generieren, aber richtig gut wird es nur, wenn wir Menschen die beste Idee auswählen und verfeinern. Die KI kann ein Skript für ein Tiktok generieren, aber erst der menschliche Input macht daraus ein großartiges Video. Die KI kann einen Prüfbericht auswerten, aber das Gespür für die Recherche, der Kontakt mit Quellen – dafür braucht es Menschen. Genauso wichtig ist der menschliche Faktor bei ethischen Überlegungen. Wie gehen wir mit KI-generierten Inhalten um? Wie stellen wir Transparenz sicher? Diese Fragen können nur von Journalisten beantwortet werden, nicht von Algorithmen. Bei Verso helfen wir Medienhäusern, Ethik-Richtlinien und Workflows zu entwickeln, die einen verantwortungsvollen Umgang mit KI sicherstellen. Auch für den Business-Teil gilt: Wir können synthetische Marktforschung betreiben und in kurzer Zeit sehr günstig Dutzende Produktideen abtesten. Das ist sensationell. Aber der zweite Schritt ist natürlich Feedback von Menschen. Ich bin überzeugt davon, dass das der richtige Weg ist, und zwar auch finanziell. Smarte Unternehmen werden erkennen, dass es am Ende um das Publikum und das Produkt geht. Ein vollautomatisiertes Roboter-Medium mag günstig in der Produktion sein, aber es ist nicht hochwertig. Der Mensch fehlt. Auf der anderen Seite: Eine Redaktion, die tollen Journalismus macht, aber neue Technologie nicht nützt, bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück. Wer das beste Produkt machen will, setzt auf Co-Intelligenz: Menschlicher Journalismus, unterstützt von Technologie. Und das beste Produkt wird am Ende gewinnen – inhaltlich und finanziell.

 

Zum ganzen Interview

 

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