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Medienprofis sollten anders mit Google umgehen – vier Vorschläge

Medienprofis sollten anders mit Google umgehen – vier Vorschläge Markus Wiegand

„kress pro“-Chefredakteur Markus Wiegand findet das Verhältnis vieler Führungskräfte in der Medienbranche zu Google „seltsam emotional“. Das sind Wiegands coole Ratschläge für einen besseren Umgang mit dem Tech-Riesen.

Berlin – Das Verhältnis vieler Führungskräfte in dieser Branche zu Google ist seltsam emotional, schreibt Chefredakteur Markus Wiegand im Editorial zur aktuellen Ausgabe von „kress pro“. Und weiter: In den Digitalabteilungen gibt es etliche Fans, die dem Tech-Unternehmen ziemlich naiv abnehmen, dass Google guter Journalismus ein Anliegen ist. Auf der anderen Seite der Barrikade stehen diejenigen, die sich in Rage reden und Google für die Probleme des eigenen Geschäfts in der digitalen Welt verantwortlich machen. Das ist auch irgendwie drüber.

 

Google ist nicht gut, Google ist nicht böse, Google will Geld verdienen. Und das ist okay. Wenn marktbeherrschende Stellungen entstehen, muss der Staat reagieren. Und das passiert, wenn auch recht langsam. Unabhängig davon sollten Medienunternehmen einfach ganz rational ihre Interessen vertreten. Denn genau das macht auch Google. Vier Vorschläge.

 

1. So wenig Abhängigkeit wie möglich
Wir haben für die Titelstrecke in dieser Ausgabe mit vielen Digitalprofis gesprochen. In einem Punkt herrscht Einigkeit: Medien sollten viel Mühe und Zeit einsetzen, um selbst möglichst viele Stammkunden zu gewinnen und zu halten. Reichweite ist letztlich der Treibstoff für Vermarktungs- und für Vertriebserlöse. Wer sich dabei stark auf externe Traffic-Lieferanten verlässt, geht ein hohes Risiko ein.

 

2. So viel Traffic wie möglich
Dennoch sollten Medienmarken natürlich alle Möglichkeiten nutzen, Traffic durch Google (oder andere digitale Player) zu bekommen. Das wird immer anspruchsvoller. SEO-Experte Jens Fauldrath schlägt im Interview dazu beispielsweise das Republishing von Artikeln und Evergreen-Content vor. Etwas, das noch wenige Medien im Fokus haben.

 

3. Erlöse über Lizenzierung
Das Thema wird in vielen kleinen Häusern unterschätzt. Seit Mitte 2021 gilt das Presseleistungsschutzrecht. Die Ansprüche durchzusetzen, ist schwierig. Im Verbund mit anderen tut man sich leichter. Die Verwertungsgesellschaft Corint Media versucht, eine hohe Summe für Medienunternehmen herauszuholen. Möglichst viele sollten sich dazu Corint anschließen, um der Marktmacht von Google etwas entgegenzusetzen. Die Kosten sind überschaubar. Und inzwischen ist es sogar möglich, neben den Ansprüchen des Leistungsschutzrechts (über Corint) einen zusätzlichen Deal mit Google abzuschließen. Derzeit liegt der Ball beim Deutschen Patent- und Markenamt, das im Rahmen eines Schiedsverfahrens eine Entscheidung über die Höhe der Ansprüche fällen wird.

 

Wichtig: Nach einem möglichen Gang durch die Instanzen muss Google (und andere Betreiber von Suchmaschinen wie Microsoft) diese Ansprüche auch rückwirkend abgelten. Ich kann keinen Grund erkennen, warum sich nicht mehr Medienunternehmen diese Option sichern sollten. Bisher hat es Google geschickt verstanden, die Branche zu spalten. Mit den sogenannten Leitmedien wird gekuschelt, der Rest schaut in die Röhre.

 

4. Kritisch bleiben
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber ich habe das Gefühl, dass in großen deutschen Medien sehr viel und kritisch über die Mächtigen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft berichtet wird. Fragen Sie mal Kanzler Olaf Scholz, Mercedes-Benz-Group-Chef Ola Källenius oder Nationaltrainer Julian Nagelsmann.

 

Gemessen an der Bedeutung für den Alltag der Menschen sehe ich wenig kritische Begleitung der digitalen Mächte wie Google und Co. Ja, ich weiß: Es ist nur ein Gefühl. Vielleicht könnte ein Medienforscher oder eine Medienforscherin die These mal überprüfen. Am besten jemand, der nicht von Google-Geld profitiert.

 

Jetzt können Sie zu Recht fragen: Warum erledigt das der Herr Chefredakteur nicht selbst? … wir bleiben dran. Versprochen. Falls Sie dabei helfen wollen, schicken Sie mir doch einen dieser geheimen Google-Verträge. Danke im Voraus.

 

Die Top-Themen im aktuellen „kress pro“:

  • Was jetzt Traffic bringt: SEO-Experte Jens Fauldrath sagt, wie Publisher im KI-Zeitalter ihre Reichweiten optimieren.
  • Herausforderung Google Discover und KI: Wie zwölf führende Digitalprofis reagieren
  • Marktüberblick: Die wichtigsten digitalen Dienstleister 
  • Neue Projekte: Wie und wo der Spiegel auf KI setzt
  • „Kaum Kannibalisierung“: RTL-Streaming-Chef Henning Nieslony über RTL+