Pressefreiheit
KNA – Katrin Gänsle

Einschüchterung und Gewalt: Afrikanische Umweltjournalisten unter Druck

Ausbleibender Regen im Sahel; Überschwemmungen an den Küsten. Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich in Afrika besonders bemerkbar. Journalisten kämpfen dafür, häufiger und fundierter darüber berichten zu können.

Kaduna/Kampala (KNA) – Ibrahima Yakubu postet fast täglich Fotos auf Facebook. Mal steht er in einem ausgetrockneten Flussbett, mal knietief im Schlamm. Auf manchen Bildern ist der hochgewachsene Mann, der meist Jeans und karierte Hemden trägt, auch von riesigen Müllbergen umgeben. Immer dabei sind Mikrofon, Headset und Aufnahmegerät.

 

Der Journalist arbeitet in seiner Heimatstadt Kaduna im Norden Nigerias und berichtet für das dortige Programm der Deutschen Welle in der Ortssprache Hausa sowie für lokale Radiosender und Online-Zeitungen. Seine Herzensangelegenheit sind Themen rund um Klimawandel, Umweltschutz, Naturkatastrophen und ökologische Landwirtschaft. Dafür hat er den Zusammenschluss „Afrikanische Klima-Reporter“ (ACR) gegründet. Auf der Online-Plattform veröffentlicht er eigene Reportagen und sammelt Berichte rund um seinen Arbeitsschwerpunkt. Begonnen mit der Umweltberichterstattung hat er vor zehn Jahren. „Ich habe damals gemerkt, wie weitreichend die Konsequenzen sind.“

 

Klimawandel mit tödlichen Konsequenzen

Für alle sichtbar sind beispielsweise Überschwemmungen. „Aber auch Viehhirten bringen ihre Tiere in die Städte, weil Weideflächen knapp werden.“ Das führt zu zahlreichen gesellschaftlichen Konflikten bis hin zu schweren Ausschreitungen mit Hunderten Toten. In den Streit um Ackerflächen und Weideland wird mitunter der Aspekt der Religion gemischt. Sesshafte Farmer sind eher Christen, Viehhirten der Ethnie Fulani fast ausschließlich Muslime. Eigentliche Ressourcenkämpfe werden so religiös gefärbt.

 

Ibrahima Yakubu kritisiert Umweltverschmutzung ebenso offen wie er Ankündigungen der nigerianischen Regierung auseinanderpflückt. Ab und zu betont diese, das Thema Klimawandel für sich entdeckt zu haben, oder will spezielle Geldtöpfe bereitstellen, um die Folgen der Klimakrise abzumildern. Das hängt auch mit den verheerenden Überschwemmungen im Jahr 2022 zusammen. Nach schweren Regenfällen mussten 1,3 Millionen Menschen ihre Häuser und Dörfer verlassen. 600 starben, 200.000 Gebäude wurden nach Informationen des Kinderhilfswerks Unicef ganz oder teilweise zerstört.

 

Ein Jahr später schickte Nigeria, an dessen Spitze seit 2023 Bola Tinunbu steht, eine besonders große Delegation zur Weltklimakonferenz COP28 nach Dubai. „Dieser ganze Lärm darum ist nutzlos, wenn Regierung und Verantwortliche keine Lösungen für Betroffenen entwickelt werden“, kritisiert der Journalist Yakubu.

 

Kritik an Unternehmen ist unerwünscht und gefährlich

Generell ist Kritik an Regierungen, die sich nicht um die Folgen des Klimawandels kümmern, auf dem afrikanischen Kontinent die große Ausnahme. Gleiches gilt für Kritik an Konzernen, die große Flächen für den Anbau von Monokulturen abholzen lassen, Landnahme im großen Stil betreiben oder sich nicht um Umweltstandards kümmern.

 

Denn die Arbeit von Umweltjournalisten ist riskant. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Untersuchung der Unesco, die den Titel „Presse und Planet in Gefahr“ trägt. Demnach wurden von 2009 bis 2023 mindestens 749 Umweltjournalisten in 89 Ländern angegriffen: 44 starben; mindestens 24 überlebten Mordanschläge. Die Zahl der Angriffe hat in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen.

 

Das kann auch daran liegen, dass sich zunehmend Journalisten auf das Themengebiet Klima und Umweltschutz spezialisieren. Zahlreiche Netzwerke wie 2022 das Oxford Climate Journalism Network sind in den vergangenen Jahren entstanden. Auszeichnungen für Reportagen oder Radio-Feature, die in international bekannten Medien gedruckt und gesendet wurden, gehen aber überwiegend an Journalisten aus dem Globalen Norden. Gleichzeitig haben diese einen besseren Zugang zu Fonds für aufwendige Recherchen. Genau diese Fonds sind aber nötig, um über längere Zeiträume zu recherchieren: Wie multinationale Konzerne agieren, welche geheimen Deals es mit Regierungsvertretern gibt, wie sich das auf Dörfer auswirkt. Die Arbeit ist mühsam und langwierig.

 

Einschüchterung und Gewalt an der Tagesordnung

In der ugandischen Hauptstadt Kampala leitet Robert Ssempala die Nichtregierungsorganisation Menschenrechtsnetzwerk für Journalisten. Der Journalist beobachtet: „Umweltjournalismus wird täglich beliebter. Es ist eins der ganz neuen Felder, in das Journalisten gehen.“ Grund dafür sind die Entwicklungen vor Ort: Die wachsende Bevölkerung - die Einwohnerzahl hat sich in den vergangenen 25 Jahren etwa verdoppelt und lag laut Weltbank im Jahr 2022 bei gut 47 Millionen Menschen - braucht Wohnraum in Gegenden, die eigentlich unter Naturschutz stehen sollten. Auch schreite die Industrialisierung voran. „Betriebe werden in sumpfigen Gebieten errichtet.“ Die Konsequenzen sind enorm.

 

Diese Entwicklungen würden dazu beitragen, dass sich Journalisten Umweltthemen zuwenden. Gleichzeitig könnte die Aufmerksamkeit noch viel höher sein. Hauptgrund für das Nischendasein sei, so Robert Ssempala, „Angst“ unter Journalisten. Über Uganda schreibt die Organisation Reporter ohne Grenzen: „Journalisten sind fast täglich Einschüchterung und Gewalt ausgesetzt. Sie geraten regelmäßig ins Visier der Sicherheitskräfte, die die Hauptverursacher von Angriffen auf Reporter sind.“

 

Im Umweltjournalismus kommt erschwerend hinzu, dass es „bei diesen Berichten und Reportagen oft um einflussreiche Menschen geht, die Anzeigen in ihren Medienunternehmen schalten.“ Das seien ausgerechnet jene, die gute Kontakte zu den jeweiligen Regierungen hätten. Viele Themen würden deshalb nicht mit ausreichender Tiefe recherchiert. Auch würden Entwicklungen nicht längerfristig begleitet, selbst wenn erste Rechercheergebnisse ein großes Interesse hervorgerufen hätten. „Es gibt viel Selbstzensur“ sagt Ssempala und fordert neben mehr Schutz auch eine bessere Finanzierung.

 

Es fehlt an Wissen zum Klimawandel

In Nigeria sieht Ibrahima Yakubu allerdings auch die Journalisten selbst in der Pflicht. Die große Herausforderung sei, sich ein profundes Wissen anzueignen - über Landwirtschaft, Meteorologie, Klimawandel, die Beschaffenheit von Böden; die Liste ist lang. „Wer ernsthaft berichten möchte, muss Fortbildungen und Seminare besuchen“, sagt Yakubu, der selbst Workshops für Journalisten anbietet.

 

Und um Interesse bei Lesern und Hörern zu wecken, müssen Zusammenhänge erklärt und umsetzbare Tipps für den Alltag gegeben werden. „Es hilft nichts, wenn ich den Klimawandel nur beschreibe. Ich muss über die fatalen Folgen sprechen“, sagt Yakubu. Durch Erosionen würden Farmer in einigen Regionen viele Hektar Land verlieren, die sie einst bewirtschaften konnten. Die Ernteerträge sinken in einem Land, in dem die Bevölkerung jährlich um gut 2,5 Prozent wächst und aktuell bei knapp 240 Millionen liegt. „Wenn ich ihnen erklären kann, wie wichtig das Pflanzen von Bäumen ist, gibt es einen Nutzwert.“