Pressefreiheit
KNA– Jana Ballweber

Vorgehen gegen „Compact“ lässt juristische Fragen offen: „Verfassungsrechtlich ist so ein Verbot immer problematisch“

Das Verbot des rechtsextremen „Compact“-Magazins schlägt weiter hohe Wellen. Fachleute betonen die Bedeutung des Mediums für die rechte Szene. Ob das Verbot vor Gericht Bestand hat, ist aber offen.

Bonn (KNA) – Das Verbot des rechtsextremistischen „Compact“-Magazins durch Innenministerin Nancy Faeser kam einem Paukenschlag gleich. Am frühen Dienstagmorgen hatten Einsatzkräfte Wohnungen und Büroräume des Mediums durchsucht und Dokumente, Datenträger, Wertgegenstände und Merchandising-Artikel beschlagnahmt. Das Heft darf nicht weiter verbreitet werden, Online-Kanäle wurden teilweise gesperrt.

 

Das Innenministerium stützt sich bei seinem Verbot darauf, dass das Medium sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und bei der Verwirklichung der verfassungsfeindlichen Ziele eine „aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung“ einnehme, so das Ministerium in seiner Pressemitteilung.

 

Fachleuten zufolge ist es aber keineswegs sicher, dass das Verbot vor Gericht Bestand haben wird. Benjamin Lück, Rechtsanwalt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, geht fest davon aus, dass die Betreiber rund um den Herausgeber Jürgen Elsässer sich juristisch gegen das Verbot wehren werden - Ausgang offen: „Es ist ein totaler Blick ins Ungewisse, wie die Gerichte entscheiden“, sagt Lück im Gespräch mit dem KNA-Mediendienst.

 

Denn das Innenministerium stützt das Verbot der Medienunternehmen auf das Vereinsrecht. Demnach dürfen Vereinigungen, nicht nur Vereine, sondern zum Beispiel auch Unternehmen, verboten werden, wenn sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Das könnte bei der Compact-Magazin GmbH und der Conspect Film GmbH, den beiden verbotenen Firmen, durchaus der Fall sein. Aber: „Das Vereinsrechts passt nicht zu hundert Prozent auf Presseunternehmen“, merkt Lück an. Medien genießen in Deutschland einen besonderen grundrechtlichen Schutz. In den Verbotsgrundlagen im Vereinsgesetz finde sich keine Regelung, die sagt, dass ein Verein, der Presseerzeugnisse herausgibt, nur unter besonders hohen Voraussetzungen verboten werden darf, so Lück weiter.

 

Kritik vom Verlegerverband
So kritisiert beispielsweise auch der Medienverband der freien Presse, eine Lobbyvereinigung für Verleger, die Entscheidung der Innenministerin als schwerwiegenden Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Pressefreiheit: „Eine Ermächtigungsgrundlage für das Verbot des Verlages nach dem Vereinsrecht erscheint rechtlich zweifelhaft“, schreibt der Verband am Mittwoch in einer Pressemitteilung. Von den Inhalten des betroffenen Magazins distanzierte der Verband sich aber ausdrücklich.

 

Rein formalistisch habe das Ministerium recht, dass man mit diesem Vorgehen auch Medienunternehmen verbieten könne, erklärt Lück. „Die hohen Voraussetzungen, die das Grundgesetz mit Sicherheit daran legt, finden sich im Gesetz aber nicht. Da muss man dann schauen, was das Bundesverwaltungsgericht und letztendlich vielleicht auch das Bundesverfassungsgericht dazu sagen“, so der Jurist weiter.

Die Richter können sich dabei kaum auf vergangene Entscheidungen berufen. Zwar ist „Compact“ nicht das erste Medium, das mit dem rechtlichen Instrument des Vereinsrechts verboten wird. Zu einer finalen, inhaltlichen Entscheidung ist es in der Vergangenheit aber noch nicht gekommen, berichtet Lück.

 

2017 hatte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere die linke Online-Plattform linksunten.indymedia verboten - ebenfalls auf Basis des Vereinsverbot. Ganz vergleichbar sind die Fälle nicht, denn hinter der Plattform steckte kein Unternehmen, und auch die Personen, die sie betrieben haben, konnten nie zweifelsfrei ermittelt werden. Deshalb beschäftigte sich das Bundesverwaltungsgericht auch nicht inhaltlich mit dem Verbot, als es 2020 angerufen wurde. Weil sich die Betreiber nicht zu erkennen geben wollten, waren sie auch nicht berechtigt, sich juristisch gegen das Verbot zu wehren.

 

Wichtiger Akteur der „Neuen Rechten“

„Das Bundesverwaltungsgericht hat damals aber gesagt, dass es nicht mit den Anforderungen des Grundgesetzes vereinbar ist, wenn das Vereinsverbot nur ein Mittel ist, um Meinungsäußerungen oder Publikationen zu untersagen, die für sich genommen den Schutz der Pressefreiheit genießen“, erklärt Lück. Auch wenn die Inhalte des „Compact“-Magazins „unerträglich, hetzerisch und dumm“ seien, fielen sie zu einem Großteil unter den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit.

 

Die Begründung des Vereinsverbots, die das Innenministerium später dem Gericht vorlegen werde, sei nicht öffentlich, erklärte der Jurist. Man könne deswegen nur spekulieren, auf was genau Faeser das Verbot stütze. „Das Bundesministerium hat deutlich gemacht, dass ‚Compact‘ nicht nur wegen der publizistischen Inhalte verboten wurde, sondern weil sie insgesamt ein wichtiger Akteur in den Strukturen der ‚Neuen Rechten‘ sind“, betonte Lück. Es gebe also auch einen nicht-publizistischen Teil der verbotenen Vereinigungen.

 

Die Rolle, die „Compact“ in der rechten und rechtsextremen Szene spiele, schätzt der Politikwissenschaftler Maik Fielitz, der am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena zu Rechtsextremismus forscht, als hoch ein: „Es gibt am rechten Rand kaum einen Akteur, der nicht auf die eine oder andere Art mit ‚Compact‘ verbunden ist.“ Das Magazin sei ein zentrales Bindeglied gewesen, das Impulse aus verschiedenen Akteursgruppen wie der Identitären Bewegung, Pegida, Querdenken oder prorussischen Propagandisten aufgenommen habe und auch einen Brückenschlag zu reaktionären Linken versucht habe. Der Herausgeber Jürgen Elsässer sei auch mit der AfD bestens vernetzt, sagte Fielitz dem KNA-Mediendienst.

 

Mit dem Wegfall von „Compact“ würde ein zentraler Brückenkopf verloren gehen, ist der Wissenschaftler überzeugt. Seit vielen Jahre habe das Magazin sich eine feste Zahl von Abonnenten aufgebaut und sei finanziell auch durch größere Spender unabhängig. Das jährliche Sommerfest habe sich zu einem zentralen Treffpunkt rechtsextremer Gruppen entwickelt. Publizistisch entstehe hier „sicherlich eine Lücke im rechtsextremen Mediensystem“, wenngleich es eine ganze Menge anderer rechter Medien gebe, die das Potenzial zumindest teilweise auffangen können, erklärt der Forscher. Sollte das Verbot juristisch keinen Bestand haben, fürchtet Fielitz, dass das Magazin gestärkt daraus hervorgehen könnte.

 

Scharfes Schwert des Rechtsstaats

Klar ist: Das Verbot eines Mediums ist ein besonders scharfes Schwert des Rechtsstaats. Die Suche nach milderen Mitteln, also beispielsweise das Vorgehen gegen einzelne, unter Umständen strafbare Inhalte des Magazins, sei aus verfassungsrechtlicher Perspektive immer angebracht, sagt Rechtsanwalt Lück. Das Verbot beziehe sich ja aber gerade nicht auf einzelne Inhalte und deren etwaige Strafbarkeit, sondern auf die Umsturzforderungen des Mediums. Hier stelle sich die Frage der Gewichtung, so Lück: „Ist der Sturz des Systems das primäre Ziel der Vereinigung und der Betrieb des Medienunternehmens ist diesem Ziel nur untergeordnet oder sagt man, dass es schon ein Ziel sei, ein Medienunternehmen zu betreiben, das letztlich eine extreme politische Ausrichtung hat?“

 

Unterhalb des Vereinsverbot habe der Staat nicht wirklich ein passendes Mittel im Instrumentenkasten, weil es aus guten Gründen in Deutschland keine starke Regulierung der Medien gebe, die Eingriffe des Staates erlaube, so Lück weiter. Systemkritik als solche sei auch nicht unbedingt strafbar, zumindest solange man sich nicht wie beispielsweise die sogenannte Gruppe Reus zusammenschließe, die in Deutschland einen Putsch geplant hatte und deswegen aktuell vor Gericht steht.

 

Dennoch zittern nach dem „Compact“-Verbot nun auch linke Medien, wie beispielsweise die Zeitung „Junge Welt“, die im Verfassungsschutzbericht auftaucht. „Wenn das Innenministerium das Instrument des Vereinsverbot für Medienverbote fruchtbar macht, kann es künftig gegen linksextreme Medien benutzt werden, gegen rechtsextreme Medien, gegen alle Medien, die vielleicht in Verfassungsschutzberichten der Länder oder des Bundes auftauchen, weil sie unter Verdacht stehen, dass sie gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen“, sagt Lück. Die „Junge Welt klagt gerade vor Gericht gegen ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht.

 

„Wehrhafte Demokratie“

Linksunten.indymedia habe man - im Gegensatz zu „Compact“ - nicht vorwerfen können, ein wichtiger Akteur in der Vernetzung einer extremistischen Szene zu sein, weil man gar nicht wusste, wer das Portal betrieben hat und es deshalb keine eindeutigen Umsturzfantasien gegeben habe, die man den Betreibern oder dem Medium als solches zuordnen konnte. Hier stütze sich das Verbot tatsächlich auf die anonym veröffentlichten Inhalte, die aber nur zu einem kleinen Bruchteil strafrechtlich relevant gewesen seien.

 

Der Fall linksunten.indymedia hat Lück und seinen Kollegen von der Gesellschaft für Freiheitsrecht gezeigt: „Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist so ein Verbot letztlich immer problematisch.“ Das Verbot sei damals bestehen geblieben, weil das Gericht die Rechte der verbotenen Vereinigung nicht prüfen wollte, wenn sich die Mitglieder des Vereins nicht zu erkennen geben und als Kläger auftreten.

 

Dieses Problem dürfte bei „Compact“ nicht bestehen, die Protagonisten sind alle bekannt.

Lück hält es nicht für ausgeschlossen, dass das veränderte gesellschaftliche Klima sich auf die Entscheidung des Gerichts auswirkt: „Die Bedrohung von rechtsextremer Seite ist heute wesentlich realer als noch vor zehn Jahren. Ich weiß nicht, ob die Richter das, was Nancy Faeser ‚wehrhafte Demokratie‘ nennt, heute anders gewichten, als sie es noch vor zehn oder zwanzig Jahren getan hätten.“