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Anzeigenblatt "Blitz-Tip" entlässt alle Mitarbeiter - "Frankfurter Rundschau" übernimmt Redaktion, Anzeigenverkauf und Technik

Im brutalen Geschäft um Werbekunden auf dem heißesten Anzeigenblatt-Pflaster Deutschlands gibt es das erste prominente Opfer. Der "Blitz-Tip", das einst preisgekrönte und innovative Blatt für das Rhein-Main-Gebiet, entlässt alle 53 Mitarbeiter. Der Betrieb wird mit externen Kräften fortgesetzt; Anzeigenverkauf, Technik und Redaktion sollen schon ab dem 1. August Mitarbeiter der "Frankfurter Rundschau" übernehmen.

 

Frankfurt - Anzeigenblätter sind in der deutschen Verlagsszene die Zeitungen, die noch richtig ordentlich Rendite abwerfen. In Frankfurt nicht.

Seit Jahren fährt der Blitz-Tip-Verlag, der im Vorjahr sein 40-jähriges Bestehen feiern konnte, hohe Verluste ein. Über 60 verschiedene Anzeigenblätter erscheinen im Rhein-Main-Gebiet, manche nur für Bezirke, andere in mehreren Städten. Den Wettbewerb angeheizt hat der von Verleger Dirk Ippen im Offenbacher "Metac Medien Verlag" am Sonntag herausgegebene "Rhein-Main Extra Tipp". Die gut gemachte Anzeigenzeitung, als Boulevardblatt deutlich positioniert, erscheint mit einer Auflage von 930.000 Exemplaren ebenfalls im Tabloidformat.

Jetzt ziehen die Gesellschafter die Reißleine - das Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main, die Verlagsgruppe Madsack und die Verlagsgruppe Rhein-Main haben im vergangenen Monat erst den Samstags-Titel "Äppler" eingestellt, den "Blitz-Tip", der bislang am Mittwoch erschien, auf Samstag verlegt und jetzt verkündet, dass alle 53 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen.

Den "Blitz-Tip", der in einer Auflage von 830.000 Exemplaren erscheint, soll es aber als Titel weitergeben.

"Heruntergewirtschaftet und gegen die Wand gefahren", "keine Ahnung vom Anzeigenblattgeschäft", "keine Ahnung von Frankfurt" - wer dieser Tage mit Vertrauten des Frankfurter Verlagswesens spricht, hört viele kritische Stimmen und Vorwürfe vor allem an die Fachleute vom Madsack-Verlag Hannover. Madsack gehören wie der Frankfurter Rundschau je 45 Prozent am "Blitz-Tip-Verlag", die restlichen zehn Prozent hält die Verlagsgruppe Rhein-Main (unter anderem "Allgemeine Zeitung", Mainz; "Wiesbadener Kurier"; "Gießener Anzeiger"). Madsack ("Hannoversche Allgemeine Zeitung", "Leipziger Volkszeitung") gehört zu den großen Anzeigenblattverlagen in Deutschland.

Madsack, so lautet der Vorwurf, habe das Geschäft in Frankfurt schleifen lassen, sich "nicht gekümmert", so ein Insider.

Als die Tageszeitungen den Anzeigenblatt-Verlag übernahmen, war das Traditionsblatt erfolgreich am Markt positioniert. "Ich habe ein gesundes Unternehmen übergeben", sagt Horst Vatter. Der legendäre Gründer vom "Blitz-Tip" ist von den Entwicklungen tief betroffen, "es ist, als ob man sein Kind verliert", klagt Vatter im Gespräch mit NEWSROOM.

Der "Blitz-Tip" war über 15 Jahre lang sogar die größte Anzeigenzeitung in Deutschland. Alt-Verleger Horst Vatter verstand es immer wieder, sein Blatt neu zu erfinden, beispielsweise engagierte er einst sogar den ehemaligen FAZ-Herausgeber Hugo Müller-Vogg als regelmäßigen Kolumnisten.

Die Entscheidung der Eigentümer trifft Vatter bis ins Mark, denn "die Verlage, die dahinter stehen, sind nicht die Ärmsten".

Die Entscheidung, das Anzeigenblattgeschäft an Mit-Gesellschafter "Frankfurter Rundschau" zu übergeben, das selbst seit Jahren darbt, kann Vatter nicht verstehen. "Es ist eine unmögliche Entscheidung. Die Rundschau hat noch nie Anzeigenblätter gemacht und wird es auch nicht können. Wie sollen Leute, die es nicht geschafft haben, ihre Tageszeitung in den Griff zu bekommen, jetzt ein Anzeigenblatt zum Erfolg führen?", fragt Vatter.

Schon jetzt übernimmt die "Frankfurter Rundschau" den Druck, Madsack kümmert sich bislang um die Themen Buchhaltung und Personal von Hannover aus.

Die Mitarbeiter im Haus sind niedergeschlagen, einige sind schon 20 Jahre im Betrieb.

Wie so oft, wenn es in Verlagen unschön zugeht, haben die Eigentümer externe Fachkräfte eingekauft, die abwickeln sollen, als "Buhmänner" sozusagen. Seit einigen Wochen sitzt Michael Bamberger in der Geschäftsführung. Er gibt im Gespräch mit den Mitarbeitern den Rambo, an dem alles abperlt, Zahlen, wie ein möglicher Sozialplan aussehen könnte, nennt er aber nicht.

"Man fragt sich schon, warum sich die Gesellschafter nicht trauen, uns in die Augen zu schauen", sagt ein langjähriger Verlagsangehöriger. Bamberger hat sein Geschäft beim Axel-Springer-Verlag gelernt, verkauft heute seine Expertise als "Manager auf Zeit".

Wo er auftauche, so ein Verlagskenner, wachse kein Gras mehr.

Bülend Ürük

Ihre Einschätzungen zu diesem Thema - natürlich vertraulich - bitte per Mail direkt an chefredaktion@newsroom.de.