Vermischtes
KNA – Jana Ballweber

Belegschaft von RoG kämpft für Tarifvertrag

Die Beschäftigten von Reporter ohne Grenzen streiten mit dem Verein um bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Vorstand und Geschäftsführung sind zwar grundsätzlich zu einem Tarifvertrag bereit, erteilen den meisten Forderungen aber eine Absage – mit Verweis auf die angespannte Finanzlage.

Berlin (KNA) – Die Belegschaft der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen (RoG) kämpft um einen Tarifvertrag. Mit einer aktiven Mittagspause bekräftigten die Beschäftigten am Montag ihre Forderungen nach zusätzlichen freien Tagen und einer verkürzten Wochenarbeitszeit. Dies war eine Reaktion auf die vergangene Verhandlungsrunde, bei der der Arbeitgeber kein neues Angebot vorgelegt habe, berichtet Fabio Niewelt, Mitglied der Tarifkommission, dem KNA-Mediendienst.

 

Schon seit mehreren Monaten ringen Belegschaft, die Gewerkschaft Verdi und RoG als Arbeitgeber um die Einzelheiten einer tariflichen Regelung für die Beschäftigten. „Der Arbeitgeber hat sich entschieden, einen Tarifvertrag mit uns abzuschließen“, berichtet Jörg Reichel, der als zuständiger Verdi-Vertreter an den Verhandlungen beteiligt ist. Man habe sich darauf verständigt, die aktuellen Arbeitsbedingungen zunächst einmal tariflich festzuschreiben – übrigens zum ersten Mal in der Geschichte von Reporter ohne Grenzen.

 

Darüber hinaus müsse es aber ein tarifpolitisches Signal geben, hört man aus der Belegschaft. Gefordert ist zunächst eine Verringerung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde und zwei zusätzliche freie Tage an Silvester und Gründonnerstag. Die Arbeitgeberseite will aber nur einen freien Tag gewähren – den 31. Dezember. Auf den Vorschlag, Gründonnerstag als weiteren freien Tag einzuführen, habe der Vorstand Martin Kaul bei der aktiven Mittagspause erwidert, das sei ein sehr katholischer Feiertag, das passe nicht zu Reporter ohne Grenzen, berichtet Reichel: „Von mir aus können wir auch den 2. Mai nehmen, darum geht es doch gar nicht.“

 

Verhandlungen über Gehalt vertagt

Auf die freien Tage als Signal besteht die Belegschaft, weil sie die Forderungen nach mehr Gehalt mit Blick auf die finanzielle Lage von RoG erst einmal vertagt hat. Wie die allerdings genau aussehe, wisse man nicht, sagt Reichel. Im Rahmen der Verhandlungen habe man keine wirtschaftlichen Unterlagen des Arbeitgebers einsehen dürfen, was aber auch nicht unüblich sei. Vorstand Kaul habe bei der aktiven Mittagspause vor der Belegschaft gesagt, dass man mit einem Plus von zehn Prozent bei den Spenden pro Jahr gerechnet habe und in der Vergangenheit auf dieser Basis bezahlt habe. Diese Hoffnung erfülle sich aber derzeit nicht.

 

Im Jahresbericht des Vereins, der auf der Homepage abrufbar ist, weist Reporter ohne Grenzen für das Jahr 2023 einen Verlust von knapp 350.000 Euro aus. Erstmals seit 2019 überstiegen die Ausgaben von gut 3,5 Millionen Euro die Einnahmen von gut 3,2 Millionen. Die Personalkosten machen mit über 2 Millionen den größte Posten der Ausgaben aus. Dem KNA-Mediendienst sagte der Co-Geschäftsführer Maik Thieme, als gemeinnütziger Verein, der seine Arbeit vor allem durch Mitgliedsbeiträge und Spendengelder finanziere, lege man Wert auf wirksame Mittelverwendung und möglichst gute Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden. Aber: „Den Rahmen setzen uns dazu die finanziellen Möglichkeiten.“

 

Eine schwierige Situation, gesteht Gewerkschaftler Reichel: „Wir haben Verständnis dafür. Es ist ein gemeinnütziger Verein, der von Spenden und Projektmitteln abhängig ist.“ Deswegen habe die Gewerkschaft vorgeschlagen, zunächst einen Tarifvertrag bis zum nächsten Frühjahr abzuschließen, in dem die verringerte Arbeitszeit, die freien Tage und alle bisherigen Regelungen festgeschrieben werden sollen. Bis dahin hätte der Verein und die neue Geschäftsführung Zeit, sich zu sortieren. Seit Frühjahr leiten Anja Osterhaus und Maik Thieme den Verein gemeinsam. Sie folgten als Doppelspitze auf den ehemaligen Geschäftsführer Christian Mihr, der die Geschäftsführung alleine inne hatte und nach über einem Jahrzehnt bei RoG seit Februar als stellvertretender Generalsekretär für Amnesty International Deutschland arbeitet. „Wer ein empfindliches Finanzierungsmodell hat, muss verantwortlich mit diesen Risiken umgehen. Es ist die Aufgabe der Geschäftsführung, die Finanzen stabil aufzustellen“, fordert Reichel.

 

„Kein Spielraum“ für Gehaltserhöhungen

Abgesehen davon, dass der aktuelle Tarifvertrag auch noch nicht in trockenen Tüchern ist, habe man bezüglich der anstehenden Verhandlungen über das Gehalt im nächsten Jahr schon „Signale der Zurückhaltung“ vom Arbeitgeber erhalten, berichtet der Verdi-Sekretär. Die Gewerkschaft fordert in den kommenden drei Jahren eine Annäherung an den TV-L, also den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, und die Einführung weiterer Entwicklungsstufen, um „langjährige Erfahrung zu honorieren“, heißt es in einer Pressemitteilung.

 

Thieme betont gegenüber dem KNA-Mediendienst, man habe in den vergangenen drei Jahren das Gehaltsniveau der Mitarbeitenden „proaktiv, signifikant und vor allem verbindlich verbessert“. Dazu habe man ein Gehaltsmodell eingeführt, das verbindliche Stufensteigerungen vorsieht, das Gesamtniveau dieses Modells mit „besonderem Fokus auf niedrigere Einkommensgruppen“ angehoben und eine verbindliche Treueleistung als 13. Monatsgehalt in den Arbeitsverträgen festgeschrieben. Damit sei man hohe Verpflichtungen eingegangen. „Für weitere Gehaltserhöhungen oder Kostensteigerungen gibt es derzeit keinen Spielraum“, so Thieme. Das habe man von Beginn an auch transparent formuliert. Auf Einzelheiten der Forderungen der Belegschaft wollte Thieme auf Anfrage nicht öffentlich eingehen.

 

Es stimme zwar, dass es auf Druck aus der Belegschaft hin eine Gehaltssteigerung gegeben habe, hört man von Beschäftigten. Dennoch stünde in fast allen Gehaltsstufen in den vergangenen drei Jahren ein Reallohnverlust, teilweise von knapp zehn Prozent. Das 13. Monatsgehalt habe es schon immer gegeben, neu sei nur, dass es in den Arbeitsverträgen garantiert werde. Das Gehaltsmodell gelte außerdem nur für die Mitarbeitenden, die nicht im Rahmen von Drittmittel-Projekten angestellt sind, und auch nicht für die Geschäftsführung oder für die solche Angestellten, die höhere Gehälter verhandelt hätten.

 

Kritik üben sowohl Reichel als auch Beschäftigte an Personalentscheidungen der Vergangenheit: „Es ist verständlich, dass man sein Portfolio erweitern will. Aber wir wollen keinen weiteren Stellenaufbau zulasten der bestehenden Gehälter“, so Reichel – und dürfte damit auch auf die zweite neugeschaffene Geschätsführungsstelle anspielen.

 

Fabio Niewelt wird als Mitglied der Tarifkommission deutlicher: „Das Lohnniveau war schon immer schlecht. Als wegen der Kriege in der Ukraine und in Afghanistan das Spendenaufkommen hoch war, wurden viele befristete Stellen neu geschaffen. Obwohl in Aussicht gestellt wurde, dass diese Stellen auch entfristet werden könnten, wurden einige Verträge nicht verlängert, andere Beschäftigte sind von selbst gegangen und ihre Stellen wurden teilweise nicht nachbesetzt.“

 

Kein neues Angebot

Dass der Arbeitgeber zeitgleich mit dem Tarifkonflikt angekündigt habe, sich jeden Arbeitsplatz genau anzuschauen, ob er noch gebraucht werde, helfe nicht gerade dabei, die Situation zu entspannen, kritisiert Jörg Reichel: „Wir halten es nicht für klug, hier diese massiven Signale der Verunsicherung in die Belegschaft zu senden. Stattdessen sollte man sich darauf konzentrieren, Kampagnen auf die Beine zu stellen und Spenden einzutreiben.“ Geschäftsführer Thieme wollte sich auf Anfrage nicht zur Personalplanung äußern.

 

Als Affront empfand Niewelt, dass der Arbeitgeber bei der vergangenen Verhandlungsrunde Ende August kein neues Angebot vorgelegt hat. „Wir fühlen uns nicht ernstgenommen“, kritisiert Niewelt. Nachdem der Vorstand, in dem neben Kaul unter anderem auch der ehemalige Geschäftsführer der Journalistengewerkschaft DJV Berlin-Brandenburg, Michael Rediske, sitzt, eine Frist für ein neues Angebot habe verstreichen lassen, habe man sich dann für die öffentlichkeitswirksame Aktion der aktiven Mittagspause entschieden.

 

Wie es nun weitergeht, stehe noch nicht fest berichtet Reichel: „Am 3. September haben wir den nächsten Termin, dann werden wir sehen, ob die Gegenseite ein Mandat für ein besseres Angebot hat.“ Man müsse abwarten, ob der Arbeitgeber es auf einen Streik ankommen lasse. Thieme sagt auf Anfrage des KNA-Mediendienstes deutlich: „Ein verbessertes Angebot wird es leider nicht geben können.“