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„Berliner Zeitung“: Wurde der Kulturchef nach Kritik am Verleger degradiert?

„Berliner Zeitung“: Wurde der Kulturchef nach Kritik am Verleger degradiert? Verleger Holger Friedrich

Holger Friedrich, Verleger der Berliner Zeitung, hat mit Viktor Orbán auf einem Podium gesprochen. Der Kulturjournalist Hanno Hauenstein nahm daran Anstoß und ist nun laut Zeit Online nicht mehr Ressortleiter . Wie Chefredakteur Tomasz Kurianowicz die Maßnahme begründet.

Berlin – Hanno Hauenstein ist nicht mehr Leiter des Kulturressorts der „Berliner Zeitung“. Das bestätigte deren Chefredakteur Tomasz Kurianowicz gegenüber Zeit Online.

 

Vorangegangen war laut Informationen von Zeit Online eine interne Auseinandersetzung über mehrere Tweets Hauensteins zum Deutschlandbesuch des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán. So schrieb Hauenstein im unmittelbaren zeitlichen Umfeld einer Veranstaltung mit Orbán, die der Verleger der Zeitung Holger Friedrich co-moderierte: „for the record: ich halte es nicht für sinnvoll, Viktor #Orbán zu Gesprächen einzuladen.“

 

Bereits zuvor hatte sich Hauenstein nach Zeit Online-Recherchen zu einem Treffen Orbáns mit Olaf Scholz folgendermaßen geäußert: „Viktor #Orbán ließ die CEU Uni zumachen, greift gegen Presse und NGO's durch, will gender studies verbieten, hasst Muslime, verzerrt Geschichte, und imaginiert eine Verschwörung, in der George Soros zentrale Rolle spielt. Wieso lädt man so jemanden ins Kanzleramt?“

 

Schon dieser Tweet soll für Unruhe in der Redaktionsführung der „Berliner Zeitung“ gesorgt haben, will Zeit Online wissen – immerhin sei das Gespräch zwischen Orbán und Friedrich sowie dem „Cicero“-Chefredakteur Alexander Marguier zu diesem Zeitpunkt schon angekündigt gewesen.

 

Laut Zeit Online will „Berliner Zeitung“-Chefredakteur Tomasz Kurianowicz, dass Hauenstein als Kulturredakteur und Autor weiterhin für „seine Themen“ zuständig ist. Hauenstein wirkte seit 2021 als Ressortleiter.

 

„Ja, es gab Unterschiede im Verständnis der publizistischen Ausrichtung“, sagt Chefredakteur Kurianowicz gegenüber Zeit Online-Redakteur Johannes Schneider. Das habe sich jetzt erneut gezeigt. Generell habe aber schon länger die Frage im Raum gestanden, ob das Ressort unter Hauenstein, den er als Stimme und Kollegen überaus schätze, bezüglich Genres, Thematiken und Standpunkten nicht zu einseitig geworden sei. Kurianowicz, der die Chefredaktion im Juli 2022 übernahm, geht es dabei auch um die Frage der Loyalität: Auch in anderen Kontexten habe man sich gewünscht, Kritik an Kolleginnen, der Zeitung oder dem Verlag lieber zunächst intern zu Gehör zu bringen statt unmittelbar in Tweets, so der Chefredakteur. Zwar gebe es keine konkreten Twitter-Regeln für die Redaktion, doch dadurch hätten sich Stimmen gemehrt, die das Haus durch Hauenstein falsch dargestellt sehen.

 

Auch zur Frage, wer die konkrete Entscheidung in der Personalie Hauenstein getroffen habe, wird Kurianowicz deutlich: „Die Personalentscheidung wurde nicht mit dem Verleger besprochen.“ In der jüngsten Vergangenheit ist in der Medienszene immer wieder spekuliert worden, ob sich Holger Friedrich zu stark ins journalistische Geschehen einmische. Kurianowicz betont gegenüber Zeit Online weiter: „Orbán-Kritik ist hier im Haus möglich und erwünscht.“ So sei auch der gemeinsame Auftritt von Orbán und Friedrich seitens der Redaktion von einem umfassenden und kritischen Artikelprogramm zum Abend selbst sowie zur Politik Ungarns begleitet worden.

 

Die Leitung des Kultur-Ressorts bei der „Berliner Zeitung“ übernimmt alleinig Susanne Lenz, die bisher mit Hauenstein in einer Doppelspitze agierte.