Vermischtes
Newsroom – Markus Trantow

„Caren Miosga verteidigt Sendung mit AfD-Chef: „Anschließend ist etwas sehr Interessantes und Ungewöhnliches passiert“

„Caren Miosga verteidigt Sendung mit AfD-Chef: „Anschließend ist etwas sehr Interessantes und Ungewöhnliches passiert“ Caren Miosga (Foto: NDR)

Die ARD-Sonntags-Talkerin ist angetreten, den Polittalk am Sonntagabend neu zu erfinden. Die schwierigste Folge war für sie die Sendung mit AfD-Chef Tino Chrupalla, wie sie im Interview mit turi2 sagt. Was die Journalistin daraus gelernt hat.

Berlin – Caren Miosga ist angetreten, den Polittalk am Sonntagabend im Ersten neu zu erfinden – mit weniger Streit und mehr vertieften Gesprächen. Die schwierigste der bisher 15 Folgen war für Miosga die Sendung mit AfD-Chef Tino Chrupalla, wie sie im Interview Markus Trantow für turi2 sagt.

 

… Sie haben gerade schon kurz die Einschaltquoten angesprochen und sie als Anerkennung und Kompliment bezeichnet: Wie wichtig ist es Ihnen, wie viele Menschen zuschauen?

Caren Miosga: Quoten sind schon wichtig, denn wir wollen mit dieser Sendung ja ein breites Publikum erreichen. Wichtiger aber erscheint mir, dass wir gesellschaftliche Debatten nicht nur aufnehmen, sondern sie immer wieder auch anstoßen. Das ist uns z.B. bei der Frage gelungen, ob die CDU ihre verfehlte Russland-Politik der vergangenen Jahrzehnte nicht auch endlich einmal aufarbeiten müsste und der ehemalige Ministerpräsident von NRW, Armin Laschet, das vehement verneinte. In unserer Sendung hat sich AfD-Chef Tino Chrupalla zum ersten Mal maximal von seinen Europa-Kandidaten Maximilian Krah und Peter Bystron distanziert. Und auch die Selbstkritik von Kevin Kühnert ist zuletzt viel zitiert und weiterdiskutiert worden.

 

Die Chrupalla-Sendung ist ein gutes Stichwort: Es gab Phasen in der Sendung, als es um Tino Chrupalla in seinem Job als Malermeister und in seinem Privatleben ging, da war mir dieser rechte Demagoge geradezu sympathisch, sodass ich zwischenzeitlich mal an meinem inneren Kompass rütteln musste. Ist es nicht gefährlich, einen rechten Parteichef so persönlich zu befragen?
Es gehört zu unserer Sendung, dass der Politiker oder die Politikerin im Einzelgespräch auch persönlich befragt wird. Tino Chrupalla würde von sich selbst sagen, dass er aus einem “anständigen Haus” und einem „anständigen Beruf“ kommt. Und mich hat es interessiert, ihn beim Anstand zu packen: Wie anständig ist es, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die finden, man müsste Menschen aus dem Land schaffen, die sich für Migranten einsetzen? Wie anständig ist es, mit rassistischen und rechtsextremen Leuten in einer Partei zu sitzen? Die Kritik an der Gesprächsatmosphäre, die einigen nicht streng genug erschien, die kann ich durchaus nachvollziehen. Wir wollten jedoch mit Herrn Chrupalla ernsthaft ins Gespräch kommen. Seine Reaktionen, wenn man ihn dauerhaft angreift und unterbricht, haben wir alle schon oft gesehen. Ich glaube, dass unser Gespräch ihn durchaus anders gefordert hat und er sich auch deshalb erstmals in dieser Form von seinen Spitzenkandidaten distanzieren musste. Außerdem haben auch wir die relevanten kritischen Fragen gestellt: z.B. zu den rassistischen Einlassungen eines Maximilian Krah oder zur massiven Frauenfeindlichkeit der AfD.

 

Sollte man AfD-Politikerinnen und -Politiker überhaupt genauso behandeln wie die Vertreter von demokratischen Parteien?
Ich finde ja, denn was die als Erstes tun, wenn Sie Unterschiede machen, ist, sich als Opfer darzustellen: als Opfer des so genannten politischen Systems, der von der AfD immer wieder zu Unrecht sogenannten „Systempresse“. Diesen Gefallen wollte ich Herrn Chrupalla nicht tun.

 

Ist eine Live-Sendung vor einem Millionen-Publikum wirklich der richtige Platz?
Das ist eine berechtigte Frage. Wir denken fortwährend darüber nach, ob es richtig ist, eine Partei einzuladen, die in drei Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde und im Bund als verbriefter rechtsextremistischer Verdachtsfall unter Beobachtung steht. Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk haben wir aber nun mal die Pflicht, uns mit allen demokratisch gewählten Parteien kritisch auseinanderzusetzen. Über die Form lässt sich streiten. Und da suchen alle öffentlich-rechtlichen Sender und nicht nur die Talkshows nach Antworten. Wir sind dazu immer wieder mit der ARD im Gespräch. Zu den Bedenken gehört auch, dass die AfD ihre Auftritte bei ARD und ZDF nutzt, um gegen die Öffentlich-Rechtlichen in den sozialen Medien zu hetzen. Wie oft habe ich in den „Tagesthemen“ Alice Weidel interviewt und sie hat, während wir miteinander sprachen, behauptet, die AfD würde in der ARD nie stattfinden. Nur, damit ihre Partei dies gleichzeitig in den sozialen Medien ausschlachten konnte. Solche Strategien zu benennen, sehe ich auch als unsere Aufgabe.

 

Wenn Sie aus der Sommerpause zurückkommen, wird in drei ostdeutschen Bundesländern gewählt. In allen drei Ländern könnte die AfD die stärkste Kraft werden. Würden Sie dann auch einen Björn Höcke einladen?
Meine persönliche Haltung ist, jemanden, der rechtsextremes und völkisches Gedankengut verbreitet, nicht einzuladen.

 

Bei Welt TV lief vor einiger Zeit ein Rede-Duell von Björn Höcke mit seinem CDU-Kontrahenten Mario Voigt. Hätten sie das auch gemacht?
Unter der zuletzt genannten Prämisse: nein.

 

Wenn Sie auf die vergangenen 15 Sendungen schauen: Welche war für Sie die schwierigste und wie bereiten Sie sich darauf vor?
Ich denke, das war wohl die AfD-Sendung. Denn Sie wissen ja vorher: Populisten sind nicht an Lösungen und also auch nicht an einem Austausch von Argumenten interessiert. Es war folglich wichtig, offenzulegen, welche Strategien in den Antworten angewandt werden: Ist das jetzt Whataboutism? Ist das die Flucht in die Opferrolle, um das in den Social-Media-Kanälen der AfD gut schneiden zu können? Das sind neben den inhaltlichen Fragen die Dinge, auf die ich mich vorbereitet habe, und das habe ich in diesem Fall noch akribischer getan als bei anderen Parteien. Die anderen haben auch ihre Kommunikationstricks, aber sie sind eben nicht ganz so perfide.

 

Hat es bei Ihrer Sendung den Fall gegeben, dass die AfD-Ausschnitte genutzt hat, um in ihrem Sinne Stimmung zu machen?
Ich bin in der rechten Bubble vor der Sendung natürlich auch diffamiert worden, das ist leider inzwischen ganz normal. Aber anschließend ist etwas sehr Interessantes und Ungewöhnliches passiert: Viele Leute in der AfD-Community – vor allem bei Telegram – haben sich negativ über Tino Chrupalla geäußert. Denn wenn eines in der AfD nicht geht, dann ist es, sich von den eigenen Leuten so zu distanzieren, wie es Tino Chrupalla im Falle seines Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, in unserer Sendung getan hatte. Dafür hat er in den einschlägigen Kanälen sehr viel Dresche bekommen.

 

Andererseits ist wohl keine Ihrer Sendungen so stark kritisiert worden wie die AfD-Sendung.
Das ist so ein Fall: Egal, wie Sie es machen, Sie können es nicht richtig machen. Ich verstehe ja die Kollegen, die sagen, man dürfe die AfD nicht einladen. Aber nun haben wir Chrupalla eingeladen, und dann muss man die Sendung eben auf dieser Basis beurteilen. Die Schulklasse des Kindes einer befreundeten Mutter hat im Unterricht die Chrupalla-Sendung angeschaut. Deren Thema war Emanzipation und Frauenbilder – darum ging es in der Sendung ja auch. Und die Schüler waren über das von der AfD propagierte Frauenbild einigermaßen entsetzt.

 

Wen sie nicht zu ihrem ARD-Talk einladen würde, wie sie mit Medienkritik umgeht und wie ihre Social Media-Strategie aussieht, sagt Caren Miosga im kompletten Interview auf turi2.