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Newsroom – Peter Turi

Catherin Anne Hiller: „Das Einzige, wovor Verlage wirklich gerettet werden müssen, ist die allgegenwärtige Lust am Untergangs-Narrativ“

Catherin Anne Hiller: „Das Einzige, wovor Verlage wirklich gerettet werden müssen, ist die allgegenwärtige Lust am Untergangs-Narrativ“ Catherin Anne Hiller (Foto: Funke)

Die Zuschreibung „Daten-Dompteurin“ ist für Hiller ein Ehrentitel – obwohl Funkes Data-Chefin früher alles andere als ein Mathe-Ass war. Heute stemmt sie sich mit harten Zahlen und Fakten gegen das „allgegenwärtige Untergangs-Narrativ“ für die Zeitschriften-Branche. Im Interview auf turi2 belegt sie, dass auch junge Menschen noch durch Zeitschriften blättern.

Essen – Auszug aus dem Gespräch zwischen Peter Turi und Catherin Anne Hiller in der „Themenwoche Zeitschriften“:

 

Catherin, bist du die Robin Hood der Funke-Gruppe?

Ich liebe solche Analogien – und umso mehr, weil Robin Hood und ich beide von der britischen Insel kommen. Aber statt mit Pfeil und Bogen komme ich mit Zahlen und Analysen. Aus den tiefen Wäldern der Datensilos hole ich die Insights-Schätze und verteile sie großzügig an die Menschen, die unsere Kunden und Kundinnen besser verstehen möchten.

 

Und nebenbei soll Data-Management die Zeitschriften-Verlage retten.

Das Einzige, wovor Verlage wirklich gerettet werden müssen, ist die allgegenwärtige Lust am Untergangs-Narrativ! Daten, die den Erfolg von Verlagen belegen, werden dabei so gerne übersehen, als wären sie gar nicht existent. Mein Lieblingsbeispiel sind die Programmzeitschriften. Man hört oft: „Die kauft ja keiner mehr.” Seltsam nur, dass so viele Menschen in Deutschland Programmzeitschriften kaufen, dass diese mit einer Reichweite von 30 Millionen mehr Leser haben, als einige Nachbarländer Einwohner. Der Programmmarkt ist damit auch wirtschaftlich mindestens genauso groß wie viele andere Produkte, bei denen niemand auf die Idee käme, anzunehmen, dass diese nicht mehr genutzt würden.

 

Du meinst, die Deutschen geben mehr Geld für Programmzeitschriften aus als man denkt? Was heißt das konkret?

Stellt man sich im Supermarkt vor das Zeitschriftenregal und schaut sich die ganzen Programmzeitschriften an, kann man sich grob vorstellen, das von denen 9 Millionen Stück in die Einkaufskörbe der Deutschen wandern – pro Erscheinung! Das dann auf ein Jahr hochgerechnet macht etwa 550 Millionen Euro Umsatz für Programmzeitschriften.

 

In Deinem Profil findet man Titel wie „Customer Centriser“ und „Branding Buff“ – aber offiziell bist du die „Geschäftsleitung Strategic Marketing” Darf ich dich „Daten-Dompteurin” nennen?

„Daten-Dompteurin” passt perfekt in meine persönliche Alliterations-Ansammlung. Darf ich die künftig benutzen?

 

Gern.

Danke für diesen kreativen Titel, der mir bisher tatsächlich gefehlt hat. Passt ja auch: Ich verwandle wilde Daten in gezähmte Insights, die greifbar sind und im richtigen Timing harmonisch zusammenspielen, um in der Manege etwas abzuliefern, das unsere Kunden und Kundinnen begeistert. Dabei geht es auch darum, das volle Potenzial der Daten sichtbar zu machen – und genau das macht meinen Job so spannend. Sogar ohne vierbeinige Raubtiere.

 

Ich hab’ dich kürzlich in einem Vortrag erlebt und war beeindruckt, wie du es verstehst, Erkenntnisse aus der Forschung zu vermitteln. Was sagen deine Daten zum Beispiel über die Jugend?

Danke! Die heutige Jugend tickt echt anders – sie ist technikaffin, hat klare Werte, eine neue Einstellung zur Arbeit und geht offener mit mentaler Gesundheit um als frühere Generationen. Sie ist digitaler, globaler und oft kritischer gegenüber dem, was „normal” ist. Und das ist auch gut so, denn ohne die Jugend gibt’s keine Weiterentwicklung unserer Gesellschaft.

 

Sind die wirklich ein Haufen verzogener, leistungsunwilliger TikTok-Opfer?

Die Anteil an jugendlichen TikTokern ist aktuell knapp ein Drittel groß. Doch schon vor TikTok stand die Jugend unter enormem Druck: permanente Erreichbarkeit, Vergleich über Social Media und kaum noch Momente der kreativen Langeweile. Trotz oder vielleicht auch wegen des stark empfundenen Leistungsdrucks hinterfragen die Youngsters die Anforderungen heute bewusster und zeigen so in gewisser Art auch wieder Verantwortung im Umgang mit den Herausforderungen der komplexen Welt.

 

Wieviel Zeitschriften lesen junge Leute denn?

Allein wir bei Funke erreichen mit unseren Zeitschriftenmarken 40 % der Jugendlichen in Deutschland – 15 % über das gedruckte Format. Damit sind nur die Zeitschriftenmarken von Funke gemeint, ohne weitere Funke-Angebote und ohne unsere Marktbegleiter. Solch ein Marktzugang wäre für viele Hypes, die durch den Markt getragen werden, ein Traum – und auch für uns ist das ein Grund, stolz darauf zu sein.

 

Wie treu sind die Älteren?

Die Menschen ab 49? Die sind dem Kanal Print beim Zeitschriftennutzen treuer, hier erreichen wir jeden zweiten. Gleichzeitig wachsen die digitalen Kanäle in dieser Altersgruppe kontinuierlich und bedienen dann digitale Bedürfnisse und Verfassungen. Sich entspannt mit einer gedruckten Zeitschrift hinzusetzen, ist für viele eine willkommene „Me-Time” und eine bewusste Auszeit vom ständigen Blick auf Bildschirme – gerade bei Berufstätigen stark zu sehen – bei aller Liebe für den digitalen Zeitgeist.

 

Sagen Deine Daten, wie der Abwärtstrend bei den Zeitschriften zu stoppen ist?

Um das Thema zu beantworten, ist es zunächst wichtig, den Begriff „Abwärtstrend” zu klären. Zeitschriften sind für mich nicht nur Printprodukte, sondern Marken, die über verschiedene Kanäle und Touchpoints hinweg erlebt werden können. Neue Kanäle sind dabei keine Entwicklung, die man aufhalten möchte; im Gegenteil, sie eröffnen frische Zugänge und Perspektiven, die wir noch stärker nutzen können.

 

Okay.

Die Daten zeigen zunächst, dass Menschen seit über 20 Jahren Inhalte nicht nur auf Papier lesen wollen, sondern auch auf ihren digitalen Geräten. Manche möchten dabei nicht mehr nur lesen, sondern auch hören oder Inhalte in Bewegtbild konsumieren. Ein Blick auf Flaggschiff-Marken wie „Hörzu” oder „Bild der Frau”, dass es sich bei Print und Digital gerade bei etablierten Marken oft um neue Kunden handelt und es weniger um einen Abwärtstrend als um eine Transformation geht. Wichtig ist hier zu betonen: Es gibt Millionen Menschen in Deutschland, die nicht nur digital lesen möchten – und das sind keineswegs „Abgehängte”, sondern oft wohlsituierte und damit hochrelevante Zielgruppen für Werbung.

 

Was macht dir Mut?

Der Mensch ist das einzige Lebewesen, dessen Bedürfnisse wachsen, sobald sie erfüllt sind – genau hier setzen wir an. Die stetig steigenden Erwartungen an Unterhaltung, Information, Inspiration und „Alltags-Hacks” werden uns zukünftig kontinuierlich herausfordern und kreative Anstrengungen verlangen. Ein großer Hebel liegt in der Pflege einer echten Beziehung zu den Lesern. Wenn eine Marke konsequent auf die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe eingeht und echte Wertschätzung zeigt, entsteht eine emotionale Bindung und Vertrauen – wie in jeder guten Beziehung, die auch in einem Umfeld voller Alternativen Bestand hat. Die Daten belegen, dass der konsequente Einsatz hier stets zu Fortschritt führt – für etablierte ebenso wie für neue Marken.

 

Im kompletten Interview mit Peter Turi sagt Catherin Anne Hiller mehr über ihren besonderne Job bei Funke und wie KI bei der Mediengruppe zum Einsatz kommt.

 

Zu allen Artikeln aus der „Themenwoche Zeitschriften“.