Vermischtes
KNA – Stefan Laurin

Das Grimme-Institut ist wieder auf Kurs – noch drei Bewerber um Institutsleitung im Rennen

Bald soll klar sein, wer in Zukunft das Grimme-Institut in Marl leitet. Bis es so weit ist, führt Interims-Geschäftsführer Peter Wenzel nicht nur das Team, sondern macht sich auch Gedanken um seine Zukunft.

Marl (KNA) – Zehn Jahre weilte das Grimme-Institut in einer Art Dornröschenschlaf: Unter der Leitung der bisherigen Direktorin Frauke Gerlach gingen von Grimme kaum Initiativen aus. Ende 2023 hatte die Medienjuristin bekannt gegeben, dass sie nicht versuchen würde, ihren zum 1. Mai dieses Jahres auslaufenden Vertrag zu verlängern. Unter Gerlachs Führung wurden zwar routiniert der Grimme-Fernsehpreis, der Grimme-Online-Award (GOA) und der Deutsche Radiopreis vergeben, aber eine wichtige und vernehmbare Stimme in Debatten über den Zustand der Medien und ihre Zukunft war das Institut nicht mehr.

 

Am Ende der Ära Gerlach war die „Grimme-Institut Gesellschaft für Medien, Bildung und Kultur mbH“ überschuldet und musste durch einen finanziellen Kraftakt der Gesellschafter, zu denen neben dem Land Nordrhein-Westfalen unter anderem auch der Deutsche Volkshochschulverband, die Stadt Marl und der Westdeutsche Rundfunk gehören, gerettet werden.

 

Zukunft stand auf der Kippe
Die Zukunft des Instituts mit seinen rund 20 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 3 Millionen Euro stand zeitweilig sogar komplett auf der Kippe, da das Land als wichtigster Geldgeber erklärte, 2024 keinerlei weiteres Defizit ausgleichen zu wollen. Für 2023 hatte NRW noch rund 330.000 Euro nachgeschossen.

 

Vielleicht war es den Gesellschaftern auch deshalb trotz einer Vorlaufzeit von mehreren Monaten nicht gelungen, umgehend für Gerlach eine Nachfolge zu finden, die sofort nach deren Ausscheiden übernimmt. Stattdessen einigte man sich darauf, Peter Wenzel zum Interims-Geschäftsführer zu bestellen. Wenzel, Dezernent für Kinder, Jugend, Familie und Soziales der Stadt Datteln, vertrat zuvor die Stadt Marl in der Gesellschafterversammlung des Instituts und kannte sich aus.

Mehr noch: Bis 2018 war Peter Wenzel Geschäftsführer des Kita-Zweckverbandes des Bistums Essen und zuvor in verschiedenen Positionen im Diözesan-Caritasverband tätig. „Er hat langjährige Erfahrungen in der Restrukturierung und Neuaufstellung von Organisationen“, so die Gesellschafter damals - die er nun seit knapp einem Jahr in Teilzeit und ohne Bezahlung in Marl einbringt.

Wenzel: „GOA wichtige Perspektive für Grimme“


Und der 61-jährige Sozialdemokrat entpuppte sich nicht nur als Manager, der weiß, wie man das verunsicherte Institut wieder auf die Beine stellt. Er hat auch eine Vorstellung davon, wie sich Grimme in Zukunft aufstellen muss. Und die hat viel mit dem Grimme-Online-Award (GOA) zu tun. „Dass es mir so wichtig war, dass der Grimme-Online-Award stattfindet, der nun in Marl und nicht mehr in Köln vergeben wird, hat damit zu tun, dass er für mich eine wichtige Perspektive für das Institut darstellt“, sagt Wenzel. Entsprechend hat er dafür gesorgt, dass der eigentlich für dieses Jahr schon abgesagte Wettbewerb um publizistische Leistungen im Internet doch stattfinden kann. Am Dienstag kommender Woche werden die Nominierungen bekannt gegeben, die Preisverleihung des GOA 2024 soll am 16. Oktober im Grimme-Institut stattfinden.

 

Den berühmten und renommierten Grimme-Fernsehpreis, da ist sich Wenzel sicher, werde es immer geben. „Aber meine Kinder schauen kein Fernsehen mehr und damit sind sie typisch für die junge Generation. Sie informieren sich über das Internet.“ Als das Grimme-Institut gegründet wurde, sei das Fernsehen das aufregende, moderne Medium gewesen. Diese Rolle habe längst das Internet übernommen, deshalb sei ihm auch der GOA so „extrem wichtig“.

 

Aber Wenzel denkt darüber hinaus, will, dass sich Grimme für Themen wie Künstliche Intelligenz öffnet, auch wenn er keinen „Grimme-Algorithmus-Preis“ vergeben will: „Aber dass heute schon und in Zukunft sicher vermehrt Algorithmen und nicht Menschen Texte, Bilder und Filme erzeugen, wird die Medien stark verändern.“ In solche Debatten soll sich Grimme, geht es nach Wenzel, einmischen und auch bei Themen wie Fake-News eine wichtige Stimme sein. Von daher ist für Wenzel klar: „Das Grimme-Institut ist so wichtig wie nie zuvor.“

 

Der WDR-Journalist Jörg Schieb, Vorsitzender des Fördervereins „Freunde des Adolf-Grimme-Preises“, findet die von Wenzel angedachte Ausrichtung richtig. „Aber um das umzusetzen, braucht das Institut mehr Geld.“ Dass bis heute nicht klar ist, wer das Institut künftig leiten wird, hält er für einen Skandal: „Das hätte man schneller regeln müssen, das dauerte viel zu lange.“

 

Wieder mehr Medienpolitik
Mehr Geld, ist aus den Kreisen der Gesellschafter zu hören, wird es aber auch in Zukunft für Grimme nicht geben. Das Institut soll sich nach ihrem Willen zwar künftig neben den Preisen wieder verstärkt in medienpolitische Debatten einbringen, was unter Gerlach fast völlig zum Erliegen gekommen war. Es muss sich aber auch von teurem Ballast trennen. Gemeint sind damit wohl vor allem Forschungskooperationen, wie das gemeinsam mit Universität Köln betriebene Grimme-Forschungskolleg.

 

Kritik, dass sich die Suche nach einer neuen Institutsleitung hinzog, weisen die Gesellschafter zurück. Zum einen soll schon bald eine neue Grimme-Direktorin oder -Diretor vorgestellt werden. Zum anderen habe das Verfahren habe so lange gedauert, weil es nicht viele passende Bewerbungen gebeben habe. Jemanden zu finden, der sowohl im Bereich Medien und Journalismus als auch im Managementbereich kompetent ist, sei nicht einfach gewesen. Drei Bewerber, zwei Männer und eine Frau, sind aktuell nach Informationen des KNA-Mediendienstes noch im Rennen. Die Entscheidung soll nun sehr bald fallen.

Peter Wenzel hat sich nicht beworben. Für ihn ist die Zeit der nebenberuflichen 18-Stunden-Tage für Grimme bald vorbei. Aber dem Institut wird er trotzdem verbunden bleiben: Nach seiner Tätigkeit als Interims-Geschäftsführer wird er wieder die Stadt Marl in der Gesellschafterversammlung vertreten.