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Der Zeitungszoff im Süden – ein Drama in vier Akten

Der Zeitungszoff im Süden – ein Drama in vier Akten Lutz Schumacher: „Der Schwäbische Verlag 'bedroht' niemanden.“

Schwäbisch Media und die Neue Pressegesellschaft aus Ulm treten mit ihren Blättern im Zollernalbkreis in Baden-Württemberg gegeneinander an. Was die Kontrahenten Lutz Schumacher (Bild) und Ulrich Becker dazu sagen.

Balingen – Schwäbisch Media und die Neue Pressegesellschaft aus Ulm treten jetzt mit ihren Blättern im Zollernalbkreis in Baden-Württemberg gegeneinander an. Was soll das denn? „kress pro“ über ein Drama in vier Akten.

 

Zugegeben: Auf den ersten Blick wirkt es schon reichlich skurril, was sich Anfang des Jahres im Zollernalbkreis abgespielt hat. Denn plötzlich erschienen zwei Zeitungen von zwei konkurrierenden Verlagen unter demselben Namen: „Zollern-Alb Kurier“. Und um die Verwirrung noch größer zu machen: Der „Zollern-Alb Kurier“ der Neuen Pressegesellschaft (u. a. „Südwest Presse“) aus Ulm, der aufgrund einer einstweiligen Verfügung umbenannt werden musste, ist eine Neugründung und tritt gegen den Platzhirsch „Zollern-Alb Kurier“ an, den Schwäbisch Media (u. a. „Schwäbische Zeitung“) gerade erst gekauft hat. Falls Sie das für irrational halten, liegen Sie falsch. Das alles ist aus Sicht der beiden Zeitungshäuser nämlich sehr rational.

 

1. Akt: Der Kauf

Bisher erschien der „Zollern-Alb Kurier“ im Druck- und Verlagshaus Hermann Daniel. Das Unternehmen erwirtschaftete im Jahr 2020 einen Umsatz von rund 8 Millionen Euro. Die Erlöse waren in den vergangenen Jahren stabil, die Ergebnisse allerdings pendelten an der Nulllinie. Eigentlich galt die „Südwest Presse“ in Ulm als natürlicher Partner des Druck- und Verlagshauses Hermann Daniel. Denn der „Zollern-Alb Kurier“ (verkaufte Auflage: 18.654) bezog bereits den Mantel aus Ulm und hatte den Mini-Titel „Schmiecha-Zeitung“ von der Neuen Pressegesellschaft gepachtet.

 

Zum Zug kam allerdings Schwäbisch Media. Geschäftsführer Lutz Schumacher verfügt über gute Verbindungen zum Druck- und Verlagshaus Hermann Daniel in Balingen: Der geschäftsführende Gesellschafter dort, Daniel Welte, arbeitete früher für Schwäbisch Media. Der Kaufpreis soll knapp im zweistelligen Millionenbereich gelegen haben. Den hätte wohl auch die Neue Pressegesellschaft (NPG) aus Ulm auf den Tisch gelegt. Dass die „Südwest Presse“ den „Zollern-Alb Kurier“ nicht übernehmen konnte, hatte letztlich kartellrechtliche Gründe.

 

2. Akt: Das Kartellamt

Schwäbisch Media hatte früh Juristen hinzugezogen, die ziemlich eindeutig zum Schluss gekommen waren, dass das Kartellamt einem Verkauf des „Zollern-Alb Kuriers“ nach Ulm nicht zustimmen würde. In solchen Fällen ist es auch für den Eigentümer nicht ratsam, sich der Prüfung des Kartellamtes zu unterwerfen, weil das Verfahren lange dauern kann und immer das Risiko besteht, dass die Transaktion abgeblasen werden muss. Also verkauften die Gesellschafter an Schwäbisch Media. Ein Vorkaufsrecht konnte die NPG aufgrund kurzer Fristen und der kartellrechtlichen Prüfung nicht ziehen.

 

Das Kartellamt hätte einem Verkauf nach Ulm ohnehin nicht zugestimmt, wie es am 6. Januar ungewöhnlich klar mitteilte. Der Grund: Der Wettbewerber des „Zollern-Alb Kuriers“ ist der „Schwarzwälder Bote“, der zur Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) zählt. Die SWMH wiederum ist an der NPG in Ulm beteiligt. Und die NPG hält ihrerseits Anteile an der SWMH. Das Kartellamt kam also zum Schluss, dass die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen den Wettbewerb eingeschränkt hätten. Schwäbisch Media dagegen hatte schon seit August eine Freigabe für den möglichen Deal in der Hand.

 

3. Akt: Die Neugründung

Im Januar lancierte die „Südwest Presse“ überraschend einen eigenen Titel unter demselben Namen wie der Platzhirsch. Sie versuchte ihren Vorteil auszuspielen. Denn die bisherigen Kunden des „Zollern-Alb Kuriers“ bekamen plötzlich neu und ungefragt den ungewohnten Mantel der „Schwäbischen Zeitung“, während der gewohnte Mantel mit demselben Namen nur noch am Kiosk lag. Drei Mal verteilten die Ulmer zudem gratis in Großauflage ihre Zeitung im Januar. Das Ergebnis nach eigenen Angaben: 8.800 (Gratis-)Probeabonnenten und 1.100 feste Abos.

 

Lutz Schumacher von Schwäbisch Media zweifelt diese Zahlen an. „Die NPG hat unter unerlaubter und inzwischen per einstweiliger Verfügung des LG Stuttgarts untersagter Verwendung unseres Zeitungstitels zunächst erhebliche Verunsicherung bei den Abonnenten des ‚Zollern-Alb Kuriers‘ gestiftet. In diesem Zusammenhang gab es auch einige hundert Kündigungen, die zu einem größeren Teil aber schon wieder rückgängig gemacht wurden. Die von der NPG genannten Zahlen korrelieren nicht mit unseren Abgängen, weiter können und wollen wir das nicht kommentieren.“

 

Die Neuabos der „Südwest Presse“ sind stark rabattiert. Das Ziel der NPG: 3.000 Abonnenten im ersten Jahr. Die Zahlen zeigen, dass es schwer wird, daraus ein Geschäft zu machen. Eine Redaktion mit zehn Mitarbeitern im Lokalen plus Aufbau eines Vertriebs, da könnte die „Südwest Presse“ im ersten Jahr schnell in der siebenstelligen Verlustzone liegen. Nur: Darum geht es nicht.

 

4. Akt: Die Strategien

Ulrich Becker, Chefredakteur der „Südwest Presse“, erklärt den Schritt so: „Es war vor allem eine strategische Entscheidung. Der Zollernalbkreis ist für uns ein überaus wichtiges Gebiet: Hier sind wir in Hechingen mit der ,Hohenzollerische Zeitung‘ präsent, als Mantelpartner des ,Zollern-Alb Kurier‘ waren wir 50 Jahre lang in Balingen und Albstadt vertreten. Dieses Gebiet einfach einem Konkurrenten zu überlassen, wäre fahrlässig und eine Bedrohung für die Standorte in der Umgebung. Unser Ziel ist es, mit unseren Ausgaben die größte Zeitung für den gesamten Zollernalbkreis zu werden.“

 

Schwäbisch-Media-Chef Lutz Schumacher erwidert: „Der Schwäbische Verlag ,bedroht‘ niemanden, schon gar nicht irgendwelche Gebiete. Dieses Denken stammt aus der alten Verlagswelt und wird den Themen der Gegenwart definitiv nicht gerecht.“ Die zentrale Herausforderung bleibe die digitale Transformation. „Alle Marktbegleiter können mit uns partnerschaftlich zusammenarbeiten.“ Zur strategischen Perspektive hält er aber auch fest: „Wir glauben, dass zur Bewältigung der technischen und digitalen Zukunftsaufgaben eine gewisse strategische Größe erforderlich ist, für die wir sowohl weiteres horizontales wie auch vertikales Wachstum anstreben.“

 

Hier liegt der Knackpunkt: Die „Südwest Presse“ möchte wohl verhindern, dass Schwäbisch Media einen Brückenkopf in Gebiete bekommt, die sie als ihre Einflusssphäre betrachtet. Sonst könnte Schwäbisch Media mit dem Kartellrecht im Rücken womöglich weitere Titel in Baden-Württemberg für sich gewinnen. Denn eine kritische Größe streben beide an. Um unabhängig zu bleiben.“

 

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