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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

DJV-Vorsitzender sieht Schweizer Volksentscheid mit großer Sorge

Die Schweizer stimmen im März über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ab. Eine Entscheidung gegen die Gebühren würde der Diskussion in Deutschland schaden, fürchtet der DJV-Vorsitzende Frank Überall.

Berlin (dpa) − Ein Volksentscheid in der Schweiz kann den Deutschen meistens egal sein. Diesmal aber geht es um die Rundfunkgebühren. Und wenn am 4. März eine Mehrheit der Eidgenossen entscheidet, sie abzuschaffen, könnte das die Diskussion in Deutschland erheblich erschweren, wie Frank Überall fürchtet. Überall ist der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). „Wenn diese Initiative durchkommen würde, würde das hier all denjenigen Auftrieb geben, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Rundfunkbeitrag infrage stellen“, sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur. 

 

Wie sehen Sie die Diskussion um die Abschaffung der Rundfunkgebühr in der Schweiz?

Frank Überall: In weiten Teilen ist das für mich blanker Populismus und äußerst problematisch, weil ein unabhängiger und kritischer Rundfunkjournalismus infrage gestellt wird. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Schweiz und in Deutschland so einen Journalismus brauchen. Gerade in Zeiten, in denen wir mit Fake News konfrontiert werden, in denen es unglaublich schwierig ist, sich in dem Mediendschungel noch zurechtzufinden, halte ich es für den falschen Weg zu sagen, wir wracken jetzt dieses Rundfunksystem ab, nur weil das ein paar Euro spart.

 

Ginge es denn nicht ohne Gebührenfinanzierung, zum Beispiel über Steuern?

Steuerfinanzierung halte ich für äußerst problematisch. Wir kämpfen ja darum, in den Gremien den Staatseinfluss zurückzudrängen. Und bei einer Steuerfinanzierung würden wir das wieder mehr bekommen, das kann doch nicht die Lösung sein.

 

Glauben Sie, der Schweizer Volksentscheid hat Auswirkungen auf Deutschland?

Wenn diese Initiative durchkommen würde, würde das hier all denjenigen Auftrieb geben, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Rundfunkbeitrag infrage stellen. Die Diskussionen würden dann noch schwieriger, als sie jetzt schon sind. Bisher gibt es nur ganz wenige, die das System komplett ablehnen. Es wird zum Teil hart infrage gestellt, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk macht, wie viel er macht, das ist schon anstrengend genug. Ich befürchte, wenn der Volksentscheid durchkommt, dass sich das Klima in der Diskussion noch deutlich verschlechtert. Und eigentlich braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk neben Reformen auch Planungssicherheit in den Redaktionen.

 

Kritik gibt es auch in anderen Ländern. Geht die Akzeptanz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt zurück?

Das beobachte ich in der Tat, und das spielt auf mehreren Ebenen. Zum einen haben wir durch Fehler, die im Internet gemacht worden sind, auch durch Verlage, die ihre Inhalte verschenkt haben, eine grundsätzliche Einstellung „Journalismus darf nichts kosten.“ Und gerade Jüngere glauben, es reicht, was das Internet mir bietet. Es hat sich diese Einstellung eingeschlichen, Journalismus muss ich nicht bezahlen. Und das kann nicht funktionieren, allein über Werbung wird das nicht gehen. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir einen rechts-populistischen Trend haben, in vielen Ländern Europas.

 

Wie schätzen Sie das Potenzial derer ein, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich kritisch sehen oder sogar ablehnen?

Ich glaube nicht, dass es in Deutschland eine Mehrheit dafür gäbe, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen.

 

Aber wenn es um die Abschaffung des Rundfunkbeitrags ginge? Da könnten viele sagen, die privaten Sender finanzieren sich auch selbst, Netflix auch, man könnte ja auch für einzelne Beiträge bezahlen.

Das Angebot würde es in der jetzigen Qualität dann nicht mehr geben. Das gäbe der Werbemarkt nicht her, der ist begrenzt. Davon wissen Verleger ein Lied von zu singen mit vielen Strophen, und das gilt auch für den Rundfunk. Für die einzelnen Leistungen zu bezahlen − das ist dann keine Grundversorgung mehr, und das wäre dann auch kein öffentlich-rechtlicher Rundfunk mehr.

 

ZUR PERSON: Frank Überall ist seit November 2015 Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). Der 46-jährige Medien- und Politikwissenschaftler aus Köln hat langjährige Erfahrung als freier Journalist, vor allem beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) und bei der ARD. Er ist Professor für Journalismus an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (Köln/Berlin).