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„Hofnarr“-Spruch: Scholz gegen Chialo, Schertz gegen „Focus“

„Hofnarr“-Spruch: Scholz gegen Chialo, Schertz gegen „Focus“ Paul Ronzheimer (Foto: IMAGO / HMB-Media)

Und jetzt kommt noch Paul Ronzheimer dazu. Was ist da los?

Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Rande eines Geburtstagsempfangs den Berliner Kultursenator Joe Chialo einen „Hofnarren“ der CDU genannt. Scholz wehrt sich mit Hilfe des Medienanwalts Christian Schertz gegen Rassismus-Vorwürfe, die der „Focus“ erhebt. Paul Ronzheimer meldet sich als Zeuge des Vorfalls zu Wort. Er sagt, warum er zunächst nicht an die Öffentlichkeit gegangen ist. Auch Chialo selbst hat sich inzwischen geäußert.

 

Chialo hat die Äußerungen des Bundeskanzlers als „herabwürdigend und verletzend“ empfunden. Das sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in einem schriftlichen Statement. Nach einem Telefonat mit dem Kanzler sei die Angelegenheit für ihn nun aber erledigt. Auf einer privaten Geburtstagsfeier sei Scholz zu einer Gesprächsrunde mit ihm dazugestoßen, schilderte Chialo, der Wurzeln in Tansania hat. „Im Laufe der Diskussion zum Thema Migration und zu den Abstimmungen im Bundestag fielen hinsichtlich meiner Rolle in der CDU die Begriffe ,Hofnarr‘ und ,Feigenblatt‘. Diese Worte haben mich tief getroffen.“

 

Chialo sieht Scholz nicht als Rassisten

Scholz habe ihn am Mittwoch angerufen, so Chialo weiter. „Er bedauerte in unserem Gespräch, dass seine Aussagen als rassistisch verstanden wurden und erklärte, dass er das nicht beabsichtigt habe. Ich habe seine Sichtweise zur Kenntnis genommen. Im Übrigen halte ich Olaf Scholz nicht für einen Rassisten. Daran, dass seine Worte herabwürdigend und verletzend waren, ändert dies jedoch nichts.“

Scholz hatte nach der Veröffentlichung eines entsprechenden „Focus“-Berichts am Mittwoch zugegeben, den Begriff „Hofnarr“ für Chialo verwandt zu haben. Von CDU-Seite wurde ihm Rassismus gegen den schwarzen Kultursenator vorgeworfen, was Scholz und die SPD strikt zurückwiesen. „Der dabei von mir verwandte Begriff ist im Sprachgebrauch nicht rassistisch konnotiert und war von mir auch nie so intendiert. Der erhobene Vorwurf des Rassismus ist absurd und künstlich konstruiert“, so Scholz auf X.

 

Chialo selbst hatte zunächst nichts zu dem Vorgang gesagt, der sich auf der Feier eines Unternehmers am 2. Februar zugetragen hat. Nach sorgfältiger Abwägung und aufgrund des öffentlichen Interesses habe er sich nun entschlossen, sich doch in dieser Angelegenheit zu äußern, so der Politiker. „Wir alle stehen derzeit unter großem Druck“, ergänzte er gegenüber dpa offensichtlich mit Blick auf den Wahlkampf zur Bundestagswahl am 23. Februar. „Umso wichtiger ist es, dass wir in dieser aufgeheizten Situation mit Bedacht und Anstand miteinander umgehen. Ich hoffe, dass wir zu einem fairen und sachlichen Austausch zurückfinden. Für mich ist diese Angelegenheit damit abgeschlossen.“

 

Ronzheimer als „Zeuge“

Indes hat sich auch Paul Ronzheimer als Zeuge des Vorfalls zu Wort gemeldet. Der stellvertretende Chefredakteur der Bild verriet in seinem persönlichen Podcast, dass er der besagte Journalist gewesen sei, mit dem Scholz auf der Geburtstagsfeier gesprochen habe, als dieser den CDU-Mann als „Hofnarr“ bezeichnet haben soll. Als rassistische Beleidigung habe er die Worte des Kanzlers aber nicht empfunden, so Ronzheimer. „Ehrlicherweise habe ich es persönlich nicht als einen rassistischen Eklat wahrgenommen“, sagte er.

 

Der Bundeskanzler sei an diesem besagten Abend besonders emotional gewesen, schildert Ronzheimer. Es sei der Sonntag „nach diesen Abstimmungen im Bundestag und den ganzen Debatten und Redeschlachten gewesen“. Er könnte nicht in Scholz hineinschauen, sagt Ronzheimer, aber möglicherweise habe Scholz da auch ein bisschen die Nerven verloren und das dürfe man als Bundeskanzler eigentlich nicht.

 

Warum Ronzheimer zunächst selbst nicht berichtete

Ronzheimer weist in seinem Podcast auch darauf hin, dass der Gastgeber Harald Christ bei der Veranstaltung mehrfach darum gebeten hätte, dass über Diskussionen und Gespräche nicht berichtet werden soll. „Woran sich viele Journalisten, die sonst dort waren, gehalten haben und heute kam dann die Berichterstattung im Focus“.

 

Focus-Chefredakteur Georg Meck schreibt am Donnerstag bei Focus Online, Bundeskanzler Scholz habe sich einen rassistischen Aussetzer geleistet. Er habe dabei gestanden, als Scholz Chialo „verbal attackierte“, so Meck. „Ein afrikanischer Diplomatensohn als ‚Hofnarr‘ der CDU? Viel tiefer geht’s nicht mehr im Wahlkampf, viel rassistischer auch nicht“, meint Meck bei Focus Online. Und weiter: „Wie kann ein Kanzler so aus der Rolle fallen? Wie kann jemand, der so die Kontrolle verliert, ein Land regieren?“

Scholz schaltet Anwalt Christian Schertz ein - und geht gegen Focus Online vor

Olaf Scholz hat in einer Pressemitteilung durch den Anwalt Christian Schertz presserechtliche Schritte gegen Focus online ankündigen lassen.

 

Darin schreibt Schertz: „Aus Anlass einer aktuellen Berichterstattung auf focus.de bin ich vom Kanzlerkandidaten der SPD Olaf Scholz beauftragt worden, presserechtliche Schritte einzuleiten. So heißt es in einem Artikel vom heutigen Tage mit der Überschrift „CDU-Mann Chialo beleidigt: Kanzler Scholz leistet sich rassistischen Aussetzer“ über Olaf Scholz wie folgt: „Als CDU-Politiker Joe Chialo einwandte, ob er das wirklich so meine mit dem Rassismus der CDU, jener Partei also, in deren Bundesvorstand er sitzt, fuhr Scholz ihn an, er, der Schwarze, sei nicht mehr als ein Feigenblatt. Die hier in Form der indirekten Rede unterstellte Formulierung ,der Schwarze‘ wurde von Olaf Scholz zu keinem Zeitpunkt getätigt. Erst durch diese der Wahrheit zuwider untergeschobene Ergänzung bei der Wiedergabe der Aussage wird aber überhaupt ein rassistischer Bezug zu dem in dem Artikel wiedergegebenen Wortwechsel hergestellt. Dies verletzt die Persönlichkeitsrechte von Olaf Scholz in hohem Maße, da es sich um ein Falschzitat handelt. Ich werde daher für Olaf Scholz gegen die Verantwortlichen bei focus.de unverzüglich presserechtliche Schritte einleiten, die die weitere Verbreitung dieses Aussagegehaltes untersagen, sowie Ansprüche auf Widerruf und Gegendarstellung geltend machen.“

 

Bedauerlicherweise sei es bereits das zweite Mal, dass er wegen einer Falschberichterstattung von focus.de im Rahmen des Wahlkampfes zum Nachteil der SPD rechtliche Schritte einleiten müsse, schreibt Schertz. „So hatte focus.de bereits im November der SPD der Wahrheit zuwider eine geplante Schmutzkampagne gegen Friedrich Merz unterstellt, die jeglicher Grundlage entbehrte, mit der Folge, dass focus.de sowie auch der Vorstandsvorsitzende von Burda sich gegenüber der SPD entschuldigen mussten.“

 

„Focus“-Chefredakteur sieht im Anwaltsschreiben ein „Ablenkungsmanöver“ 

Focus-Chef Georg Meck kommentiert dazu auf Focus Online, dass in der Erklärung von Schertz der Focus Online-Artikel nur selektiv wiedergegeben werde. „Die Beanstandung bezieht sich nicht darauf, dass Scholz den schwarzen CDU-Politiker Chialo in der Diskussion zur Asylpolitik der Union als Hofnarren seiner Partei beschimpft hat. Dieses wird von Scholz nicht bestritten und von Focus online im Zusammenhang des Gesprächs als rassistisch bewertet.“ Focus Online interpretiere die in den Raum gestellten Rechtsansprüche daher als Ablenkungsmanöver und werde seine Berichterstattung verteidigen.

 

Das „H-Wort“

Ulrike Knöfel schreibt im Spiegel eine Einordnung zum „H-Wort“. Die Bezeichnung „Hofnarr“ habe eine lange Vorgeschichte - und eine heikle. „Nennt man jemanden einen Hofnarren, darf der das als Diskriminierung empfinden. Denn dann bedeutet man ihm, er sei letztlich doch nur eine Parodie auf zwei Beinen, ein unfreiwilliger Clown, eine Laune der Natur. Sagt ein Kanzler ‚Hofnarr‘ zu einem politischen Gegner, der eine andere Hautfarbe als die meisten anderen Politiker und Politikerinnen im Land hat, dann kann aus Diskriminierung sehr wohl schnell Rassismus werden“, so Knöfel. Der Begriff „Hofnarr“ sei also gefallen. Und auch der Kanzler könne Bedeutungen und Bezüge nicht einfach mit einem Statement ausradieren. Man sei ja nicht bei Hofe.