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Medien-Bär Knut stirbt vor laufender Kamera

Ende des Eisbären löst bei Betreuern und Besuchern Bestürzung aus.

Berlin (AFP) - Es ist ein makaberes Bild, wie der Bär sich auf den Felsbrocken um die eigene Achse dreht, taumelt und rückwärts ins Wasser fällt, wie vom Schlag getroffen. Aus dem Off ertönt eine Stimme: "Was hat er denn? Oh Gott, oh nein", dann Schweigen. Das Ende des Berliner Eisbären Knut ist genauso öffentlich wie sein Leben - es findet als Videolink auf der Homepage eines örtlichen Boulevardblatts statt.

Bärenkurator Heiner Klös mag sich damit nicht abfinden. Er steht am Sonntag vor dem Becken, in dem der vierjährige Eisbär am Tag zuvor gestorben ist. "Der Bär war noch warm, als die Fernsehanstalten schon anriefen, um einem der Filmer Angebote zu machen", klagt er. Doch ohne die Hobbykameramänner wäre Knut nicht zu dem geworden, was er war: der wohl bekannteste Eisbär der Welt.

Auf Internetportalen wie YouTube wurden Videos mit dem Bär millionenfach angeklickt. "Cute Knut" - "schnuckeliger Knut" heißen sie. Ein lebendig gewordenes Stofftier war der im Dezember 2006 geborene Bär. Von seiner Mutter verstoßen hatten Pfleger ihn aufgezogen. Besonders Thomas Dörflein war Mutter- und Vaterersatz geworden. Wie der 2008 verstorbene Tierpfleger dem Babybären die Flasche gab, ihn kraulte oder mit ihm spielte, konnte im Netz verfolgt werden.

Ungekannte Besucherströme kamen in den Zoo. Der Bär brachte Bekanntheit und steigende Einnahmen. Jeder wollte ihn sehen und kaum einer blieb unberührt. "Er hatte so ein süßes Gesicht", sagt die elfjährige Nina. Sie ist wie zahlreiche Fans am Sonntag zum Kondolenzbesuch in den Zoologischen Garten gekommen. Fast jeder hat einen Fotoapparat oder eine Kamera dabei. Das Mädchen hat Knut einen Brief geschrieben, in dem sie ihm verspricht, ihn nie zu vergessen. Sie kennt ihn, seit er ein Bärenbaby war, hat ihn aber auch später besucht.

"Das Interesse flaute mit den Jahren nicht ab", sagt Klös. Manche Fans seien täglich gekommen. "Es gab einen starken Freundeskreis", sagt er. Von Australien bis Nord-Kanada hätten Menschen sich auf den Weg gemacht, um Knut zu sehen. "Die Menschen haben soziale Netze aufgebaut in der kalten Welt", sagt er. Am Becken trafen sie sich, und Knut habe diese Aufmerksamkeit wahrgenommen.

Knut sei ein "sehr wacher" Bär gewesen, sagt Klös. Er habe aufmerksam auf Menschen reagiert, eine ausgezeichnete Nase gehabt und ein sehr gutes Gehör. Wenn Klös an der Anlage vorbeigekommen sei, habe Knut das registriert. Über die Todesursache will der Bärenbetreuer nicht spekulieren. Es habe keine Anzeichen gegeben; die ab Montag beginnende Sektion werde dies klären. Die Tierrechtsorganisation Peta sieht die Schuld beim Zoo. Er habe Knut "tier- und artwidrig" gehalten, hieß es in einer Erklärung am Samstag. Insbesondere die Zusammenführung Knuts in einem Gehege mit den drei Bärinnen Tosca, Katjuscha und Nancy habe nicht gut gehen können.

Eine Besucherin stimmt dem am Sonntag zu. "Sie haben Knut ständig ignoriert und gebissen. Das ist Stress, und darunter leiden wir Menschen doch auch", sagt die etwa 55-jährige Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte. Der Zoo habe unter großem öffentlichen Druck gestanden. "Hätte der Direktor beschlossen, Knut in einen anderen Zoo zu geben, oder die Eisbärinnen umzusiedeln, hätten die Berliner eine Unterschriftensammlung organisiert", spekuliert sie.

Wahr ist, dass Knuts Wohl und Wehe mit einer Aufmerksamkeit verfolgt wurde, die kein anderes Zootier vor ihm bekam. Rund 3000 Interviews habe er gegeben, sagt Klös. Danach habe er nicht mehr gezählt. Er glaubt, dass es nicht möglich sein wird, zur Normalität von früher zurückzukehren. Knuts kurzes Leben habe den Zoo für immer verändert.

Dabei hatten seine Betreuer viel mit ihm vor. Einen Haufen kleiner Knuts wollten sie ihn produzieren lassen. Erste Gespräche mit anderen Zoos habe es schon gegeben, denn Knut stand kurz vor der Geschlechtsreife und hatte statistisch eine Lebenserwartung von 40 Jahren. Wie bei einer Monarchie hätte sich Knuts Ruhm und der des Berliner Zoos von einer Bärengeneration in die nächste vererbt. Mit Knuts jähem Ende sind diese Träume geplatzt.