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Newsroom – Markus Wiegand

Mildes Urteil für Heiko Genzlinger nach Veruntreuung bei Score Media

Mildes Urteil für Heiko Genzlinger nach Veruntreuung bei Score Media Heiko Genzlinger (Foto: Alexander von Spreti)

Der Ex-Score-Media-Chef wurde der Untreue in 96 Fällen für schuldig befunden. Wie die Unregelmäßigkeiten bei den Abrechnungen auffielen. Zur „kress pro“-Recherche.

München – Wie die Pressestelle des Oberlandesgerichts in München auf „kress pro“-Anfrage mitgeteilt hat, ist der ehemalige CEO des nationalen Zeitungsvermarkters Score Media, Heiko Genzlinger, bereits im vergangenen November zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 14.400 Euro (360 Tagessätze zu 40 Euro) verurteilt worden. Das Landgericht München II befand Genzlinger der Untreue in 96 Fällen für schuldig. Zudem ordnete es die „Einziehung von Taterträgen“ in Höhe von rund 473.000 Euro an.

 

Seltsame Abrechnungen
Score Media wollte das Urteil auf Anfrage nicht kommentieren. Nach früheren „kress pro“-Recherchen beziffert das Unternehmen selbst den eigenen Schaden intern allerdings auf rund eine Million Euro.

Genzlinger war zuvor u. a. in Führungsfunktionen im Werbeverkauf bei Yahoo und als Chef von Vermarkter Trademob tätig. 2016 hatte die neu gegründete Score Media ihn als ersten CEO verpflichtet. Sein Auftrag: eine starke Vermarktungsallianz von Zeitungen aufbauen, um die nationalen Werbeerlöse zu steigern. Der Beirat des Unternehmens hatte sich damals vor allem wegen des verkäuferischen Talents für Genzlinger entschieden, den ein Headhunter vorgeschlagen hatte.

 

Nach dessen Start wuchsen allerdings schnell die Zweifel an den Kompetenzen des Managers. Genzlinger traf nur selten den richtigen Ton in dem komplizierten Konstrukt und hatte Schwierigkeiten, die unterschiedlichen Interessen auszubalancieren. Auch die Zahlen entwickelten sich nur mittelprächtig. Bereits Mitte 2018 stellte man Heiko Genzlinger daher Vermarktungsprofi Carsten Dorn an die Seite, der das Unternehmen heute noch führt.

 

Nach dem Start Dorns fielen rasch Unregelmäßigkeiten bei den Abrechnungen Genzlingers auf. So hatte der Manager etwa zu stattlichen Preisen Tagungsräume in Berlin gebucht und abgerechnet, die sich bei näherem Hinsehen als nicht sehr luxuriöse Lokalität entpuppten. Score Media schaltete daraufhin Profis ein, die Genzlingers gesamte Abrechnungen einer forensischen Prüfung unterzogen. Das Ergebnis: Es handelte sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein systematisches Vorgehen. Dass Genzlinger lange nicht aufflog, hatte auch damit zu tun, dass er das Unternehmen von Grund auf selbst aufbauen und sich Kontrollen entziehen konnte.

 

Was Score Media zudem nicht wusste, aber im Gerichtsprozess laut einem Beobachter deutlich wurde: Genzlinger hatte mehrere Vorstrafen, auch wegen Untreue.

 

Score Media hat Genzlinger, so verlautet aus Unternehmenskreisen, erfolgreich auf Schadenersatz verklagt. Beim Vermarkter hegt man allerdings wenig Hoffnung, dass der ehemalige CEO den finanziellen Schaden jemals ersetzen wird. Angesichts der Höhe der veruntreuten Gelder wundert man sich bei Score Media intern allerdings über das milde Urteil.

 

Heiko Genzlinger, der geständig war, antwortete auf „kress pro“-Anfrage nicht. Sein Linkedin-Profil gibt keinen Anhaltspunkt, wo oder für wen er derzeit arbeitet. Als Tätigkeit wird seit 2018 „Consultant“ angegeben (Arbeitgeber: „none“). Unter Genzlingers Name steht aufmerksamkeitsstark allerdings ein Zitat des Rennfahrers Mario Andretti, das möglicherweise einiges erklärt: „Wenn alles unter Kontrolle zu sein scheint, bist du nicht schnell genug.“

 

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