Vermischtes
KNA – Jana Ballweber

Podiumsdiskussion sucht dritte Säule der Medienfinanzierung

Mit der Digitalisierung geraten immer mehr Medien in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Rufe nach Medienförderung werden laut. Doch wo soll das Geld herkommen?

Frankfurt/Main (KNA) – Die Demokratie und unabhängige Medien stecken in einer Krise. Darin waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Pressefreiheit stärken - ein dritter Weg zur Finanzierung unabhängiger Medien“ einig, die am Donnerstagnachmittag im Haus am Dom in Frankfurt am Main zusammengekommen waren. Eingeladen hatten die GLS-Bank und der Media Development Investment Fund, um über Medienfinanzierung zu diskutieren.

 

Petra Schleiter, Politikwissenschaftlerin von der University of Oxford, lieferte zum Start die wissenschaftlichen Grundlagen für die aktuelle Situation: „Seit 15 Jahren ist die Demokratie im Rückschritt - in jeder Region und auf jedem Entwicklungsgrad. Erreicht wird das nicht durch Putsche, sondern schrittweise.“ Gewählte Politikerinnen und Politiker polarisieren Schleiter zufolge den Diskurs, greifen die Gewaltenteilung an - und nehmen sich auch die unabhängigen Medien vor.

 

Neu sei, dass dieser Prozess in die „Kernländer der Demokratie“, nach Europa und in die USA zurückkehre. Wählerinnen und Wähler glauben nicht mehr, dass Wahlen ihnen eine bessere Zukunft sichern können, einerseits wegen der wachsenden wirtschaftlichen Ungleichheit und andererseits, weil durch die Gleichstellung der Frau und durch Migration gesellschaftliche Hierarchien umgeworfen werden, so Schleiter weiter. Dieser Missmut werde durch Aufmerksamkeitsmaximierung im Netz und durch Desinformation verstärkt. Auf der anderen Seite verliere die Demokratie mit den schwächelnden Medien die Möglichkeit auf politische Beteiligung und den Anspruch auf Rechenschaftspflicht der Politikerinnen und Politiker. „Das Backsliding der Demokratie geht mit dem Angriff auf die freie Medienlandschaft einher, weil Populisten nicht an Checks und Balances gelegen ist“, so Schleiter.

 

Die fünf Schritte des Media Capture

Das Vorgehen sei dabei immer ähnlich. Im ersten Schritt unterstellen autoritäre Regime Medien ihrer politischen Kontrolle. Dann werden Journalistinnen und Journalisten mit strategischen Klagen, sogenannten SLAPPs überzogen, die ihre zeitlichen und finanziellen Ressourcen binden sollen. Im dritten Schritt werden Medien von regimetreuen Personen oder Unternehmen aufgekauft. Anschließend reguliere man den Werbemarkt so, dass nur noch staatstreue Medien von ihm profitieren, bevor man Medienschaffende und Medienhäuser dann systematisch angreife, mit Gewalt, Vertreibung oder sogar Mord, erklärt Schleiter: „Das ist das Prinzip von Media Capture, mit dem die Regime schlussendlich die Gesellschaft kontrollieren können.“

 

Durchgespielt wurde dieses Playbook wohl am konsequentesten in Ungarn unter Präsident Viktor Orban, der Medien und Zivilgesellschaft systematisch unter seine Kontrolle brachte. Das bestätigt Maciej Maciejowski, CEO von Gremlin Media, eines der größten Medienhäuser in Polen: „Orban war das Vorbild für die PiS-Partei in Polen. Wir sind ebenfalls durch diesen Prozess gegangen, haben 2023 aber gewonnen, als die PiS abgewählt wurde.“ Auch in Polen habe der Umgang mit den Medien eine entscheidende Rolle für die Populisten gespielt, so Maciejowski weiter: „Die Regierung hat die Kontrolle über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk übernommen und so die Tür für Lügen, Hass und Verschwörungserzählungen geöffnet. Damit haben sie einen Vertrauensverlust in die gesamte Medienlandschaft herbeigeführt.“ Heute vertrauen Maciejowski zufolge nur 26 Prozent aller Menschen in Polen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk: „Das ist ein gutes Ergebnis, weil es zeigt, dass sich die Gesellschaft an die Gegebenheiten anpasst.“

 

Die Geschehnisse in Polen haben dem Medienunternehmer zufolge gezeigt, wie wichtig private Medien seien: „Der polnische Medienmarkt war von privaten Medien dominiert. Die Populisten wollten das ändern.“ Dafür hätten sie unter anderem versucht, privaten Medien Lizenzen zu entziehen oder Medien wie auch Gremlin Media vom Werbemarkt zu verbannen.

 

Die disziplinierende Funktion des freien Marktes

Heute sei die redaktionelle Unabhängigkeit der Medien in Polen zurück. Dass man diese Zeit überstanden habe, verdanke man unter anderem dem Media Development Investment Fund (MDIF), der in Gremlin Media investiert habe. Die Organisation war in den 1990er Jahren ins Leben gerufen worden, um die postkommunistischen Staaten in Mittel- und Osteuropa auf dem Weg in die Demokratie und zu einer freien Presse zu begleiten. Später habe man sich dann eher auf den globalen Süden konzentriert, berichtet Patrice Schneider vom MDIF. „Aber die Probleme kommen zurück. Wir müssen wieder nach Ungarn, nach Polen, nach Kroatien, in die Slowakei.“

 

Der MDIF sammelt Kapital von verschiedenen Investoren ein und fördert damit Medienprojekte weltweit. Dieses Vorgehen beschreibt Schneider als dritten Weg der Medienförderung, zwischen staatlicher beziehungsweise öffentlicher Förderung und dem freien Markt. Für ihre Investition bekommen die Geldgeber keine hohen Zinsen oder Gewinnbeteiligungen zurück - sie investieren das Geld für die gute Sache. Gleichzeitig will der MDIF aber die disziplinierende Funktion des freien Marktes beibehalten: „Wenn die Ölfirma BP bei Umweltverschmutzungen erwischt wird, gehen die Aktienwerte in den Keller. Warum nutzen wir diesen Mechanismus nicht auf für Medien?“, fragt Schneider.

 

Doch warum sollten Menschen, Unternehmen oder Banken ihr Geld in einen Fonds investieren, von dem sie sich keinen Gewinn versprechen? Sowohl die GLS-Bank als auch die ERSTE-Stiftung der österreichischen Sparkassen sind unter den Investoren. „Schon 2006 haben wir Möglichkeiten gesucht, um Medien fördern zu können“, berichtet Maribel Königer von der Stiftung. „Leider können wir laut unserer Satzung nur in gemeinnützige Projekte investieren und bei einer direkten Förderung von Medienhäusern hätten wir auch Bauchschmerzen, was mögliche Interessenskonflikte angeht.“ Ein Fonds wie der MDIF sei da eine gute Lösung, da sogenannte Impact Investment Funds als Non-Profit zählen würden, so Königer.

 

Appell an unternehmerische Verantwortung

Lukas Adams von der GLS-Bank betont die politische Verantwortung, der sich sein Arbeitgeber stellen wolle: „Die GLS ist eine politische Bank.“ Weil Medien Schwierigkeiten haben, profitabel zu arbeiten, seien sie für Banken eigentlich keine geeigneten Kunden, weil sie kaum mehr Profit machen und damit auch keine Kredite bedienen könnten, so Adams. Auf dem freien Markt sei es für sie also schwierig, weil Investoren dort am Ende des Tages Gewinne sehen wollen.

 

Doch auch die Finanzwelt müsse ein Interesse an der Demokratie und damit auch an einem unabhängigen Mediensystem haben, hofft Schneider vom MDIF. Wo immer Demokratie herrsche, seien kapitalistische Wirtschaftssysteme stabiler und langfristig erfolgreicher, betont auch Politikwissenschaftlerin Schleiter. Auch Maciejowski appelliert an die Corporate Responsibility, also die unternehmerische Verantwortung, Werbeanzeigen nicht dort zu schalten, wo der Erfolg am größten sein könnte, sondern die Medien mit Anzeigen zu unterstützen, die zur Stabilität der Demokratie beitragen.

Ausgerechnet der Banker Adams will nicht so recht an den guten Willen von Konzernen glauben: „Ich teile den Optimismus für die Rolle von Unternehmen nicht. Letztendlich geht es um Profit.“

 

Ein Tropfen auf den heißen Stein?

Was bleibt von der Debatte rund um die Medienförderung? Der Glaube an die disziplinierende Kraft des freien Marktes mutet ungewöhnlich an in Zeiten, in denen es abseits des klassischen Journalismus vor allem private Tech-Konzerne sind, die Meinungspolitik betreiben und dem Journalismus im Netz seiner Geschäftsgrundlage durch Anzeigen beraubt. Auch so manch einflussreiche Verlegerpersönlichkeit in Deutschland lässt Zweifel aufkommen, ob privatwirtschaftliche Medien der einzig denkbare Goldstandard sein können, wenn wieder und wieder persönlichen wirtschaftlichen Interessen folgend Einfluss auf die Berichterstattung genommen wird.

 

Gleichzeitig kämpfen aber auch Staaten im Netz und in der Medienbranche um mehr Einfluss - und das nicht nur in Autokratien, sondern auch in Deutschland und in der EU, wo staatliche Überwachung privater Online-Kommunikation immer weiter ausgedehnt werden soll. Checks und Balances auch zwischen öffentlichem und wirtschaftlichem Einfluss auf Medien scheint angebrachter denn je.

 

Angesichts der Milliardensummen staatlicher Förderung für unabhängige Medien, die in manchen Regionen der Welt allein schon durch das Einfrieren der US-Auslandshilfen durch Donald Trump wegfallen könnten, kann der MDIF mit etwas über 300 Millionen investierten US-Dollar ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Was nicht bedeutet, dass man mit diesen Investitionen, diesen kleinen demokratischen Stacheln im Fleisch autoritärer Systeme nichts erreichen könne.

 

Politikwissenschaftlerin Schleiter macht Mut: „In den 1920er und 1930er Jahren gab es nicht nur eine einzige Reaktion auf die Krise. In Europa gab es den Faschismus, ja. Aber in den USA reagierte man mit dem New Deal, mit Investitionen gegen soziale Probleme. Und wir wissen heute ganz genau, was da die bessere Reaktion war.“