Vermischtes
KNA – Steffen Grimberg

Rassismus bleibt in den Medien häufig nur Problem von rechts

Eine Untersuchung belegt ein steigendes Bewusstsein von Journalisten zu Rassismus, aber auch eine anhaltende Abwehr gegenüber dem Thema. Subtile Formen bleiben in der Berichterstattung oft weiter ausgespart.

Berlin (KNA) – Rassismus wird in den deutschen Medien zunehmend thematisiert und explizit benannt. Das ist das zentrale Ergebnis des zweiten Fokusberichts des Nationalen Diskriminierungs- & Rassismusmonitors (NaDiRA), der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Unter dem Titel „Zwischen Anerkennung und Abwehr: (De-)Thematisierungen von Rassismus“ wurden hier die Bereiche Medien, Recht und Beratung untersucht. Obwohl die Berichterstattung über Rassismus häufiger wurde, konzentriert sie sich demnach oft auf einzelne, aufsehenerregende Fälle. Subtilere Formen von Rassismus seien weniger sichtbar und würden von den Medien seltener thematisiert.

 

Die Tendenz der Medien, Rassismus als Randphänomen darzustellen und sich auf individuelle Täter zu konzentrieren, zeige, dass Medien die strukturelle Dimension von Rassismus weiterhin nur „begrenzt anerkennen“, heißt es in dem Bericht. Ab 2010 werde Rassismus dabei häufiger konkret als solcher benannt, während die Nutzung sogenannter Ausweichbegriffe wie „Fremdenfeindlichkeit“ zurückgehe, sagte Sünje Paasch-Colberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin des NaDiRA, bei der Vorstellung des Berichts. Gleichzeitig lasse sich auch eine steigende individuelle Abwehr gegen die zunehmende Thematisierung von Rassismus feststellen, so Paasch-Colberg. Dieser werde dann als Problem „der Anderen“, beispielsweise rechter Gruppierungen dargestellt.

 

Ronen Steinke: „Rassismus ist kein Randphänomen“

Dies bestätigte bei der anschließenden Podiumsdiskussion auch Ronen Steinke von der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“). Rassismus sei ein strukturierendes Element der deutschen Gesellschaft, die das aber nicht wahrhaben wolle. „Es gibt weiterhin die Tendenz, Rassismus zum Randphänomen herunterzureden. Es sind immer die anderen – aber damit macht man es sich zu leicht“, so der rechtspolitische Korrespondent des Blattes. „Wenn Kinder aus Migrationsfamilien in der Schule schlechtere Noten bekommen, liegt das nicht daran, dass alle Lehrer rechtsextrem sind, sondern am strukturellen Rassismus“, so Steinke weiter.

 

Der Bericht stellt dabei fest, dass die Berichterstattung über Rassismus durch häufige Referenzen auf rechtsextreme Bewegungen und Akteure geprägt ist. So werde auf vermeintliche Einzeltäter fokussiert und Rassismus als ein Problem einzelner Personen dargestellt. „Beide Deutungsmuster rahmen Rassismus als Randphänomen und nicht als die strukturelle Herausforderung der Gesellschaft, die sie ist“, so der Bericht.

 

Ann-Kathrin Leclere von der „taz“ wies zudem auf regionale Unterschiede hin. So sei es in Berlin für Journalisten leicht, eine „gute Debattenkultur über Darstellung und Begrifflichkeiten von Rassismus“ zu pflegen. „In Sachsen und Thüringen ist es angesichts der AfD und rechter Strukturen viel schwieriger, über diese Themen zu berichten“, so Leclere, die in Erfurt und Leipzig studiert hat.

 

Quoten für mehr Diversität

Elena Kountidou von den Neuen Deutschen Medienmacher*innen forderte mehr Diversität in den Redaktionen. „Die großen Geschichten über Rassismus werden weiterhin sehr oft von Menschen mit Migrationshintergrund gemacht, weil sie hier direkt betroffen sind.“ Zwar würden sich viele Medienhäuser neu aufstellen. „Aber eine Person in einer Redaktion kann nichts ändern“, sie bleibe allein. Von einer wirklichen Diversität sei der deutsche Journalismus weiterhin weit entfernt, so Kountidou: „Da braucht es Quoten.“

 

Für die Medienauswertung wurden rund 42.000 Artikel aus der „SZ“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) und der „taz“ seit 1990 ausgewertet. In einer qualitativen Analyse wurde außerdem die Berichterstattung der „Süddeutsche Zeitung“ über zentrale Ereignisse wie das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen 1992, die Aufdeckung des NSU 2011 und die Morde von Hanau 2020 analysiert. Diese Tiefenanalyse zeigt laut NaDiRa-Bericht zudem, dass rassistische Gewalt sprachlich heruntergespielt und Rassismus durch (Mit-)Beschuldigung der Opfer umgekehrt wird. Dies treffe insbesondere auf die 1990er-Jahre zu. Während die „taz“ und die „SZ“ an der Podiumsdiskussion zum Bericht teilnahmen, hatte die ebenfalls eingeladene „FAZ“ abgesagt.

 

Gegenmaßnahmen empfohlen

Zur Bewertung des Umgangs mit Rassismus im juristischen Bereich wurden laut dem Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung unter anderem gerichtliche Entscheidungen verschiedener Instanzen ausgewertet. Hier kommt der Bericht zu dem Schluss, dass im deutschen Rechtssystem „eine eingeschränkte Definition von Rassismus“ zugrunde liege, die das Spektrum von rassistischer Gewalt, Anfeindungen oder Diskriminierung nicht ausreichend berücksichtige. Mit Blick auf die Beratungsangebote kritisiert der Bericht deren starke Abhängigkeit von Fördergeldern. Dies sorge für mangelnde Nachhaltigkeit und schränke die Wirksamkeit ein.

 

Als Gegenmaßnahmen schlägt der Fokusbericht für den Bereich Medien mehr Diversität in den Redaktionen vor. Außerdem müsse „rassismuskritisches Wissen“ ein fester Bestandteil von Volontariat und den Curricula an Journalistenschulen beziehungsweise in den einschlägigen Studiengängen an Hochschulen und Universitäten werden. „Angehende Journalist*innen sollten im Erkennen verschiedener Formen von Rassismus und den gängigen Abwehrmechanismen geschult werden und sich ihrer besonderen Verantwortung für die öffentliche Benennung und Anerkennung von Rassismus bewusst sein“, fordert der Bericht. Dazu gehöre auch eine Fehlerkultur und die Stärkung kritischer Stimmen in den Redaktionen, „um die eigene Arbeit rassismuskritisch zu beleuchten“.