Vermischtes
Newsroom – Henning Kornfeld

Schwäbische Zeitung-Verleger reißt die Paywall ein

Schwäbische Zeitung-Verleger reißt die Paywall ein Lutz Schumacher (Foto: Schwäbisch Media)

Der Chef des Schwäbischen Verlags, Lutz Schumacher, spricht von nicht weniger als einem Endspiel. Wie er die Zeitung fit machen will.

Ravensburg – Der Chef des Schwäbischen Verlags, Lutz Schumacher, spricht im „kress pro“-Interview nicht weniger als von einem Endspiel. Das Tempo des Niedergangs von Print sei dramatisch. „In der knappen Zeit, die uns zur Verfügung steht, müssen wir daher andere Wege gehen“, sagt der Verleger.

 

In der Kommunikation, die diesem Interview vorausging, haben Sie geschrieben, die Branche befinde sich in Ihrer Wahrnehmung „im Endspiel“. Was meinen Sie damit?

Lutz Schumacher: Wegen der schlechten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vollzieht sich der Niedergang von Print viel schneller und radikaler, als wir das vor ein paar Jahren gedacht haben. Der Preisauftrieb ist bestenfalls gestoppt, die Mindestlöhne werden wahrscheinlich weiter steigen, und die Politik hat ihr Versprechen gebrochen, die Verlage in der Transformationszeit durch eine Zustellförderung zu unterstützen. Das ist eine toxische Mischung, daher der Begriff Endspiel. Die Digitalisierungsbemühungen der Verlage waren bisher langfristig orientiert, basierend auf der Annahme, dass Print noch eine gewisse Zeit als Basis zur Verfügung steht. Das steht nun ernsthaft infrage.

 

Sie beklagen sich verschlechternde Rahmenbedingungen und verlassen zugleich die gemeinsame Interessenvertretung der Branche, den Verlegerverband BDZV. Wie passt das zusammen?

Es klingt paradox, aber wir wollten mit dem Austritt ein Zeichen für mehr Solidarität setzen. In der Lobbyarbeit war der Verband nicht erfolgreich, und beim Leistungsschutzrecht haben wir durch Egoismen und kurzsichtiges Denken eine historische Chance verpasst. Wir haben es insbesondere nicht geschafft, eine breite Allianz gegen Google zu bilden und zu verhindern, dass sich dieses Unternehmen zu Billigpreisen digitale Rechte erkauft. In anderen Ländern ist das besser gelaufen. Das hat sicher auch mit der schlechten Konstruktion des Leistungsschutzrechts zu tun, mit einer größeren Solidarität hätte man aber mehr erreichen können. Ich hoffe immer noch, dass das gelingt. Durch die Einzelverträge, die viele Verlage mit Google geschlossen haben, ist es aber schwieriger geworden.

 

Solche Einzelverträge mit Google und Co. haben Sie nicht geschlossen?

Nein, aber ich habe das Gefühl, ziemlich allein auf weiter Flur zu stehen.

 

Ist es denkbar, dass Sie den Austritt wieder rückgängig machen?

Wenn man irgendwann zu einem Verband 2.0 kommt, wäre das denkbar. Ich habe auch den BDZV-Vorstandsmitgliedern mitgeteilt, dass unsere Tür nicht zu ist. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir aber gesagt, dass wir so nicht weitermachen wollen.

 

Die Mehrheit der Regionalzeitungshäuser sieht im Aufbau einer neuen Vertriebssäule mit Digitalabos eine passende Antwort auf die Herausforderungen der Branche. Sie haben hingegen die Paywall auf schwäbische.de abgebaut und setzen dort auf eine Reichweitenstrategie. Warum?

Aus genau den Gründen, die ich gerade geschildert habe. Der Schwäbische Verlag gehörte mit rund 9.000 Plus-Abos zu den Vorreitern in der Branche. Es hat sich aber als sehr schwierig erwiesen, diese Zahl weiter zu steigern. Man muss extrem viel Geld investieren und bekommt wenig heraus. Die wirtschaftlichen Ziele einer Plus-Strategie liegen in weiter Ferne, möglicherweise sind sie sogar unerreichbar. Angesichts der dramatischen Entwicklung von Print und der knappen Zeit, die uns zur Verfügung steht, müssen wir daher andere Wege gehen. Deshalb haben wir uns für einen Strategiewechsel entschieden. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns von Paid Content verabschiedet hätten.

 

Das Ende der Paywall sieht aber ganz danach aus.

Nein. Seit den 1970er-, 1980er-Jahren haben Verlage eine Strategie, die sich sehr bewährt hat: Einerseits gibt es die Tageszeitung als hochwertiges kuratiertes Produkt mit den Einnahmequellen Abonnement und Werbevermarktung und andererseits Anzeigenblätter als Reichweitenmedien für alle Haushalte. Was wir jetzt machen, ist die logische Fortsetzung dieser Strategie ins Digitale: Die Paid-Content-Säule wollen wir aus dem heraus entwickeln, was derzeit E-Paper heißt, denn da sind wir sehr erfolgreich. Ich bin fest davon überzeugt, dass sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist. Wir müssen es aber von einer relativ simplen Abbildung der gedruckten Zeitung weiterentwickeln zu einem eigenständigen digitalen Produkt, einem E-Paper 2.0. Dafür gibt es eine große Nachfrage. Sie ist augenblicklich stärker bei Älteren, ich halte es aber für möglich, dieses Produkt auch in die mittelalte Zielgruppe zu tragen. Daraus könnte eine Nachfolgestrategie für die gedruckte Zeitung entstehen.

 

  • Wie soll dieses E-Paper 2.0 konkret aussehen?
  • Wie viele Abonnenten und welchen Vertriebsumsatz haben Sie seit der Abschaffung der Paywall verloren?
  • Nach der Abschaffung der Paywall sind die Visits der „Schwäbischen Zeitung“ tatsächlich erheblich gestiegen, zuletzt um gut 17 Prozent im Oktober. Haben die Werbeeinnahmen sich genauso positiv entwickelt?

Zum kompletten Interview