Vermischtes
dpa - Anna Ringle und Roland Freund

„SZ“ sucht nach Informant in der eigenen Redaktion

„SZ“ sucht nach Informant in der eigenen Redaktion Alexandra Föderl-Schmid (Foto: Bungert)

Warum die „Süddeutsche Zeitung“ E-Mail- und Telefon-Verbindungen ihrer Mitarbeiter durchsuchen lassen hat. Was der Betriebsrat dazu sagt. Und warum sich Vize-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid zurückzieht.

München (dpa) − Die Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ hat nach dem Bekanntwerden interner Informationen aus einer Redaktionskonferenz Ende 2023 Daten zu E-Mail- und Telefon-Verbindungen ihrer Mitarbeiter durchsuchen lassen. Die Suche nach einem Informanten aus dem eigenen Haus war nach „SZ“-Angaben mit dem Betriebsrat abgestimmt. „Wenn das Herz einer Redaktion abgehört wird, können wir das nicht hinnehmen“, sagte „SZ“-Chefredakteur Wolfgang Krach am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in München. „Das zerstört die Arbeitsgrundlage einer Redaktion.“ Das Vorgehen stieß zugleich auf Kritik.

 

Ziel der Suchaktion waren mögliche Kontakte aus der „SZ“ zum Branchendienst „Medieninsider“. Der Anlass dafür waren bekannt gewordene Details aus der Redaktionskonferenz, über die „Medieninsider“ ausführlich berichtet hatte. Es ging damals um Vorwürfe zum Umgang mit Quellen in Texten der Vize-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid. Die Chefredaktion räumte Krach zufolge ein, dass es von ihr dabei einen fehlerhaften Umgang gegeben habe. 

 

Technische Daten geprüft − keine Inhalte

Krach betonte, dass sich die Überprüfung rein auf technische Daten bezogen habe mit der Frage, ob es eine Verbindung zwischen dem Verlag und „Medieninsider“ gegeben habe. „Wir haben keine persönlichen Accounts eingesehen und keine Inhalte von E-Mails oder Telefonaten.“ Diensthandys waren demnach nicht betroffen.

 

Am Sonntag wurde auf der „SZ“-Webseite eine gemeinsame Stellungnahme von Chefredaktion, Betriebsrat und Redaktionsausschuss „in eigener Sache“ veröffentlicht. Darin hieß es, dass Konferenzen ein nicht-öffentlicher, geschützter Rahmen seien. Und: Worüber gesprochen werde, unterliege dem Redaktionsgeheimnis. Detailgenauigkeit und Fülle von Zitaten aus der Konferenz, die nach außen drangen, begründeten demnach den Verdacht, dass „offenbar die gesamte Konferenz abgehört bzw. womöglich gar aufgenommen und im Wortlaut an Dritte weitergegeben worden war“. Es wurde ebenso darauf verwiesen, dass eine vertrauliche Redaktionsbesprechung dem Schutz von Informanten diene.

 

In einer weiteren „SZ“-Stellungnahme der drei Parteien hieß es, man sei sich einig darin, „dass der Schutz des Redaktionsgeheimnisses für unsere Arbeit unabdingbar ist. Deshalb steht es für uns außer Frage, dass wir Kolleginnen und Kollegen, die das Redaktionsgeheimnis verletzen, versuchen, ausfindig zu machen.“ In einer Stellungnahme der Chefredaktion hieß es zudem, selbstverständlich halte man sich dabei an die Regeln des Hauses, wie dabei vorzugehen sei − in diesem Fall an eine entsprechende Betriebsvereinbarung. Auch der Betriebsrat verwies auf diese Regelung.

 

Details aus weiterer Konferenz bekannt geworden

Bei einem weiteren Redaktionstreffen am vergangenen Dienstag war nun die Durchsuchung der Verbindungsdaten von Kommunikationsmitteln der Mitarbeiter zum Thema geworden. Die Suche sei ohne Ergebnis geblieben und noch im vergangenen Jahr beendet worden, sagte Krach. 

 

Auch aus dieser Redaktionsversammlung am Dienstag drangen wieder Informationen nach draußen, über die erneut „Medieninsider“ berichtete. Krach sagte: „Die Redaktionskonferenz ist der absolut geschützte Raum einer Redaktion, in dem die vertraulichsten Dinge besprochen werden.“

 

Auf dpa-Anfrage erläuterte der Betriebsrat zum Ablauf: Nachdem kein konkreter Verdacht gegen eine einzelne Person bestanden habe, sei in einem ersten Schritt von der IT geprüft worden, ob im Zeitraum zwischen der Redaktionskonferenz Ende 2023 und Veröffentlichung des ersten Branchendienst-Berichts Audio- oder Videodateien an dessen Domain geschickt worden seien. „Das war mit dem Betriebsrat abgestimmt, so wie es die Konzernbetriebsvereinbarung vorsieht, wenn ein Rechtsverstoß mit Arbeitsmitteln des Verlags erfolgt sein könnte. Da stand der Betriebsrat allerdings nicht daneben, weil wir nicht einem Algorithmus beim Arbeiten zuschauen müssen.“ 

 

Weiter hieß es vom Betriebsrat: „Nachdem diese erste Prüfung nichts ergab, kam es auch zu keinem zweiten Schritt. Der wäre erfolgt, wenn eine einzelne Person im fraglichen Zeitraum Audio- oder Videodateien mit „Medieninsider“ ausgetauscht hätte. Dessen Account kann nur im Beisein eines Vertreters des Betriebsrats näher inspiziert werden.“

 

Der Redaktionsausschuss − ein Gremium, das die Interessen der Redakteurinnen und Redakteure der überregionalen Tageszeitung vertritt − teilte auf dpa-Anfrage mit, an der aktuell in Medienberichten in der Kritik stehenden Entscheidung zur Überprüfung von E-Mail-Adressdaten nicht beteiligt gewesen zu sein. Chefredaktion und Betriebsrat hätten aber im Nachhinein den Ausschuss über das Vorgehen informiert. „Aus Sicht des Redaktionsausschusses war das Vorgehen der Chefredaktion angemessen, sensible Daten im Sinne des Redaktionsgeheimnisses waren dabei nach Auskunft des Betriebsrats nicht gefährdet.“

 

Weiter hieß es: „Viele Redakteure und Redakteurinnen sehen allerdings das Redaktionsgeheimnis und die Unternehmenskultur durch die wiederholte mutmaßliche Aufzeichnung und Weitergabe ganzer interner Konferenz bedroht.“

 

Kritik von Reporter-Organisation

Bei ihrer Arbeit stützen sich Medien in Recherchen selbst auch regelmäßig auf interne Informationen aus Unternehmen und Organisationen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte: „Das Vorgehen der „SZ“-Chefredaktion wirft hinsichtlich des journalistischen Grundprinzips des Quellenschutzes ernsthafte Fragen auf“, sagte Vorstandssprecherin Katja Gloger einer Mitteilung der Organisation zufolge. „Es ist bedenklich, dass die Quellen von „Medieninsider“ ins Visier dieser Suchaktion rückten. Denn vertrauliche Kommunikation bildet die Grundlage für Journalismus, vor allem dann, wenn es sich um investigative Recherchen handelt.“  

 

Krach betonte, es gebe „klare Indizien für einen Straftatbestand“ mit Blick auf die „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“. Das Haus werde aber keine Strafanzeige stellen.

 

SZ-Vize-Chefredakteurin zieht sich vorübergehend aus dem Tagesgeschäft zurück

Zunächst wurde Alexandra Föderl-Schmid nur unsaubere Arbeit in Artikeln vorgeworfen. Plagiatsjäger Stefan Weber behauptet nun jedoch, die Vizechefin der „Süddeutschen Zeitung“ habe auch in ihrer Dissertation abgeschrieben. Nun zieht sie „Spiegel“-Informationen zufolge Konsequenzen. Weber hatte bereits im vergangenen Dezember eine „umfassende Analyse der Schriften Föderl-Schmids“ angekündigt. Ergebnisse, so erklärte er damals, lägen „in einigen Wochen vor“.

 

Die SZ will die Causa nun auch durch externe Unterstützung aufarbeiten, berichtet der „Spiegel“. Eine Kommission sei mit der Untersuchung der Plagiatsvorwürfe beauftragt worden. Außerdem habe Föderl-Schmid selbst die Universität Salzburg gebeten, ihre 1996 veröffentlichte Dissertation auf Hinweise für Fehlverhalten zu überprüfen.