Vermischtes
KNA – Jana Ballweber

Verantwortung für (Foto)journalismus: Sicherheitspaket könnte neuen Umgang mit Online-Bildern nötig machen

Vorerst ist das sogenannte Sicherheitspaket der Bundesregierung im Bundesrat durchgefallen. Den CDU-geführten Ländern gingen die geplanten Überwachungsmaßnahmen nicht weit genug. Doch schon der aktuelle Entwurf hätte einschneidende Folgen für die Verbreitung von Fotos im Internet.

Bonn/Berlin (KNA) – Die Freude der Ampel-Koalition über das sogenannte Sicherheitspaket währte am vergangenen Freitag nur kurz. Zwar erhielt das Gesetz, dass die Lebensbedingungen für Geflüchtete verschärfen und den Sicherheitsbehörden deutlich mehr Befugnisse verschaffen soll, im Bundestag die erforderliche Mehrheit. Doch im Bundesrat fiel zumindest der Teil des Pakets durch, der sich der vermeintlich besseren Terrorismusbekämpfung widmen sollte.

 

Schon im Vorfeld der Abstimmung hatten Bürgerrechtler und Fachleute vor dem Gesetz gewarnt. Zu weitreichend werde die Überwachung ausfallen, wenn die Vorschriften in dieser Form in Kraft träten. Auch die Ampel selbst hatte kurzfristig noch einmal nachgebessert und einige Punkte leicht abgeschwächt, bevor sie das Gesetz ins Parlament gab. Doch der CDU gingen die Vorgaben nicht weit genug, weswegen sie das Gesetz im Bundesrat vorerst scheitern ließ.

 

Schon in der Ampel-Version hatte das Gesetz deutliche Ausweitungen der Befugnisse der Polizei beinhaltet. Insbesondere die Möglichkeit, mithilfe biometrischer Daten das Netz nach Fotos von Verdächtigen zu durchkämmen, hätte Fachleuten zufolge massive Auswirkungen auf die Privatsphäre von Menschen und würde erfordern, dass Medien und Gesellschaft neu über die Rolle von Bildmaterial im Internet diskutieren.

 

Reaktion auf Anschlag in Solingen

Auslöser für das sogenannte Sicherheitspaket war der mutmaßlich islamistische Messerangriff in Solingen Ende August. Doch schon vorher gärte es in Sicherheitskreisen wegen des Wunsches nach einer biometrischen Datenbank. Ein Grund: Ende 2023 spürten Journalistinnen und Journalisten die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette mithilfe einer kommerziellen Suchmaschine mit Gesichtserkennung in Berlin auf. Auf einem Online-Foto eines Sportvereins in Berlin war Klette deutlich zu erkennen. Über 30 Jahre hatte die Polizei erfolglos nach Klette gefahndet. Kurz nach der journalistischen Recherche wurde sie verhaftet.

 

Die Suchmaschine PimEyes, die das Team für die Suche nach Klette eingesetzt hatte, steht der Polizei aus rechtlichen Gründen nicht zur Verfügung. Die Software ist ohnehin umstritten, da sie ohne Erlaubnis der Rechteinhaber oder der abgebildeten Personen Fotos aus dem Netz in ihre Datenbank einfließen ließ. Wer bei PimEyes ein Foto einer Person hochlädt, bekommt in Sekundenschnelle weitere Bilder aus dem Netz, wo dieselbe Person abgebildet ist - sei es ein Profilfoto eines sozialen Netzwerkes, ein Selfie oder ein zufälliger Schnappschuss aus dem Alltag. Namen oder anderen Informationen braucht die Suche nicht. Sie gleicht die biometrischen Daten miteinander ab, also beispielsweise Abmessungen zwischen den einzelnen Merkmalen im Gesicht, die bei jedem Menschen einzigartig sind.

 

Diese Geschäftspraxis ist in der Europäischen Union illegal, weshalb PimEyes, nachdem Journalisten zur Plattform recherchiert hatten, mehrfach den Firmensitz verlegte, raus aus der Europäischen Union. Die Suchmaschine steht im Grunde jedem offen, Journalisten können Terroristinnen suchen, Stalker ihre Opfer verfolgen. Die Polizei darf sie aber bisher nicht einsetzen.

 

Rechtliche Fragen ungeklärt

Schon kurz nachdem die Verhaftung von Klette und die journalistische Recherche bekannt geworden waren, forderte die CDU, auch der Polizei die Befugnis zu geben, mithilfe biometrischer Daten das Internet zu durchkämmen. Zwar darf die Polizei schon heute Fotos von Verdächtigen biometrisch auswerten, dann aber nur ihre eigenen Datenbanken nach Treffern durchsuchen und nicht das gesamte Internet.

 

Das soll sich nun ändern, wenn es nach der Bundesregierung geht. Doch obwohl das Gesetz den Bundestag schon passiert hatte und aktuell nur durch den Bundesrat aufgehalten wird, sind zentrale rechtliche und technische Fragen weiterhin ungeklärt.

 

Denn eine Datenbank, die man braucht, um das Netz durchsuchen zu können, hat das Bundeskriminalamt bislang gar nicht. Sie aufzubauen, ist ein langwieriges und kompliziertes Unterfangen. Fachleute rechnen eher damit, dass das BKA mit einem kommerziellen Unternehmen zusammenarbeiten könnte, wie beispielsweise mit dem umstrittenen Überwachungskonzern Palantir, der auch auf anderen Gebieten schon Software für die deutsche Polizei lieferte.

 

Im Konflikt mit der KI-Verordnung

Außerdem könnte dem Vorhaben die KI-Verordnung in die Quere kommen, die auf EU-Ebene im Mai dieses Jahres verabschiedet worden sind. Denn die Verordnung verbietet explizit KI-Systeme, die Datenbanken zur Gesichtserkennung mit Fotos aus dem Internet füttern. Mit der KI-Verordnung wollte die EU einen risikobasierten Ansatz bei der Regulierung etablieren. Je mehr Risiko eine KI-Anwendung mit sich bringt, desto strenger soll künftig die Regulierung ausfallen - bis hin zum Verbot, wie bei biometrischen Suchmaschinen.

 

Die Folgen einer solchen Technologie können zudem weitreichend sein. Denn die Menge an Fotos, die tagtäglich ins Netz gespült werden, steigt stetig. Nicht immer haben alle, die darauf abgebildet sind, und sei es nur irgendwo im Hintergrund, ihr Einverständnis gegeben. Im öffentlichen Raum, bei Veranstaltungen, im beruflichen Kontext, in der Schule, aber auch auf Demonstrationen, vor Abtreibungskliniken, vor psychiatrischen Einrichtungen: Überall können Menschen aus Versehen oder mit Absicht legal fotografiert werden und dann im Netz landen.

 

Neuer Umgang mit Bildern im Netz

Im Normalfall ist das kein großes Problem, denn ohne Namen oder andere Angaben lassen sich die Personen auf den Fotos meist kaum identifizieren. Zieht die Polizei aber nun biometrische Daten heran, bleibt kaum ein Schritt mehr unverfolgt, denn überall könnte man einer anderen Person im Hintergrund durchs Urlaubsfoto spazieren, ohne es zu merken.

 

Sollte das Sicherheitspaket also doch noch wie von der Ampel geplant oder sogar in einer verschärften Variante verabschiedet werden, müsste sich der Umgang mit Bildern im Netz grundlegend verändern - auch für (Foto-)Journalistinnen und Journalisten. Wer beispielsweise von politischen Demonstrationen berichtet, müsste bei Fotos und Videos viel mehr darauf achten, die Gesichter der Teilnehmenden unkenntlich zu machen, damit Menschen anonym demonstrieren können. Auch bei der Dauer, die ein Foto im Netz verbleibt, steigt die Verantwortung der Redaktionen. Denn wenn die Polizei das Netz durchkämmen kann, stößt sie auch auf Ergebnisse, die viele Jahre zurückliegen, und die man nicht so einfach wieder aus dem Netz entfernen kann.

 

Auch normalen Nutzerinnen und Nutzern käme eine viel größere Verantwortung dabei zu, welche Fotos sie ins Netz stellen. Denn selbst wenn eine andere Person nur klein im Hintergrund zu sehen ist: Man ist dann dafür verantwortlich, dass Ermittlungsbehörden irgendwann in der Zukunft erfahren können, wann diese Person wo gewesen ist und was sie dort gemacht hat.

 

Mehr Aufmerksamkeit und Mühe

Mit den heutigen Nutzungsgewohnheiten im Internet hat das wenig zu tun. Fotos landen schnell und ohne viel Nachdenken in sozialen Netzwerken, werden geteilt, gescreenshottet und wiederverwendet. Wer politischen Aktivismus betreibt, freut sich über gutes Bildmaterial von Veranstaltungen oder Demonstrationen, um Aufmerksamkeit zu generieren. Medien dokumentieren Termine nicht nur als Text, sondern auch im Bild. All diese alltäglichen Handlungen verlangen, zumindest bei einem gewissen Verantwortungsbewusstsein, in Zukunft viel mehr Aufmerksamkeit und Mühe.

 

Ob das Sicherheitspaket in dieser Form noch verabschiedet wird, steht derzeit in den Sternen. Regierung und Opposition, Bund und Länder schachern weiter um die genauen Vorgaben. Die CDU versucht, die Vorratsdatenspeicherung und erweiterte Einsatzmöglichkeiten für Staatstrojaner noch in das Paket hineinzuverhandeln. Außerdem will die Union weniger strenge Vorgaben, wann die umstrittenen Überwachungsmaßnahmen künftig zum Einsatz kommen sollen.