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Newsroom – Markus Trantow

Warum Lars Haider kein „Feelgood-Manager“ sein will und trotzdem für gute Stimmung im „Abendblatt“ sorgt

Warum Lars Haider kein „Feelgood-Manager“ sein will und trotzdem für gute Stimmung im „Abendblatt“ sorgt Lars Haider (Foto: Funke)

Der Chefredakteur erklärt, warum er trotz Zeitungs­krise positiv in die Zukunft blickt, und warum er „für immer“ eine gedruckte Zeitung anbieten will.

Hamburg – „Eine Redaktion, in der die Menschen einander vertrauen und gern zusammen­arbeiten, ist ein gutes Fundament für alles andere“, sagt Lars Haider, der seit 13 Jahren Chef­redakteur des „Hamburger Abend­blatts“ ist. Im Interview zur Themenwoche Zeitungen mit turi2-Chef­redakteur Markus Trantow erklärt Haider, warum er trotz Zeitungs­krise positiv in die Zukunft blickt. Einen wichtigen Grund für den Erfolg des „Hamburger Abend­blatts“ sieht er darin, „dass wir in den vergangenen Jahren nahezu alles verändert und viele Dinge ausprobiert haben“. Unter seiner Leitung stieg die Zeitung zum größten Podcast-Anbieter unter den Regional­zeitungen auf. Nun hat das „Abendblatt“ seine erste Video-Doku-Serie veröffentlicht. Inzwischen könnte das Blatt ganz ohne Print-Erlöse leben – warum Haider trotzdem „für immer“ eine gedruckte Zeitung anbieten will.


… Immer, wenn Medienjournalisten über Zeitungen sprechen, ist das Wort „Krise“ nicht weit. Sie bezeichnest dich selbst nicht unbedingt als Krisenmanager, sondern zuletzt in einem Podcast als „Feelgood-Manager“. Gibt es beim „Hamburger Abendblatt“ keine Zeitungskrise?

Lars Haider: Zumindest hat es beim „Hamburger Abendblatt“ in den vergangenen fast 14 Jahren keine betriebsbedingte Kündigung gegeben – und das, obwohl wir auch Stellen abgebaut haben. 2011 bestand die Redaktion noch aus mehr als 200 Personen, jetzt sind es 160. Und natürlich sind auch wir vom Rückgang der gedruckten Auflage betroffen. Ich habe hier mit 250.000 Exemplaren angefangen, heute drucken wir noch um die 100.000. Trotzdem ist das „Abendblatt“ damals wie heute eine gesunde, erfolgreiche Zeitung, die nie auch nur in die Nähe einer bedrohlichen wirtschaftlichen Situation gekommen ist. Und was den „Feelgood-Manager“ angeht: Das ist ein komischer Begriff. Was ich sagen wollte, ist: Ein Teil unseres Erfolgs ist, dass die Stimmung bei uns besser ist als anderswo. Ich sehe es als eine meiner Aufgaben, meinen Kolleginnen und Kollegen das Vertrauen zu geben, dass es trotz aller Krisen gut mit dem „Abendblatt“ weitergeht, dass die Zeitung auch in zehn, 15 oder 20 Jahren das ist, was sie heute ist. Auf so einer Vertrauensbasis können die Leute ganz anders arbeiten, als wenn das Gefühl vorherrschen würde, am Abgrund zu stehen. Was wir, ich wiederhole mich, zum Glück noch nie getan haben.

 

Gute Stimmung allein verkauft aber noch keine Zeitungen oder Abos.
Das stimmt. Aber eine Redaktion, in der die Menschen einander vertrauen und gern zusammenarbeiten, ist ein gutes Fundament für alles andere. Darüber hinaus hat uns geholfen, dass wir in den vergangenen Jahren nahezu alles verändert und viele Dinge ausprobiert haben. Nehmen wir mal das Beispiel der Podcasts: Als wir damit vor sieben Jahren angefangen haben, hat es einige gegeben, die sich gefragt haben, warum wir das als Tageszeitung überhaupt machen. Heute sind wir mit etwa 30 Podcasts unter den Regionalzeitungen der größte Podcast-Anbieter und verdienen Geld damit. Unsere besten Podcasts haben pro Folge sechsstellige Hörerzahlen. Ein anderes Beispiel: Wir haben die Zahl der Menschen in der Redaktion, die etwas mit dem Print-Produkt zu tun haben, radikal reduziert, damit so gut wie alle online arbeiten können. Das ist gelungen, ohne dass die Zeitung darunter gelitten hat. Im Gegenteil: Selbst die Umstellung vom Nordischen Format aufs kleinere Rheinische Format in diesem Sommer hat funktioniert. Am Ende gab es vor allem Lob von den Leserinnen und Lesern dafür, dass das „Abendblatt“ jetzt so handlich ist.

 

Jede dieser Entscheidungen war eine Wette auf die Zukunft. Das hätte auch schiefgehen können.
Was man aber erst weiß, wenn man es ausprobiert hat. Das machen wir gern und viel. Dabei gibt es Dinge, die gleich oder gar nicht funktionieren, genauso wie solche, die für eine bestimmte Zeit erfolgreich sind. Vor gut zehn Jahren haben wir damit begonnen, Hochglanz-Magazine über Hamburger Themen zu machen. Das hat eine Weile irre gut funktioniert. Wir haben Hefte für zehn Euro pro Exemplar hunderttausendfach verkauft und bis zu 25 Stück pro Jahr herausgegeben. Heute ist das wirtschaftlich vor allem wegen der deutlich höheren Herstellungs- und Papierkosten nicht mehr ganz so vielversprechend, weshalb wir die Zahl der Magazine reduziert haben. Dafür haben wir in den vergangenen Monaten an unserer ersten Doku-Serie gearbeitet. Die Serie ist seit dieser Woche online und wir hoffen, damit viele neue Abonnenten zu gewinnen.

 

… „Für immer“? Ganz schön mutig, wenn es um Print geht.
Wir wollen damit sagen, dass wir das gedruckte „Abendblatt“ anbieten, solange jemand es auf Papier lesen will – das sind aktuell laut MA immerhin 580.000 Menschen. Wir hätten die Schließung der Springer-Druckerei in Ahrensburg, in der das „Abendblatt“ 76 Jahre lang hergestellt wurde, auch nutzen können, die Print-Ausgabe einzustellen – einen Grund hätten wir gehabt. Aber wir wollten das nicht. Die Leser sollen ihr „Abendblatt“ so erhalten, wie sie sich das wünschen. Auch, wenn es für uns in vielen Punkten einfacher wäre, nur digital zu arbeiten. Und wirtschaftlich könnten wir die Redaktion heute schon allein aus den digitalen Erlösen finanzieren.

 

Zum ganzen Interview und zur Themenwoche Zeitungen.