Vermischtes
KNA – Steffen Grimberg

Wie sich Hans Schöpflin für Journalismus und gegen Monokulturen engagiert

Hans Schöpflin setzt als Philanthrop auf besondere Orte und radikale Nichteinmischung. Ein Interview über sein Engagement für Correctiv, das neue Projekt Publix und warum er nicht viel von Bill Gates und dessen Stiftungspolitik hält.

Berlin (KNA) – Begonnen hat alles mit einem Gemischtwarenladen in Lörrach. Nahe der Schweizer Grenze baute die Familie Schöpflin daraus einen Versandhandel, der später an Quelle verkauft wurde. Gründerenkel Hans Schöpflin ging darauf in die USA, wurde dort selbst Unternehmer und baute sich ab den 1980er Jahren als Investor selbst ein beachtliches Vermögen auf.

 

2001 gründete Schöpflin gemeinsam mit seinen Geschwistern die gleichnamige Stiftung, die nach eigenen Angaben über jährliche Stiftungsmittel in Höhe von rund zwölf Millionen Euro verfügt. Zu den jüngsten und größten Projekten der Stiftung gehört das „Haus für Journalismus und Öffentlichkeit - Publix“ in Berlin. Ein Gespräch mit dem Stifter und Publix-Intendantin Maria Exner, die unter anderem stellvertretende Chefredakteurin von Zeit Online war und als Mitglied des „Zukunftsrats“ die Medienpolitik bei der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beriet.

 

Herr Schöpflin, Sie haben eine Stiftung ins Leben gerufen, Ihr Stammsitz ist im beschaulichen Lörrach. Und jetzt haben Sie ein fettes Haus für Journalismus hier in Berlin-Neukölln gebaut. Warum?

Hans Schöpflin: Da muss ich ein bisschen weiter ausholen. Ich war ja sehr lange in den USA und habe in den 90er Jahren die Globalisierung hautnah miterlebt. Einmal als Unternehmer, aber eben auch als kritischer Betrachter. Da habe ich mich auf der anderen Seite engagiert, bei den Globalisierungsgegnern. Weil wir einfach Fragen hatten: Was bedeutet das für unsere Gesellschaft, sprich unsere Demokratie? Durch meine Teilnahme an den verschiedensten Aktionen wurde ich dann mit der Tatsache konfrontiert, dass die Berichterstattung der meisten Medien extrem einseitig war. Für die galt: Globalisierung, Freihandel, alles bestens.

 

Und wie haben Sie damals reagiert?

Schöpflin: Ich habe schon in den USA eine Stiftung gegründet und mich mit einem guten Freund, der auch eine Stiftung hatte, in Kalifornien 2005 an der Gründung der Voice of San Diego beteiligt. Das war wahrscheinlich eines der ersten lokalen, rein digital aufgebauten Medien. Eigentlich gab es in San Diego eine Tageszeitung, die einen sehr guten Ruf hatte. Doch die wurde an Investoren weitergereicht und es begann eine Spirale nach unten, was den Journalismus anging. Als ich dann nach Deutschland zurückgekehrt war, habe ich 2014 David Schraven kennengelernt. Der war gerade dabei, Correctiv zu gründen. Mich hat die Frage bewegt, wie es in Deutschland um die unabhängige Meinungsbildung und die Demokratie bestellt ist. Deswegen waren wir mit der Schöpflin Stiftung gleich am Anfang bei Correctiv dabei. David Schraven kam dann auf mich zu mit einem Konzept für ein Zentrum für gemeinnützigen Journalismus.

 

Das war also die Gründungsidee für Publix?

Schöpflin: Genau, wir beschäftigen uns seit 2016 damit. Ich hatte damals in Berlin Grundstücke für das Projekt gesucht. Dabei war nicht von Anfang an klar, dass das in Berlin entstehen würde, es wären etwa auch Hamburg oder München infrage gekommen. Wir haben uns dann aber ganz bewusst für diesen Standort in Neukölln entschieden. Die ganze Kulturvielfalt; hier ist es unfertig, hier reibt man sich. Heute sage ich: Wir hätten überhaupt keinen besseren Standort finden können.

 

Warum spielt der Ort bei der Schöpflin Stiftung so eine große Rolle?

Maria Exner: Die Schöpflin Stiftung ist mit dieser starken Fokussierung auf Orte einzigartig in Deutschland. Die Idee war, einen Ort, ein Haus, ein Gebäude zu haben, um Menschen zusammenzubringen und Kollaboration zu ermöglichen und sich gegenseitig zu bestärken. Das ist ein ganz anderes Konzept als reine Projektförderung zu betreiben.

Schöpflin: Wir nehmen hier sicherlich eine besondere Stellung ein. Natürlich kann man sagen: Da investiert einer so viel Geld in die Immobilie, das könnte man doch viel besser gleich in die Förderung geben. Kurzfristig gedacht wäre da vielleicht mehr zu holen. Aber langfristig sieht das anders aus. Wir haben uns ja nicht bei Beratern schlau gemacht, wie so ein Haus aussehen könnte. Sondern wir haben das partizipativ zusammen mit den künftigen Nutzerinnen und Nutzern entwickelt, also mit Menschen, die ihr Metier verstehen und genau sagen konnten, was das Haus braucht.

 

Und was hat der Spaß die Schöpflin Stiftung bis jetzt gekostet?

Schöpflin: Unser Engagement liegt bei 25 Millionen Euro …

Exner: ... für die Planungsphase, den kollaborativen Prozess, den Bau des Hauses - darin enthalten ist auch die Vorbereitungsphase für den Betrieb bis jetzt zur Eröffnung. 2024 erwirtschaftet Publix aber bereits zwei Drittel seines Etats selbst. Im Mai sind die ersten Organisationen eingezogen. Seitdem generieren wir Einnahmen. Das restliche Drittel bekommen wir von der Schöpflin Stiftung, aber auch von der Stiftung Mercator Schweiz und der Zeit Stiftung Bucerius. Erfreulicherweise ist die Nachfrage bereits jetzt sehr groß. Bei den Büros gibt es aktuell eine Warteliste. Unsere 120 Coworking-Plätze können wir noch anbieten. Ich gehe aber davon aus, dass sie bis Jahresende vergeben sind.

 

Für die Nutzung muss natürlich gezahlt werden ...

Exner: Diese Einnahmen garantieren, dass wir jetzt schon eine hohe Eigenständigkeit haben. Ich habe viele Jahre im klassisch-verlegerischen Journalismus verbracht, und habe da dieselbe Sicht wie Herr Schöpflin: Die eigene Tragfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Organisationen sorgen maßgeblich für ihre Unabhängigkeit. Wir wollen keine hundertprozentige Finanzierung - von niemandem. Wenn wir zu hundert Prozent am Tropf einer großen Stiftung hingen, wäre das eine Beschränkung für das, was wir ausprobieren wollen.

Schöpflin: Bei unseren Fördernehmern ist ein ganz wichtiger Bestandteil, dass sie idealerweise mindestens ein Drittel ihres operativen Budgets selbst verdienen. Das soll kein Projekt der Stiftung sein, sondern sich mehr oder weniger auch selbst tragen.

 

Wie aber sieht es mit dem Einfluss des Stifters auf „Publix“, sein Projekt und Inhalte aus? Herr Schöpflin, haben Sie Einfluss? Wollen Sie Einfluss?

Schöpflin: Das entspricht grundsätzlich nicht meiner DNA. Auch unser Beirat ist so besetzt, dass diese Legacy bleibt, wenn ich morgen nicht mehr da sein sollte. Wir haben für Publix eine gemeinnützige GmbH gegründet, die von Maria Exner als Intendantin und Geschäftsführerin unabhängig geführt wird. Wir nehmen keinen Einfluss. Aber die Frage ist absolut berechtigt. Nehmen Sie die Bill Gates Foundation: Die werden ja zum Teil zurecht angegriffen, wenn die Stiftung Teile der Zivilgesellschaft umgeht. Das heißt nicht, dass es alles schlecht ist. Aber es wäre doch besser, wenn die NGO-Community mit eingebunden wäre. Diese Vielfalt hat ja auch einen Wert und jede Monokultur ist gefährlich.

 

Sie können also nicht die Intendantin abberufen und sagen, das war‘s jetzt?

Schöpflin: Als Gesellschafter der Publix gGmbH könnten wir. Aber das heißt nicht, dass wir den Versuch unternehmen, uns inhaltlich einzumischen. Das gibt es einfach nicht. Ich glaube an die Menschen, die ich unterstütze, und überlasse ihnen die volle Verantwortung. Andere Stiftungen fördern in der Regel Projekte, aber das ist ja nicht unsere Art: Wir fördern keine Projekte, wir fangen vielleicht mit Projekten an, aber dann erarbeitet man sich eine Vertrauensebene, und wir sagen zu den entsprechenden Organisationen: Ihr wisst schon, was ihr macht. Wir schauen uns aber natürlich die Ergebnisse an. Es gibt bei uns auch keine Jahresförderung, wir machen immer eine mehrjährige Förderung. Das beste Beispiel ist Correctiv. Da habe ich vor zehn Jahren angefangen zu fördern, und wir haben eben die weitere Förderung für die nächsten drei Jahre beschlossen.

 

Beruhigt, Frau Exner?

Exner: Ich habe als Journalistin selbst schon einige stiftungsfinanzierte Projekte gemacht. Bislang habe ich dabei durchweg erlebt, dass die Stiftungen sich inhaltlich nicht einmischen. Die Philanthropie pflegt eine Praxis der Zurückhaltung, die dem Journalismus sehr entgegenkommt. Einmischung in das, was wir hier machen, gibt es nicht.

 

Können Sie sich dann erklären, warum diese große Skepsis gerade in Deutschland gegenüber Stiftungen besteht - vor allem, wenn diese „was mit Medien“ machen?

Exner: Nach meinem Gefühl spielen da mehrere Faktoren eine Rolle. Da gibt es zunächst eine große Unwissenheit darüber, wie Philanthropie arbeitet und was der Stiftungssektor tut beziehungsweise unterlässt. Davon haben nur wenige Redaktionen oder Verlage eine genaue Vorstellung. Deswegen ist Publix auch als Forum wichtig, weil wir Information und Aufklärung über diese Art der Unterstützung bieten können. Dazu kommt ein Reflex der klassischen Verlage, die unter großem wirtschaftlichem Druck stehen und deshalb gegen neue Marktteilnehmer sind, die sich vermeintlich nicht den gleichen Bedingungen unterwerfen müssen wie sie selbst. Ich glaube jedoch, dass dahinter ein Missverständnis steht: Mit Stiftungsgeldern können Innovationsprojekte finanziert werden, die am Ende der ganzen Branche helfen. Wer Interesse daran hat, dass der Qualitätsjournalismus eine gute Zukunft hat, sollte sich nicht gegen Innovationen in diesem Bereich sperren. Wir brauchen eine gut funktionierende öffentliche Meinungsbildung.

 

Herr Schöpflin, Frau Exner, sind Sie denn im Gespräch mit anderen Stiftern hier in Deutschland? Wir haben ja im Prinzip eine breite Stiftungslandschaft - nur an den Bereich Medien und Journalismus trauen sich die wenigsten ran.

Exner: Wir haben anlässlich der Publix-Eröffnung nochmal beim Deutschen Stifterverband nachgefragt. Weniger als fünf Prozent der jährlichen Fördersummen, die Stiftungen in Deutschland ausgeben, fließen in den Journalismus. Das gilt es jetzt sehr, sehr schnell auszubauen, Vorbehalte abzubauen, andere einzuladen, hier mit dabei zu sein. Denn egal was ihr eigentliches Stiftungsansinnen ist - ob Bildung, Kultur, Sport oder Gesundheit: Wenn uns die öffentlichen Multiplikatoren für diese Themen abhandenkommen, Lokalzeitungen eingehen, gute Kulturmedien oder guter Wissenschaftsjournalismus fehlen, dann können diese Stiftungen mit ihren Themen auch die Öffentlichkeit nicht mehr erreichen. Und damit würde auch für ihre Stiftungsanliegen ein entscheidender Wirkungshebel fehlen.