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Warum „Spiegel“-Chef Dirk Kurbjuweit in Bedrängnis ist

Warum „Spiegel“-Chef Dirk Kurbjuweit in Bedrängnis ist Hat beim „Spiegel“ keinen leichten Stand: Chefredakteur Dirk Kurbjuweit (Foto:„Spiegel“)

Er ist erst seit einem guten Jahr im Amt, da braut sich bei dem Nachrichtenmagazin schon wieder etwas zusammen. Interne Kritiker sehen in Kurbjuweit einen gelegentlich orientierungslos wirkenden Chef mit dem Hang zu einsamen, autoritären Entscheidungen.

Berlin – Ein Beitrag von Markus Wiegand und Wolfgang Messner aus dem aktuellen „kress pro“:

Anfang Juli griff „Spiegel“- Chefredakteur Dirk Kurbjuweit, der als guter Schreiber gilt, selbst in die Tasten, um die Weltpolitik für die Zielgruppe zu ordnen. Der Titel des Beitrags: „Rückkehr des Königtums“. Der Inhalt: „Selbstherrlichkeit und Willkür bedrohen die liberale Demokratie“. Ein Argument: US-Präsident Joe Biden sei der „größenwahnsinnigen Ansicht“, nur er könne die Demokratie vor Trump retten.

 

Im eigenen Haus erzielte der Chef damit eine ungeahnte Reichweite. Screenshots und spöttische Kommentare wurden herumgereicht, weil viele sofort die Parallelen zum „Spiegel“ ausmachten: Ein gelegentlich orientierungslos wirkender Chef mit dem Hang zu einsamen, autoritären Entscheidungen.

Schwache Zahlen


Kurbjuweit hat keinen einfachen Stand. Er kam im vergangenen Jahr nur ins Amt, weil Vorgänger Steffen Klusmann den Titel verlassen musste, nachdem er einen Machtkampf mit Geschäftsführer Stefan Ottlitz verloren hatte. Das Versprechen der Geschäftsführer Geschäftsführer (Thomas Hass und Stefan Ottlitz), das vor allem in der Redaktion damals kaum geteilt wurde: Ohne Klusmann läuft es besser.

Das, so sagen Kritiker der Führung, hat sich nicht bewahrheitet. Der Gewinn der „Spiegel“-Gruppe ist im vergangenen Jahr empfindlich zurückgegangen (auf 24,2 Mio. Euro) und hat sich gegenüber 2021 mehr als halbiert. Ein Grund: Die Digitalabos wachsen langsamer als geplant. In der zweiten Juliwoche etwa wurden per saldo gerade einmal 48 neue Abos gewonnen. Ziel sind eigentlich: 3.000 bis 4.000 pro Monat.

 

Auch die Printerlöse sind gehörig unter Druck. Im ersten Quartal hat der „Spiegel“ im Einzelverkauf erstmals nur eine fünfstellige Zahl (94.000) pro Ausgabe absetzen können. In der digitalen Vermarktung verlor man 2023 zum Vorjahr ebenfalls ungewöhnlich deutlich (minus 18 Prozent, was 9 Mio. Euro entspricht).

 

Angesichts der Zahlen hat die Führung der Mitarbeiter-KG (die mit 50,5 Prozent die Mehrheit an der Spiegel-Gruppe hält) der Geschäftsführung und der Chefredaktion eine ungewöhnlich scharfe Ansage gemacht, berichten Teilnehmer eines digitalen KG-Meetings. Demnach hat Wirtschaftschef Markus Brauck, wechselweise Chef der Geschäftsführung der Mitarbeiter-KG, eine Strategielosigkeit der Führung ausgemacht. Das überrascht. Im Machtkampf hatte sich Brauck noch gegen Klusmann auf die Seite von Ottlitz geschlagen.

 

Triste Stimmung
Neben den Fakten geht es auch immer um Stimmungen. Und da hat der angekündigte Wechsel des beliebten Martin Knobbe, Leiter des "Spiegel"-Hauptstadtbüros, zum „Handelsblatt“ nicht gerade für Aufhellung gesorgt, sondern die Skepsis verstärkt. Das gilt auch für das nicht spannungsfreie Verhältnis von Dirk Kurbjuweit zu Melanie Amann, die als stellvertretende Chefredakteurin eine starke Stellung im Haus hat und als potenzielle Nachfolgerin gilt. Im kommenden Frühjahr sind Wahlen für die Mitarbeiter-KG. Im Hintergrund formieren sich die Kritiker des Duos Ottlitz und Kurbjuweit bereits.

 

Kurbjuweit beendete seinen eingangs erwähnten Königtum-Kommentar übrigens so: „Wahlen können neuerdings einen Systemwechsel nach sich ziehen, das macht sie so dramatisch.“ Das gilt auch für den „Spiegel“.

 

Must reads im neuen „kress pro“:

  • Was jetzt Traffic bringt: SEO-Experte Jens Fauldrath sagt, wie Publisher im KI-Zeitalter ihre Reichweiten optimieren.
  • Plus: Herausforderung Google Discover und KI: Wie zwölf führende Digitalprofis reagieren
  • Marktüberblick: Die wichtigsten digitalen Dienstleister
  • Neue Projekte: Wie und wo der „Spiegel“ auf KI setzt