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Warum Virologe Christian Drosten den Medien droht

Warum Virologe Christian Drosten den Medien droht Virologe Christian Drosten.

„Wir sind hier langsam an einem Punkt, wo dann demnächst auch die Wissenschaft in geordneter Weise den Rückzug antreten muss, wenn das nicht aufhört“. Virologe Christian Drosten spricht bei NDR Info eine deutliche Warnung an die Medien aus. Was ihn dazu veranlasst hat.

Berlin – „Es ist eben nicht die Wissenschaft, die Entscheidungen trifft, sondern die Politik. Und das Ganze sind sehr schwierige Abwägungen. Und dass die Wissenschaft erstens überfordert wäre, Entscheidungen zu treffen. Denn die Wissenschaft generiert nur Daten und kann sagen, wie sicher diese Daten sind und kann auch sagen, wo die Sicherheit aufhört, mehr aber auch nicht. Wenn man vielleicht noch dazu fügt, die Wissenschaft kann auch versuchen zu erklären, und zwar einer breiten, aufgeschlossenen und interessierten Bevölkerungsschicht. Das ist ja das, was im Moment Wissenschaftler auch vielfach tun, und dafür dann leider auch überzeichnet werden“, so Christian Drosten im aktuellen NDR-Info-Podcast „Coronavirus-Update, Folge 24“.

 

An diesem Punkt setzt der derzeit so populäre Chef-Virologe der Berliner Charité mit seiner Medienkritik an: „Es gibt Zeitungen, die malen inzwischen nicht nur in den Wörtern, sondern in Bildern, Karikaturen von Virologen. Ich sehe mich selber als Comicfigur gezeichnet und mir wird schlecht dabei. Ich bin wirklich wütend darüber, wie hier Personen für ein Bild missbraucht werden, das Medien zeichnen wollen, um zu kontrastieren. Das muss wirklich aufhören.“

 

Es sei einer der Gründe, warum er es zum Beispiel in der vergangenen Woche vermieden habe, noch irgendwelche Interviews zu geben oder sich im Fernsehen zu zeigen, sagt Drosten im Geschräch mit NDR-Info- Wissenschaftsredakteurin Anja Martini. Drosten hat das Gefühl, „dass inzwischen auch das visuelle Bild von Wissenschaftlern belegt wird mit Projektionen, die gar nicht existieren und dass Wissenschaftlern Dinge, auch mir natürlich, aber auch anderen Wissenschaftlern, Dinge angehängt werden, die so nicht stimmen“. Drosten berichtet von einer E-Mail, in der er für den Selbstmord des hessischen Finanzministers verantwortlich gemacht worden sei. „Wenn solche Dinge passieren, dann ist das für mich schon ein Signal dafür, nicht, dass wir nah an der Grenze sind, sondern, dass wir über eine Grenze von Vernunft schon lange hinaus sind in dieser mediengeführten öffentlichen Debatte. Und ich habe damit langsam wirklich ein Problem.“

 

Die Medien produzierten immer weiter das Bild des entscheidungstreffenden Wissenschaftlers, obwohl Politik und Wissenschaft klar sagen würden, wer die Entscheidungen trifft: die Politik. Drostens deutliche Warnung: „Wir sind hier langsam an einem Punkt, wo dann demnächst auch die Wissenschaft in geordneter Weise den Rückzug antreten muss, wenn das nicht aufhört.“

 

Die Wissenschaft habe kein demokratisches Mandat. Ein Wissenschaftler sei kein Politiker, der sei nicht gewählt worden und der müsse nicht zurücktreten. Kein Wissenschaftler wolle überhaupt so Dinge sagen wie: Diese politische Entscheidung, die war richtig. Oder diese politische Entscheidung, die war falsch. Oder diese politische Entscheidung, die muss jetzt als Nächstes getroffen werden. „Sie hören das von keinem seriösen Wissenschaftler“, unterstreicht Drosten.

 

Und der Virologe stellt bei NDR Info noch etwas klar: „Es gibt hier wirklich in Deutschland keine Rivalität und keine Konkurrenz zwischen Wissenschaftsdisziplinen. Auch wenn das manchmal in den Medien so dargestellt sein will. Also manchmal ist es dann tatsächlich so, da wird gefragt, und das geht los in manchen Talkshows, wo absichtlich dann Leute nebeneinandergesetzt werden, von denen man erhofft, dass sie sich bekämpfen, weil sie aus unterschiedlichen Wissenschaftsfächern kommen. Das passiert zum Glück aber dennoch nicht. Denn Wissenschaftler sind allgemein im Moment doch sehr reflektiert, muss man sagen.“

 

Genau diese Überzeichnung, dieses immer noch provozieren wollen von einem Konflikt, der so gar nicht existiere, zeigt für Dorsten, „dass es uns gesellschaftlich immer noch ziemlich gut geht“. Er fühlt sich immer unwohler bei dieser Entwicklung: „Denn eine Sache ist auch klar, dieses Wohlfühlniveau in der Gesellschaft wird nicht so bleiben in den nächsten Wochen. Auch wir in Deutschland und ich hoffe sehr, dass wir nicht überwältigt werden, aber auch wenn wir an diese Grenze gehen der Belastung im medizinischen System, das hat so viele Folgeeffekte. Das hat auch so viele Folgeeffekte in der Gesellschaft.“

 

Drosten fordert deshalb die Medien auf, sich ihre Verantwortung klarzumachen. Und der Wissenschaftler legt in der aktuellen Coronavirus-Update-Folge auch dar, in welchem persönlichen Konflikt er sich befindet: Er müsse sich nicht exponieren in der Öffentlichkeit bzw. exponiert werden: „Ich brauche das nicht – es gibt kein Erfolgsmaß in der Wissenschaft, in Form von Podcasts oder Twitterfollowern. Im Gegenteil, für einen Wissenschaftler ist es gefährlich. Es kann wirklich karriereschädigend sein, sich zu sehr in die Öffentlichkeit zu begeben. Denn in der Öffentlichkeit muss man simplifizieren und muss Dinge vereinfachen. Das steht einem Wissenschaftler eigentlich nicht gut. Ich mache das jetzt aber mal trotzdem, weil ich mich genau in diesem engen Forschungsfeld seit so langer Zeit schon bewege, dass ich weiß, dass ich frei und weitgehend ohne Fehler über das weitere Themenumfeld dieses Problems sprechen kann. Sonst würde ich das sowieso nicht tun, wenn ich mich nicht wirklich exakt in diesem Thema so sicher fühlen würde, in dem Thema epidemische Coronaviren. Ich würde mich noch nicht mal trauen, das im Bereich Influenza in dieser Intensität zu machen. Das wird trotzdem nicht verstanden. Und ich finde das sehr schwierig.“