Vermischtes
KNA

Was sich von Österreich in Sachen Presseförderung lernen lässt

Konkrete Pläne für eine Presseförderung des Bundes sind wieder vom Tisch. Die Probleme vor allem im Lokalen bleiben. Auf Einladung des DJV und des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik diskutierten Experten, wie es weitergeht.

Berlin (KNA) – „Wenn der Journalismus vor allem im Lokalen schwindet, verstärken sich Populismus, Korruption und andere Effekte, die uns als Demokratinnen und Demokraten sehr beunruhigen sollten“, warnte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), Sigrun Albert. Für ein „gutes Morgen“ müssten „heute die Weichen gestellt“ werden, forderte sie nach der gescheiterten Presseförderung durch den Bund. Auf Einladung des Deutschen Journalisten-Verbands Berlin (DJV Berlin - JVBB) und des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) diskutierten am Montag in Berlin Experten, wie eine brauchbare Presseförderung aussehen und was sie leisten könne und müsse.


Christopher Buschow, Professor für digitalen Journalismus an der Hamburg Media School, wandte sich klar gegen die zuletzt wieder in der Diskussion stehende Zustellförderung für Presseprodukte. „Wir sollten ohnehin lieber von Journalismusförderung als von Presseförderung sprechen“, riet Buschow. Zudem müsse klar sein, was genau gefördert werden solle: Lokaljournalismus, Redaktionen oder Innovation. Die Zustellförderung bringe die Branche nach seiner Sicht in keinem dieser Felder weiter, sondern zementiere eher den Status quo und sei daher innovationshemmend.

 

Der Experte in Sachen Presseförderung verwies dafür auf europäische Förderbeispiele. Dort sei „ein ganzer Werkzeugkoffer an Instrumenten gut erprobt“, um die Transformation des Journalismus zu bewerkstelligen, so Buschow. Hierzulande seien Förderprojekte auf Bundesebene eher überschaubar, wie die Strukturförderung bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Auf Länderebene sehe es etwas besser aus.

 

Mehrere Bundesländer fördern

Brandenburg fördert seit 2021 mit jährlich einer Million Euro staatsfern über die Medienanstalt Berlin-Brandenburg Medienprojekte, unter anderem die Wahlarena eines Lokal-TV-Senders vor der anstehenden Brandenburg-Wahl. Auch in Bayern, Hamburg, NRW, Rheinland-Pfalz und Sachsen laufen Förderprogramme beziehungsweise sind in Planung. Allerdings, so Brandenburgs Medienstaatssekretär Benjamin Grimm (SPD), überstiegen allein in seinem Land die Anträge mit einem Volumen von mehr als zwei Millionen Euro die zur Verfügung stehende Fördersumme um das Doppelte.

 

Eine wirkliche Transformationsförderung für die Umstellung von Lokalzeitungen von Print auf Digital sei damit aber nicht zu machen, sagte Forscher Buschow. Allein in der brandenburgischen Prignitz habe der Zeitungskonzern Madsack nach eigenen Angaben nur in der ersten Phase rund eine halbe Million Euro in Vorbereitung, Nutzerdialog und die Konzeption neuer digitaler Angebote wie lokaler Newsletter investiert. Nach Meinung von Staatssekretär Grimm spricht das dann doch wieder für eine zeitlich begrenzte Zustellförderung. Denn dadurch würden die Verlage entlastet und könnten das Geld in andere Dinge wie die digitale Transformation investieren.

 

Ein Vorbild für die lokale Förderung könnte die österreichische Hauptstadt Wien sein. Hier ist die Förderung unter dem Label „Wiener Medieninitiative“ bei einer Agentur angesiedelt, so deren Leiterin Evelyn Hemmer. Zwei Förderformate stünden zur Verfügung. So würden mit einer Summe von bis zu 10.000 Euro selbstständige Journalistinnen und Journalisten sowie kleine Medienunternehmen bei der Ideen- und Projektentwicklung unterstützt. In einer zweiten Stufe fördert die Medieninitiative die Umsetzung mit bis zu 100.000 Euro je Projekt. Dabei müssen die geförderten Projekte Kriterien wie hohe journalistische Qualität, Vielfalt und wirtschaftliche Nachhaltigkeit erfüllen.

 

In Wien stehen für die Initiative pro Jahr drei Millionen Euro zur Verfügung. Die Entscheidung, welche der rein auf lokale Projekte beschränkten Anträge gefördert werden, fälle eine auch international besetzte Jury, erläutere Hemmer: „Das Risiko, dass hier auch etwas nicht klappt, gehört ganz bewusst dazu. Denn auch daraus können wir für künftige Projekte lernen.“ Man müsse Scheitern ermöglichen, so Hemmer.

 

Unterstützung für Redaktionen

Mit Blick auf Deutschland verwies Forscher Buschow auf die teils unklaren Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Hinzu käme das Kompetenzgerangel innerhalb der Bundesregierung, etwa zwischen Wirtschaftsministerium und der BKM, ergänzte die Grünen-Bundestagsabgeordnete und frühere medienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, Tabea Rößner. Sie plädierte dafür, dass der Bund Wirtschaftsförderung leisten müsse. „Die wirtschaftliche Basis muss sicher sein“, so Rößner, wobei aus ihrer Sicht vor allem Redaktionen unterstützt werden sollten. Falls der Schwund im Lokalen auch weiter nicht aufzuhalten sei, müsse man sich zudem Gedanken machen, hier den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Pflicht zu nehmen und lokal berichten zu lassen.

 

Die Verlage lobbyieren derweil mit Verweis auf europäische Nachbarländer für einen Mehrwertsteuersatz von null Prozent auf Presseprodukte. BDZV-Geschäftsführerin Albert verwies auf Norwegen, wo die Absenkung der Mehrwertsteuer für Digitalprodukte auf Null den Lokaljournalismus gepusht hätte. „Das wäre auch bei uns hilfreich, allerdings sind Steuersenkungen schwierig umzusetzen“, so Albert. So habe die Ende 2019 eingeführte Absenkung des Steuersatzes bei digitalen Medien von 19 auf 7 Prozent einen mehrjährigen Vorlauf gehabt. Albert fordert, ähnlich wie in Österreich die digitalen Werbeumsätze von Google und Co. auch in Deutschland zu besteuern. Diese Gelder könnten dann für eine konkrete Medienförderung, beispielsweise für Lokaljournalismus genutzt werden.